Ich stand auf dem 3-Meter-Sprungbrett, unter mir der tiefe Pool. Meine Freunde am Beckenrand taten so, als würden sie mich nicht bemerken. Ich: 12 Jahre alt und richtig viel Angst. Am liebsten wäre ich wieder vom Sprungturm runtergeklettert, aber das ging nun wirklich nicht. Dann hätten mich alle ausgelacht. Also habe ich allen Mut zusammengenommen und landete mit einem mächtigen „platsch“ mit dem Po zuerst im Wasser. Als ich wieder aufgetaucht war, war ich mega-stolz. Keiner meiner Freunde hat etwas dazu gesagt, aber ich fand, sie haben mich anders angeguckt. ….
Das ist einer der glücklichen Momente der Selbstwirksamkeit: „Was ich will, das schaffe ich auch“!
Viele Menschen haben das Glück, in ihrer Kindheit ein – nennen wir es – „Polster“ an Erfahrungen ihrer Selbstwirksamkeit anzulegen. Positive Erfahrungen, in denen Kinder mutig sind, sich etwas zutrauen, etwas geschafft haben, zahlen auf dieses Konto ein. Der Sprung vom 3-Meter-Sprungbrett kann so etwas sein. Je mehr Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten entsteht, desto dicker das Polster, desto positiver wirkt sich dieses Zutrauen auch auf andere, schwierigere Themen im späteren Leben aus.
Leider passiert es immer wieder, dass wir dieses Selbstwirksamkeits-Polster abbauen. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn man sich immer wieder vornimmt, mehr für die Fitness zu tun oder 3 Kilo abzunehmen, und dann jeden Morgen die kurze Sporteinheit wieder auf den Abend verschiebt; oder beim Abendessen doch zum Wein greift, obwohl man sich vorgenommen hatte, Tee zu trinken.
Unzufriedenheit macht sich breit: Es ist doch so wichtig, etwas für das körperliche Wohlbefinden zu tun, aber es gelingt nicht. Häufig führt das zu Selbstvorwürfen. Je häufiger solche persönlich wichtigen Ziele nicht erreicht werden, desto kleiner wird das Polster der Selbstwirksamkeit. Und desto häufiger sinkt auch bei anderen Themen die Zuversicht, „es“ zu schaffen. Über die Zeit wird dieses zum Abwärtstrend in eine depressive Stimmung.
Wie sieht es aktuell in der Arbeitssituation der Unternehmen aus? Umstrukturierungen und Transformationen sind angesagt. Wie werden die Menschen mitgenommen? Manchmal ganz intensiv, mit zielgerichteter, adressatengerechter Kommunikation. Die Betroffenen strengen sich zwar an, sind arg strapaziert, schaffen aber den Transformations-Marathon und bleiben gesund. Weshalb? Es gab klare emotional wirksame Ziele, Feiern von Meilensteinen auf dem dornigen Weg der Umstrukturierung, Teamstärke und einen effektiven Umgang mit Konflikten. Das Selbstwirksamkeitspolster blieb erhalten, wurde sogar gefüllt.
Leider gibt es Unternehmen, die diese Stellhebel auf dem Weg zur gelungenen Transformation nicht nutzen. Was entsteht? Überlastung, vor allem Hilflosigkeit und das Gefühl, außen vor zu bleiben.
Was hilft in diesen Situationen? Zuallererst die richtigen Ziele. „Mehr Effizienz“ oder „10% Einsparungen“ sind für die meisten Menschen keine mental wirksamen Ziele. Sie sind zu allgemein formuliert (mehr für Effizienz) oder zu konkret (in Zahlen ausgedrückt). Da hilft die Frage: Was ist anders, wenn wir die neue Software eingeführt haben? Wir haben zwar alle bisherigen Prozesse auf den Kopf gestellt, sind damit aber schneller und müssen nicht alles doppelt machen. Wir haben mehr Zeit für Kundenkontakte oder wirklich interessante Themen. Das sind – je nach Ebene und Struktur – emotional wirksame Ziele und nur Ziele dieser Art haben die Chance, erreicht zu werden. Wenn Sie Ihr emotional wirksames Ziel gefunden haben, und relevante Meilensteine damit ansprechend zur Wirkung kommen, dann gilt es, dieses groß und mächtig in Ihrer Vorstellung werden zu lassen. Das verleiht Flügel! Und schafft die Chance, Erfolge zu sehen, zu erleben, zu feiern.
Es gibt noch einen anderen Auslöser für geringer werdende Selbstwirksamkeit. Der hat mit dem Häkchen-Zentrum im Gehirn zu tun. Wenn in unserem Mittelhirn viele offene Themen liegen, wird der Botenstoff Serotonin nicht mehr im erforderlichen Maße ausgeschüttet. Die Folge können Schlafstörungen sein, man wälzt gegen vier Uhr morgens offene Themen und versucht, tagsüber im Hamsterrad noch schneller zu sein.
Über das immer wieder wahrgenommene „Nicht-Schaffen“ schwindet nach und nach das Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten. Es kann dazu führen, dass sich ein neuer Glaubenssatz einbrennt, der sagt: „Ich bin nicht gut genug, ich bin ein Versager.“ Deshalb – wehret den Anfängen! Kopfarbeiter brauchen Rituale, persönliche Notizen am Tagesende oder gemeinsame Highlights im Team.
So ist ein probates Ritual im Team jour fix zuerst die erreichten, erledigten Themen zu reflektieren, und dann die offenen Punkte zu besprechen.
Was leitet sich daraus ab: Damit Sie auch in Zukunft wichtige Dinge erreichen, ist ausschlaggebend, sich klare emotionale Ziele zu setzen und sich immer wieder an persönliche Erfolge zu erinnern. Denn die selbsterfüllende Prophezeihung greift zuverlässig, egal ob sie Erfolg oder Misserfolg verspricht.
In Zeiten wie diesen, mit wahrgenommener Hilflosigkeit im Anblick der Krisen und Kriege in der Welt, brauchen wir ein dickes Polster Selbstwirksamkeit. Wir können uns selbst damit stärken. Führungskräfte können uns darin unterstützen, denn es ist das zentrale Element psychischer Gesundheit.
Viel Freude beim Baden in positiven Referenzsituationen!



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