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Nachhaltig(keit) finanzieren – Der intelligente Weg zu effizienter Fertigung

Das produzierende Gewerbe steht vor einem Dilemma: Einerseits möchten die Unternehmen in Nachhaltigkeit investieren (und davon profitieren), andererseits scheuen sie davor zurück, angesichts volatiler Märkte und wirtschaftlicher Unsicherheit Kapital zu binden. Klaus Meyer kommt zu dem Schluss, dass ein breiterer Einsatz intelligenter Finanzierungsformen notwendig ist, um Unternehmen des produzierenden Gewerbes nachhaltiger und gleichzeitig profitabler zu machen. Er behandelt außerdem praktische Beispiele für nachhaltige Produktion und unterstreicht die wachsende Bedeutung der digitalen Transformation in Produktionsanlagen.
Von   Klaus Meyer   |  Leiter des Commercial-Finance-Geschäfts von Siemens Financial Services in Deutschland und Vorsitzender der Geschäftsführung der Siemens Finance & Leasing GmbH   |  Siemens Financial Services
9. Mai 2023

Weltweit haben sich große Volkswirtschaften angesichts des Klimawandels zu einer massiven Verbesserung der ökologischen Nachhaltigkeit verpflichtet. Im EU-Recht wurde als Zwischenziel festgelegt, die Emission von Treibhausgasen (THG) bis 2030 um mindestens 55 % gegenüber dem Stand von 1990 zu senken.[1]

Gleichzeitig stellen globale Ereignisse die Erfüllung dieser Verpflichtungen vor neue Hürden[2] in Form von geopolitischen Konflikten, Knappheit fossiler Brennstoffe, Unterbrechungen der Lieferketten und Inflationsdruck. Aber rücken Hersteller angesichts dieses Drucks von ihren Nachhaltigkeitszielen ab? Die Antwort sollte „Nein“ lauten. Warum? Weil Experten davon ausgehen, dass eine nachhaltige Produktion, neben ethischen und ökologischen, auch wirtschaftliche Vorteile mit sich bringt. In Europa sagt dazu die OECD: „Kurz gesagt soll nachhaltige Produktion die verschiedenen betriebsimmanenten Risiken minimieren und gleichzeitig die Chancen maximieren, die sich durch bessere Prozesse und Produkte ergeben … wirtschaftlich, ökologisch und sozial.“[3]

Wie also sehen Nachhaltigkeitsinitiativen im globalen Fertigungssektor aus? Welche Verbesserungen können Hersteller umsetzen, um Kosteneinsparungen, höhere Produktivität, Wettbewerbsvorteile und Versorgungssicherheit zu erzielen und gleichzeitig einen Beitrag zur Vermeidung von CO2 -Emissionen, zur Abfallreduzierung und zu anderen Nachhaltigkeitszielen zu leisten?

„Sustainability by Design“

Das Weltwirtschaftsforum stellt fest: „Da mehr als 50 % des weltweiten Gesamtenergieverbrauchs auf das verarbeitende Gewerbe entfallen, bieten fortschrittliche Fertigungstechnologien den Unternehmen dramatische Möglichkeiten zur Steigerung von Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit bei gleichzeitiger Verringerung der Umweltauswirkungen.“[4] Große Fortschritte sind möglich, wenn man ganze Fertigungsprozesse ressourcen- und energieeffizienter und damit umweltschonender gestaltet. Die Möglichkeit, Prozesse in der virtuellen Welt zu entwerfen oder neu zu konfigurieren – durch einen digitalen Zwilling – erlaubt es zudem, diese Entwicklungen schneller und preiswerter umzusetzen und zu testen. Im Kern sind Industrie 4.0 und Digitalisierung natürliche Wegbereiter für mehr Nachhaltigkeit. Unterstützt werden sie durch Remote-Zusammenarbeit und Virtualisierung, wobei bis zu 80 % der Umweltauswirkungen von Produkten bereits in der Entwurfsphase bestimmt werden – inklusive der Verwendung verantwortungsvoll beschaffter Rohstoffe.[5] Zudem kann der Begriff ‚Design‘ auch auf Lieferketten angewandt werden, die bei komplexer Ausgestaltung nach Angaben des ‚Carbon Disclosure Project‘[6] bis zu 90 % der Emissionen verursachen.

