[:de]Kürzlich rief mich eine Freundin an. Sie wirkte aufgeregt, es rauschte und knatterte in der Leitung. Bevor sie zum Grund ihres Anrufs kam, zwitscherte sie drauflos: „Ich trainiere jetzt multitasking: gerade radle ich in mein Büro und telefoniere gleichzeitig über Kopfhörer mit meinen Kunden. Ist das nicht toll!“ Ich war gar nicht begeistert. Erstens mag ich keinen ohrenbetäubenden Krach im Kopf. Zweitens finde ich, dass der Straßenverkehr in München vor allem für Radler höchste Konzentration erfordert. Und Drittens braucht unser Gehirn dafür kein Training. Denn es ist ständig im Multitasking-Modus. Viele Prozesse laufen gleichzeitig ab, die allermeisten automatisch und unbewusst.
Vielleicht kennen Sie das: Sie sitzen in einem Meeting, sind voll konzentriert auf die Teilnehmer, hören auf das, was der Moderator gerade sagt, und plötzlich richten Sie Ihren Blick auf etwas Schwarzes am rechten Rand Ihres Gesichtsfelds – eine dicke Hummel am Fenster. Ihr Gehirn scannt ständig mit seinen Sinnesorganen die Umgebung ab, allerdings erreichen die verarbeiteten Informationen nur dann das Bewusstsein, wenn etwas Ungewöhnliches aufgenommen wird. Wenn es nicht nur ungewöhnlich, sondern bedrohlich zu sein scheint, übernimmt das Stammhirn und sichert mit dem Autopiloten unser Überleben. Dabei schaltet es das Frontalhirn ab, das für genaue Analyse und Planung verantwortlich ist, und deshalb im Überlebensmodus nicht schnell genug wäre.
Vielleicht kennen Sie auch diese Situation? Sie fahren mit Ihrem Auto nach Hause. Ihre Gedanken drehen sich um ein bestimmtes Problem des Tages und die Frage, was es zum Abendessen geben soll. Wenn die Rücklichter vor Ihnen plötzlich rot werden, richtet sich die bewusste Aufmerksamkeit genau darauf, und unterbewusst treten wir voll auf die Bremse … dem Multitasking und Autopiloten im Gehirn sei Dank.
Und sicherlich kann man in einem Telefonat zuhören und gleichzeitig einen Film sehen. Ob man dann wirklich alles „mitkriegt“ – sei es im Telefonat oder im Film – ist die Frage, hier funktioniert Multitasking also nur bedingt.
Bei parallelen Prozessen, in die jeweils das Frontalhirn einbezogen ist, funktioniert Multitasking nicht wirklich. Ein Beispiel: Sie versuchen telefonisch mit einem Kollegen ein Drucker-Problem zu lösen und stimmen gleichzeitig im Chat mit Kunden Termine ab. Wenn man versucht, diese beiden Fontalhirn-Aufgaben gleichzeitig zu erledigen, dauern sie insgesamt länger, der Stresspegel steigt, die Fehlerquote ebenso. Sehr wahrscheinlich merkt Ihr Telefonpartner auch, dass Sie unkonzentriert sind. Wenn Multitasking also die gleichzeitige Bearbeitung von mehreren unabhängigen bewussten Aufgaben leisten soll, funktioniert es nicht. Dafür ist unser Frontalhirn nicht ausgelegt, es arbeitet am effektivsten seriell, mit regelmäßigen kurzen Pausen, damit die Energieversorgung im gesamten Gehirn stimmt.
Effektive Pausen sind Achtsamkeitsrituale, eine Atemübung, ein mentales Entspannungsbild. In solchen kurzen Momenten sind wir mit einer besonderen Qualität des Seins im Kontakt. Andere Dinge versinken, die Welt dreht sich nur noch um diesen unseren aktuellen Fokus.
Mit Übungen dieser Art verändert sich die Struktur des Gehirns, über ein MRT messbar. Die Dichte der grauen Substanz nimmt zu, das führt zu einer Funktionsverbesserung in den Gehirnarealen, besonders dem Hippocampus – der u.a. für Informationsverarbeitung und Lernen verantwortlich ist. In diesem Bewusstsein für den Moment entsteht die kleine Pause, die das Hamsterrad stoppt, den Arbeitsspeicher unseres Gehirns vor Overflow schützt und unseren Stoffwechsel für weitere Phasen der Höchstleistung elastisch hält. Positive Momente dieser Art im „hier und jetzt“ – mal intensiver, mal weniger intensiv – sind wie Perlen an der Schnur verantwortlich für unser Wohlbefinden, damit für unsere psychische Gesundheit und unsere Leistungsfähigkeit.
Weitere Tipps finden Sie unter www.mentaleintelligenz.de und in meinem gerade erschienenen Buch! Herzlichst Ihre Petra Bernatzeder
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