Seit Jahrzehnten werden Quantencomputer hauptsächlich in der Theorie erforscht und sind ein Dauerthema unter IT-Enthusiasten. Sollten die Möglichkeiten ausschöpfbar werden, sind enorme Sprünge in der Rechenleistungen zu erwarten, gerade in komplexen Bereichen. Durch die ersten kommerziell nutzbaren Quantenrechner hat das Thema enorm Fahrt aufgenommen, viele Unternehmen steigen in die Entwicklung ein. Die Technologie wird bereits als Service bereitgestellt und zur Erforschung konventioneller Fragestellungen genutzt. Bei den Anwendungsgebieten stehen momentan zwei Bereiche im Fokus: die Medizinbranche und die Kryptografie.
Superposition und Quantenverschränkung machen den Unterschied
Ein konventioneller Digitalrechner basiert auf dem binären System und damit auf den Gesetzen der klassischen Physik. Der Quantencomputer hingegen beruht auf quantenmechanischen Prinzipien: dem Superpositionsprinzip und der Quantenverschränkung.
Während ein Bit des Digitalrechners nur zwischen den beiden Zuständen 1 und 0 definiert werden kann, nimmt ein Qubit im Quantenrechner aufgrund des Phänomens der Superposition mehrere Zustände gleichzeitig an. Es befindet sich so lange in diesem undefinierten Zustand, bis es gemessen wird und so einen eindeutigen Zustand annimmt.
Um die enorme potentielle Leistung des Rechners zu ermöglichen, wird das Phänomen der Quantenverschränkung genutzt. Quantenteilchen, die miteinander verbunden sind, reagieren auf den Status der anderen vernetzten Teilchen, sogar über tausende Kilometer Entfernung. Eine Messung an einem Teilchen ändert also auch den Status des verbundenen Teilchen. Die Herausforderung: Die Qubits sind sehr empfindlich und verlieren deshalb durch externe Einflüsse schnell ihren Zustand der Superposition. Die Kunst besteht also darin, möglichst viele Quantenteilchen zu verschränken und möglichst lange stabil zu halten.
IBM und D-Wave mit führenden kommerziellen Anwendungen
In den letzten Jahren wurden große Fortschritte in der praktischen Umsetzung gemacht, führend auf dem Gebiet sind die Unternehmen IBM und D-Wave. 2016 hat IBM den weltweit ersten Quantencomputer in der Cloud für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Nutzer können sich über die IBM Cloud mit einem Quantensystem mit 16 Quantenbits (Qubits) verbinden. So können mit den einzelnen Qubits Algorithmen und Experimente durchgeführt und Tutorials und Simulationen ausprobiert werden, um so die Möglichkeiten der Quantentechnologie zu testen. 2017 hat IBM einen 50 Qubit-Rechners gefertigt und getestet, der die Basis für die nächste Generation des Cloud Services bilden soll.
Das Unternehmen D-Wave hat bereits im Jahr 2011 einen kommerziellen Quantencomputer auf den Markt gebracht. Genau genommen stellt D-Wave allerdings keinen echten Quantenrechner her, weil das sogenannte Quantum-Annealing-Verfahren angewandt wird. Die Qubits in D-Waves Computern sind nicht lange genug stabil, um die Quantenzustände präzise zu manipulieren, was die eigentliche Mechanik bei der Technologie ist. Deshalb sind die Rechner auch potentiell nicht in der Lage, den begehrten Shor-Algorithmus auszuführen, der beispielsweise in der Lage wäre, die aktuellen Kryptografie-Standards zu knacken.
Mit Google, Microsoft und Intel haben weitere Unternehmen kommuniziert, dass sie an der Entwicklung eines eigenen Quantenrechners arbeiten.
Healthcare-Branche in Vorreiterrolle
Die Medizin nimmt in der Gesamtbetrachtung der Geschäftswelt traditionell eine Sonderrolle ein. Einerseits trägt die Healthcare-Branche so viel zum Wohlergehen und der Entwicklung der Menschheit bei wie kaum ein anderer Bereich, andererseits sorgen große Medizin-Konzerne für hohe Investitionen in neue Technologien. Hinzu kommt eine enge Verknüpfung mit der Wissenschaft, woraus sich eine hohe Komplexität ergibt.
