Mit der Corona-Pandemie wurden den Unternehmen auf drastische Weise die dynamischen Veränderungen in einer bereits komplexen VUCA-Welt (volatility‚ uncertainty, complexit, ambiguity) von noch nie dagewesenem Ausmaß vor Augen geführt.
CFO und COO in der Schlüsselrolle der Veränderung
Viele Unternehmenslenker gingen vor der Corona-Krise von einer standardisierten Unternehmensumgebung aus, in der ein qualitativ durchgängiger Kundensupport garantiert ist, reibungslose Standardprozesse orchestriert werden und aus den verschiedenen Organisationsteilen stets ein Echtzeiteinblick in die operativen Tätigkeiten gewährt wird.
Doch in der Realität, und dies zeigt gerade der Lockdown unserer Wirtshaft, ist der Weg dorthin noch ein Stück zu gehen und verlangt nach radikalem Umdenken und einer Herangehensweise, die entsprechend neu gedacht werden muss – sowie nach damit verbundenen Investitionen. Konkret hat das Management häufig Probleme in den Bereichen der Personalkosten, Produktivität, Compliance, Prozess-Genauigkeit/Kontinuität und Systemeffizienz zu lösen. Schafft es ein Unternehmen in einem oder mehreren Bereichen im Vergleich zum Mitbewerber, wesentliche Verbesserungen vorzunehmen, erzielt es dadurch einen entscheidenden Vorteil, wieder aus der Corona-Krise zu kommen und die Geschäftsaktivitäten marktgerecht hochzufahren. Voraussetzungen hierfür sind unter anderem: Hochwertigere Produkte und Services, größere Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit – beziehungsweise tiefere Fluktuation und erhöhte Produktivität, mehr Raum für Kreativität und andere wertschöpfende Aktivitäten, allgemein tiefere Kostenstrukturen und mehr Freiheitsgrade bei Marktveränderungen. Ein wesentlicher Lösungsansatz ist hierfür der Einsatz von Software-Robotern zur Prozessautomatisierung, genannt Robotic Process Automation (RPA).
Ist RPA Brücken-Technologie oder das zukünftige Prozess-Ökosystem?
Wo steht Robotic Process Automation heute? In einigen Unternehmensbereichen hat das klassische RPA Einzug in den Fachabteilungen gehalten und erste Prototypen wurden umgesetzt. Eine Studie von Blue Prism aus dem Jahr 2019 zeigt dabei folgende Fakten[1]:
- 62,4 Prozent der Unternehmen sind an RPA interessiert
- 24,7 Prozent haben schon Prozesse automatisiert
- 18 Prozent haben einen Piloten abgeschlossen
- Nicht einmal die Hälfte geht produktiv – insgesamt 6,4 Prozent
- Kaum eine RPA Lösung skaliert in Unternehmen (2,5 Prozent)
Als Erkenntnisse lassen sich dabei ableiten, dass das Potential groß ist, aber erfolgreiche Erstellung und Skalierung eines produktionsreifen Software-Roboters sind offenbar die kritischen Pfade in der Umsetzung. Woran liegt das? In vielen Unternehmen wird das Bauen der Roboter direkt an die Fachabteilungen weitergegeben. Dadurch kann jede Abteilung ihre eigenen Bots erstellen und betreiben. Das führt unweigerlich zu einem Wildwuchs – Ich nenne es gerne den „Excel-Makro-Effekt“: Es ist sehr einfach geworden, die virtuellen Mitarbeiter zu erstellen. Durch Prozess-Recording lassen sich rasch Prototypen bauen und in einer isolierten Umgebung betreiben. Doch sind diese Klick-Roboter auch wartbar und skalierbar? Gerade Cloud-basierte Dienste ändern kontinuierlich ihre Benutzerschnittstelle, entwickeln ihre Applikationen weiter, diese werden automatisch deployt und stehen dem Nutzer sofort zur Verfügung. Die Herausforderung daran: Die Software-Roboter müssen hierzu kontinuierlich angepasst werden. Kann dies in einem mit Benutzersteuerung und Fachlogik vermischten Klick-Roboter erfolgen?
Warum ist die Skalierung ein derartiges Problem? Damit der Wartungsaufwand möglichst geringgehalten wird, dürfen die einzelnen Steuerungselemente (zum Beispiel Login-Masken oder Eingabedialoge) nur einmal implementiert, sollten dann aber n-mal verwendet werden. Mit dieser Form der Modularisierung und Orchestrierung reduzieren sich die Abhängigkeiten von Applikationsänderungen deutlich. Ferner ist beim Einsatz mehrerer Software-Roboter mit ähnlichen Aufgaben eine zentrale Verwaltung des Arbeitsvorrates zwingend erforderlich. Greifen die Bots zum Beispiel alle auf ein gleiches E-Mail-Konto zu, dann blockiert gegebenenfalls die Abarbeitung eines E-Mail-Tasks alle anderen Bots, da die Ausführung des Tasks bereits in Arbeit ist.