Schutz des Wassers

Die Industrie verursacht weltweit 40 % der in Gewässer eingeleiteten Abfälle, wobei die verbrauchsintensiven Sektoren von der Stahlproduktion bis zur Lebensmittel- und Getränkeherstellung reichen. Wenn der Bedarf an Süßwasser hier nicht radikal sinkt, wird der Verbrauch im Zuge von Verstädterung und Industrialisierung weltweit voraussichtlich drastisch ansteigen.[7] Die Vereinten Nationen fordern deshalb weltweit eine effizientere Wassernutzung in der Industrie.[8] Die Neugestaltung von Prozessen (auch mithilfe von ‚Digitalen Zwillingen‘) trägt zu erheblichen Einsparungen bei – teilweise bis zu 60 %.[9]Auch das Recycling von Wasser in geschlossenen Kreisläufen (z. B. unter Ausnutzung der Wärme von Kühlprozessen),[10] die Trockenbearbeitung oder die chemische Trocknung[11] liefern positive Beiträge.

Quelle: Siemens Financial Services

Abfallvermeidung

Die Verringerung des Abfalls korrespondiert mit der Verringerung des Rohstoffverbrauchs. Durch digitales Management des Herstellungsprozesses entstehen weniger fehlerhafte oder verdorbene Produkte. Ein gutes Beispiel kommt aus der Lebensmittelindustrie, wo maschinelles Lernen die bestehenden Prozesse umgestaltet, indem es die Auswahl der Backbedingungen automatisch optimiert und Fehler durch manuelle Einstellungen, z. B. von Gasventilen in Öfen, eliminiert.[12] Abfall kann auch durch den Einsatz additiver Fertigungstechnologien oder durch die Vereinfachung oder Reduzierung von Verpackungsanforderungen reduziert werden.

Intelligente Finanzierung für nachhaltige Produktion

Immer mehr Hersteller wollen so schnell wie möglich von nachhaltigen Alternativen wirtschaftlich profitieren, Handels- und Wettbewerbsvorteile erlangen und sozial verantwortliche Standards erfüllen. Doch ehrgeizige Nachhaltigkeitsziele müssen in der Praxis finanzierbar sein. Deshalb besteht ein Konsens, dass Kapital aus dem privaten Sektor nötig ist, um eine umfassende Transformation zur Nachhaltigkeit zu ermöglichen.[13] Um nachhaltiger zu werden, müssen Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes in neue oder alternative Technologien investieren – z. B. in energieeffizientere Anlagen, Kraft-Wärme-Kopplung (KWK), additive Fertigung, Materialrecycling, Wassereffizienz oder Öko-Verpackungen.  Es besteht daher ein dringender Bedarf an Investitionen – und zwar in erheblichem Umfang. Gleichzeitig sind die Unternehmen nach einer Pandemie und angesichts politischer und wirtschaftlicher Unsicherheit vorsichtig, wenn es darum geht, Kapital in neuer Ausrüstung zu binden. Das führt zu einem Dilemma: Die Hersteller können es sich nicht leisten, ihre Investitionen in eine nachhaltige Produktion aufzuschieben, brauchen aber intelligente Wege, um ihre Investitionszurückhaltung zu überwinden.

Zu diesem Zweck haben weitsichtige Hersteller erkannt, wie wichtig der richtige Finanzierungsmix in Zeiten von Unsicherheit, Volatilität und Krisen ist. In der Industrie mehren sich die Beispiele für den Einsatz von Fremdkapital in Form intelligenter Finanzierungsstrukturen. Die Erfahrungen zeigen, dass so Investitionen in Nachhaltigkeit – und gleichzeitig oft in Digitalisierung – möglich sind, die selbst finanziell nachhaltig sind. Den Weg dorthin ebnen flexible Finanzierungen, die den erwarteten Mehrwert aus den Investitionen berücksichtigen. Eine strukturierte Herangehensweise – besonders wenn die Maßnahmen Aspekte digitaler Transformation beinhalten – garantiert dabei bestmögliche Ergebnisse.