Deshalb nimmt die Medizin bei der Nutzung und Entwicklung innovativer Technologien oftmals eine Vorreiterrolle ein, was sich gerade im Bereich künstliche Intelligenz und Machine Learning beobachten lässt. Ähnliches ist also auch bei Quantum Computing zu erwarten, da die Technologie noch besser geeignet ist, komplexe Herausforderungen zu lösen.
Personalisierte Medikamente als Vision
Ein wichtiges Feld ist die Erforschung von Krankheiten und die Entwicklung von Medikamenten, um diese zu bekämpfen. Hierzu müssen komplexe Wechselwirkungen zwischen Proteinen, Molekülen und chemischen Wirkstoffen analysiert werden, was sehr zeitintensiv ist. Ein stabiler und performanter Quantencomputer würde hier enorme Effizienzvorteile bringen. Sollte das gelingen, ist auch eine personalisierte Medizin möglich, die individualisierte Medikamente und Anwendungen ermöglicht.
Eine solche Anwendung ist die Strahlentherapie auf individualisierter Ebene, die zwar schon durchgeführt wird, aber durch die aktuelle Rechenkapazität schnell an Grenzen gelangt. Die Herausforderung einer Strahlenbehandlung liegt in der feinen Abstimmung der Parameter wie Dosierung, Intensität und Zielpunkt, um die Schaden an den geschädigten Zellen so hoch wie möglich zu halten, ohne gesunde Zellen zu beschädigen.
Das Wiener Unternehmen CMS versucht mit Hilfe eines Quantencomputers ein Messverfahren zu entwickeln, mit dem von Menschen ausgeatmete Luft genauer analysiert werden kann. So hat jede Krankheit und damit auch der Krebs, spezifische Stoffwechselprodukte, die sich in der Atemluft wieder finden. Allerdings sind sehr sensitive Messmethoden nötig, die bisher nur mit Quantencomputern realisiert werden können.
Kann die Blockchain der Quantentechnologie widerstehen?
Ende 2017 gab es im Technologie- und Finanzsektor fast nur noch ein Thema: die Blockchain. Getrieben durch die enormen (Buch-) Wertzuwächse bei Kryptowährungen wie Bitcoin, Ethereum und Ripple fand die Technologie ihren Weg in die Massenmedien. Ein wichtiger Bestandteil der Technologie: um die Transaktionen auf der Blockchain zu schützen, werden kryptografische Verfahren wie RSA und Hashing eingesetzt, die auch vielen anderen digitalen Anwendungen State-of-the-Art sind.
Theoretisch sind diese Verfahren auch mit konventionellen Digitalcomputern zu knacken – allerdings ist der Aufwand immens und wirtschaftlich überhaupt nicht darstellbar. Das könnte sich mit der fortschreitenden Entwicklung von Quantencomputer schnell ändern. Das bedroht auch die Integrität der meisten Kryptowährungen, lediglich die IOTA Foundation, die hinter der IOTA-Technologie steht, behauptet die Währung sei auch sicher gegen Attacken mit Quantencomputern. Inwieweit das richtig ist oder es sich nur um einen geschickten Marketing-Trick handelt, lässt sich momentan schwer abschätzen.
Klar ist, dass schon seit an längerem der Entwicklung von quantenresistenten Kryptographieverfahren gearbeitet wird. Als ein Hoffnungsträger gilt die Quantenschlüsselverteilung. Sie soll beim Austausch von Informationen Quantenteilchen wie Photone verwenden, die nicht von Unbefugten manipulierbar sein sollen, ohne sie zu zerstören.
An diesem Beispiel wird deutlich, dass die Quantencomputer-Technologie gebraucht wird, um sich gegen Quantencomputer-Attacken abzusichern. Insofern ist wohl davon auszugehen, dass die Verteidigungs- und Verschlüsselungstechnologien sich im Gleichschritt zum Quantencomputer entwickeln werden. Spätestens durch den Einstieg von Microsoft und Google in die Forschung und Entwicklung ist klar: das Thema Quantencomputer ist einer der großen Trends der nächste Jahre und hat das Potential, die Entwicklung in zahlreichen Bereichen enorm zu beschleunigen.
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