Durch die zunehmende Vernetzung im Internet der Dinge und den verstärkten Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in Wirtschaft und Gesellschaft entwertet sich Fachwissen immer schneller, KI-Systeme übernehmen repetitive menschliche Arbeit. Für die berufliche (Weiter-)Bildung hat dies Konsequenzen. Sie muss nicht nur Wissen vermitteln und Methoden trainieren, die den neuen Aufgaben entsprechen, sondern Unternehmen und Mitarbeiter darin unterstützen, Kompetenzen zu entwickeln, damit die Handlungsfähigkeit in einer dynamischen Arbeitswelt weiterhin erhalten bleibt. „Der Einsatz von Kompetenzmodellen ist im Rahmen der digitalen Transformation für Unternehmen wichtiger denn je“, so Markus Dohm, Leiter des Geschäftsbereichs Academy & Life Care bei TÜV Rheinland, „zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit des Unternehmens, als Teil des betrieblichen Gesundheitsmanagements bis hin zum Schutz vor Arbeitslosigkeit.“
Die Digitalisierung wird die ökonomischen und kulturellen Entwicklungen der nächsten zehn Jahre prägen und das hat Auswirkungen auf die Art der Arbeitsprozesse. In einer Zeit der allverfügbaren Informationen und Wissensbestände und automatisierten Lösungen brauchen Menschen nicht nur Fachwissen, sondern auch Kompetenzen, also die Fähigkeit und Bereitschaft, in offenen Situationen, in denen die bekannten Regeln, die alten Kenntnisse und Fertigkeiten nicht mehr zur Problembewältigung ausreichen, selbstorganisiert und kreativ zu handeln und neue Lösungen zu entwickeln, um als Mitarbeiter die Anforderungen in Unternehmen sowie durch Kunden, Lieferanten und Wettbewerber erfüllen zu können. Zudem wird damit die Anschlussfähigkeit an ein zunehmend kompetenzorientiertes schulisches- und berufliches Bildungssystem gewährleistet.
Kompetenzmanagement und der Einsatz eines Kompetenzmodells ist deshalb für jedes Unternehmen mit Zukunftsperspektiven ein wichtiges Mittel für die Weiterentwicklung der Organisation und seiner Mitarbeiter, unabhängig vom individuellen Eingangsniveau. Ein Kompetenzmodell beschreibt die im Unternehmen vorhandenen und benötigten Kompetenzen für alle Arbeitsprozesse und bildet faktisch die Unternehmensstrategie ab. Es unterstützt die beständige Entwicklung der Organisation – sowohl bei der Personalentwicklung aktueller Mitarbeiter als auch bei der Gewinnung und Eingliederung neuen Personals oder der Änderung in kompletten Wertschöpfungsprozessen. Typisch sind im Kompetenzmanagement Cluster wie Fachkompetenz, Methodenkompetenz, Sozialkompetenz, Persönlichkeits- und personale Kompetenzen sowie Führungskompetenz.
Wie geht man die Einführung eines Kompetenzmanagements im Unternehmen am besten an?
Grundlage ist die Analyse und Definition von Einzelkompetenzbereichen und ihren Ausprägungen an der konkreten Aufgabe, Tätigkeit bzw. Jobrolle. Wichtige Erfolgsfaktoren sind neben der Entwicklung relevanter Kompetenzprofile die unabhängige Kompetenzfeststellung und -bewertung der Mitarbeiter sowie die Entwicklung von Programmen zum Schließen von Kompetenzlücken. Wesentlich ist darüber hinaus, dass neue Kompetenzen, die früher nicht Bestandteil des Berufsbilds waren oder heute in anderen Ausprägungen erforderlich sind, Eingang finden müssen. Das können Skills wie Social Media Intelligence und Design Mindset sein, ebenso wie Virtual Collaboration, Working out Loud, Resilienz oder Health and Wellness oder auch die persönliche Wertehaltung.
Das Wissen um notwendige Kompetenzen und deren Ausprägungsgrade für eine Arbeitsstelle, Tätigkeit bzw. Jobrolle ermöglicht
- eine passgenaue Besetzung von Arbeitsplätzen, um etwa bei Änderungen in Prozessen, Kundenanforderungen oder Produktlinien einen Aufbau neuer fachlicher Kompetenzen oder die Entwicklung bestehender Kompetenzen zielorientiert umsetzen zu können.
- die Einführung und Pflege eines gültigen Kompetenzmessungs- und Bewertungsstandards in einem Unternehmen bzw. einer Organisation, die es auch ermöglicht bspw. über Standorte weltweit mit unterschiedlichen Reifegraden hinweg Wirkung zu entfalten. Davon profitieren Kunden (Produkt- und Servicequalität) und Mitarbeiter (Arbeitsschutz, Arbeitsplatzzufriedenheit, Karrieremöglichkeiten) gleichermaßen.
- die maßgeschneiderte Weiterbildung und Qualifizierung entlang der Unternehmensstrategie und entsprechend der festgelegten Ziele wie z.B. einer Steigerung von Effizienz oder Qualität von Services oder Produkten. Dabei kann die Kompetenzentwicklung auch die umfassende Weiterentwicklung der Fachkompetenz umfassen, um einheitliche Standards in unterschiedlichen Wertschöpfungsbereichen sicher zu stellen.
Hinter jedem Kompetenzmodell sollte ein solides Informationsmanagement stehen: Wie wurden die Kompetenzen erhoben (Ableitung aus einer Formalqualifikation, Test, Fragebogen, Lernmodul oder Praxisbeurteilung)? Wie wurden sie bewertet und wie wurde ermittelt, dass die Kompetenzen tatsächlich individuell vorhanden sind? Transparenz zu diesen Fragestellungen liefern beispielsweise Personenzertifizierungen nach DIN EN ISO/IEC 17024 – und davon profitieren dann Unternehmen wie auch Individuen. Es handelt sich um einen unabhängigen Nachweis gegenüber Geschäftspartnern, Arbeitgebern und Kunden, dass die beruflichen Kenntnisse und Fertigkeiten höchsten Anforderungen genügen.
Kommen wir noch zur psychosozialen Komponente des professionellen Managements von Kompetenzen in Unternehmen. Arbeitsunfähigkeit oder Burnouts, also die Überforderung am Arbeitsplatz, muss nicht von permanenter quantitativer Überlastung herrühren, sondern kann auch auf mangelnde Qualifikation am Arbeitsplatz zurückzuführen sein. Mit systematischem Kompetenzmanagement lassen sich Kompetenzlücken aktiv identifizieren – und gezielt schließen z.B. über Auffrischungstrainings im Bereich fachlicher Kompetenzen oder durch Coachings am Arbeitsplatz. Seminare werden durch selbstorganisierte Lernformen in Blended Learning Arrangements, anwendungsnahem Lernen und kollaborativem Lernen in Projekten und am Arbeitsplatz, Social Work-Place Learning sinnvoll ergänzt. Der Mitarbeiter wird selbstbestimmter und sicherer in der Bewältigung seiner täglichen Aufgaben. So gelebt, kann Kompetenzmanagement gleich mehrfach einen wichtigen Beitrag leisten: zur Zukunftssicherung der Organisation, zum betrieblichen Gesundheitsmanagement, zum Schutz vor technologischer Arbeitslosigkeit und nicht zuletzt zur individuellen Karriereplanung und persönlichen Zufriedenheit.
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