Die Cashflow-Bedürfnisse von Herstellern sind höchst unterschiedlich – dennoch bieten die meisten Finanzierungen nur Bedingungen und Strukturen von der Stange. Spezialisierte Finanzierer hingegen sind in der Lage, ihr technisches Wissen über die Fertigungsindustrie zu nutzen, um die Vorteile nachhaltiger Fertigungstechnologien zu verstehen – und dementsprechend individuelle Finanzierungspakete zu entwickeln. Die Vereinbarungen können so strukturiert werden, dass sie die zeitliche Entwicklung der Produktion (inkl. der Einnahmen daraus) und Effizienz berücksichtigen. Ebenso können die Zahlungen auf die erwarteten Ergebnisse abgestimmt oder saisonal variiert werden. So wird der Übergang zu nachhaltigen Plattformen nachhaltig beschleunigt.

Ein Wechsel der Produktionsumgebung erfordert zwangsläufig das Testen eines neuen Systems, während das alte noch läuft. Das ist kostspielig – weshalb spezialisierte Finanzierer Übergangslösungen anbieten. Dieses wichtige Instrument zur Finanzierung von Nachhaltigkeit eignet sich für Ersatzsysteme, Nachrüstung (Modernisierung und Digitalisierung bestehender Produktionslinien) oder einzelne Maschinen oder Technologien (z. B. für additive Fertigung oder Abfallverwertung). Wichtig ist auch, dass intelligente Finanzierungen alle Kosten für den Übergang zu nachhaltigeren Systemen abdecken – Ausrüstung, Software, Wartung und Service, Installation, Tests, Schulungen und, sofern erforderlich, sogar neues Personal.

In der Tat schafft intelligente Finanzierung – wie dargelegt – für Hersteller eine wichtige Voraussetzung, um in eine nachhaltigere Zukunft investieren zu können. Sie ermöglicht die Nutzung von Technologien, die Abfälle sowie den Ressourcen- und Energieverbrauch minimieren, die Produktivität steigern und weniger Rohstoffe verbrauchen. Die in dieser Studie dargelegten Erkenntnisse sprechen eindeutig dafür, dass Investitionen in nachhaltige Produktion erhebliche Produktivitäts-, Kosten- und Wettbewerbsvorteile mit sich bringen. Es spricht zudem alles dafür, dass intelligente, flexible, branchenspezifische Finanzierungstechniken scheinbar gegensätzliche Interessen verbinden können – den Wunsch nach Investitionen in nachhaltige Technologien mit dem Unwillen, in unsicheren Zeiten Kapital zu binden.

[1] European Commission, European Green Deal, 2022
[2] Forbes, Ukraine Crisis Is Terrible News For Climate Policy, 22 February 2022
[3] OECD, Sustainable manufacturing toolkit, accessed 8 Feb 2022 https://www.oecd.org/innovation/green/toolkit/ aboutsustainablemanufacturingandthetoolkit.htm
[4] World Economic Forum, Making Manufacturing Sustainable by Design, 1 Nov 2019
[5] The Manufacturer, How digital transformation enables greater sustainability, 6 May 2021
[6] Journal of Cleaner Production (135), The state of supply chain carbon footprinting: analysis of CDP disclosures by US firms, 1 November 2016
[7] NPJ Clean Water, Reassessing the projections of the World Water Development Report, 31 July 2019;
[8] United Nations, Progress on Water-Use Efficiency – 2021 Update, 23 August 2021
[9] Siemens, National Halmstad
[10] Water Technology, Industrial water conservation and management in production processes, 2 August 2018
[11] Manufacturing Tomorrow, How to Conserve Water in Your Manufacturing Process, 15 November 2021
[12] Neutral Computing and Applications, Towards design and implementation of Industry 4.0 for food manufacturing, 25 January 2021
[13] Siemens Energy, On-site power generation for Shanghai Orient Champion Paper, accessed 15 Jun 2021

Autor: Klaus Meyer ist Leiter des Commercial Finance-Geschäfts von Siemens Financial Services in Deutschland und Vorsitzender der Geschäftsführung (CEO) der Siemens Finance & Leasing GmbH; Kontakt: communications.sfs@siemens.com; 0800 636-6360

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