Die Kunst der Skalierung – „Smart Scaling“ – bedarf deshalb einer aktiven Kontrolle mit folgenden Eigenschaften:
- Arbeitsverteilung basierend auf Vorgaben
- Verwalten von „Concurrent User“ beziehungsweise „Named User Accounts“
- Kontrollieren von Abhängigkeiten
- Prioritäten der Tasks verwalten
- Eingriff bei gegenseitigen Störungen
- Erkennen von Fehlern bei der Verwaltung
Deswegen löst Next Generation RPA das Problem
Zusammenfassend sind für eine NextGen RPA Umgebung folgende Anforderungen wichtig:
- Klare Trennung von Prozessbeschreibung und Steuerung
- Freie Wahl der Automatisierungsmethode je Task
- Modulbibliothek zur Vereinfachung der Robotererstellung
- Selbstorganisation des Arbeitsvorrates durch die Plattform – „Smart Scaling“
- Offene Schnittstellen
- zu existierenden Automatisierungen für die Investitionssicherheit
- KI Tools für die optimale Unterstützung der jeweiligen Aufgabe (zum Beispiel: unstrukturierte Daten in strukturierte zu überführen, Muster- und Spracherkennung und vieles mehr)
- Pre- oder Post-Automatisierung (zum Beispiel Process Mining) unter anderem für die Einbeziehung von Data-Analytics-Fähigkeiten
In der Regel erfolgt die Prozessbeschreibung auf Basis von “Business Process Model and Notation” (BPMN) mit entsprechenden Modellierungstools und steuert darüber die RPA-Engine. Ein wichtiger Aspekt ist die freie Wahl der Automatisierungsmethode pro Task, so kann heute ein Task noch per Applikationssteuerung automatisiert und in Zukunft gegebenenfalls durch eine vollständige Backendintegration ersetzt werden, das heißt, die Orchestrierung der Prozesse wird flexibel und agil auf den Integrationsstand der vorhandenen Anwendungslandschaft angepasst. Die offenen Schnittstellen bieten einerseits einen Investitionsschutz für bereits bestehende Automatisierungslösungen bis hin zu komplexen Office-Makros, und ermöglichen es andererseits, die für den spezifischen Anwendungsfall optimale KI-Umgebung einzubinden, ohne an einen Vendor-Look eines RPA-Herstellers gebunden zu sein.
Folgende Grafik veranschaulicht das Zusammenspiel:
Dieser Next Generation RPA Ansatz bildet die Grundlage dafür, die Kinderkrankheiten bei den ersten Protoytypen zu vermeiden.
Ferner ermöglicht der Ansatz, durch eine offene Architektur eine intelligente Prozessautomation umzusetzen.
Intelligente Prozessautomation: RPA und KI im optimalen Zusammenspiel
Mit den Fähigkeiten der künstlichen Intelligenz erweiterte Software-Roboter[2] können aber noch mehr, als nur Prozesse zu automatisieren und unter Kosten- und Ressourcen-Gesichtspunkten zu optimieren: Sie kennen den Bearbeitungsgrad eines jeden Prozesses und erkennen selbstständig die Nichteinhaltung von Key-Performance-Indikatoren, Service Level Agreements, Compliance Richtlinien und können bei negativen Abläufen und Anomalien in Prozessen gegensteuern, indem sie geeignete Maßnahmen einleiten oder den Verantwortlichen Handlungsoptionen aufzeigen und so das unterstützte Business zukunftssicherer machen.
RPA Governance
Ein weiterer wichtiger Punkt ist, eine entsprechende Governance für RPA-Projekte aufzubauen: Die Erstimplementierung eines RPA-Projekts erfolgt in der Regel als Pilotprojekt. Unsere Erfahrung nach geht der Betrieb und der Einbau zusätzlicher Software-Roboter im Anschluss an den Piloten aber nicht zwingend in die Linienorganisation über. Dadurch laufen die Bots Gefahr über Jahre hinweg in der Projektumgebung betrieben zu werden.
Das führt dann gerne zu Problemen:
- Es existiert kein Betriebsmanagement in Form von Produkt- und Release-Betreuung
- Daraus resultierend gibt es keinen einheitlichen Projektplan bei der Prozessautomatisierung und Erstellung neuer Roboter
- Es gibt keine einheitliche Lizenzverwaltung
- Das Wissen lieg bei einzelnen Mitarbeitern. Es findet kein Transfer des Knowhows statt.
- Letztlich gibt es auch keine standardisierte ROI-Auswertung
Es ist also zwingend notwendig den oder die Piloten ordentlich in einen Regelbetrieb zu überführen und bereits im Piloten eine Governance mit folgenden Zielsetzungen zu etablieren:
- Bündelung der Verantwortung für die Prozess-Automatisierung in einer Einheit
- Alle Roboter-Implementierungen müssen nach einem einheitlichen Regelwerk und Richtlinien erfolgen
- Wissen und Erfahrungen aus den Prozess-Automatisierungen muss zentral gespeichert werden und verfügbar sein (zum Beispiel in einem Wiki)
Erst mit dem entsprechenden Governance für die automatisierten Prozesse ist also RPA im produktiven Einsatz sinnvoll.
Fazit
Next Generation RPA ist mit einer entsprechenden RPA-Governance somit das zukünftige Prozess-Ökosystem für agile, schnell auf Marktveränderungen reagierende und proaktiv handelnde Unternehmen.
Quellen und Referenzen:
[1]https://www.blueprism.com/uploads/resources/white-papers/IDG-RPA-Studie2019_Blue-Prism-Report_FINAL.pdf
[2]https://weissenberg-solutions.de/was-ist-ein-software-roboter/
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