Nicht überall, wo Transformation in Leuchtbuchstaben draufsteht, ist auch Transformation drin. Es beginnt mit der irrigen Annahme, mit Agilität ließe sich die Mitarbeiterleistung wie mit Kraftfutter steigern. Fehlgeleitet von diesem Versprechen von mehr Effizienz, wird die Transformation dann aber umso überzeugter von oben angeordnet und bewährte Blaupausen (Spotify und Co.) ausgerollt. Das führt schließlich dazu, dass die bestehenden verkrusteten Strukturen und Abläufe „agilisiert“ werden, ohne sie konsequent zu hinterfragen. Am Ende bleibt kaum Transformation, sondern nur agiler Etikettenschwindel: Same same but different.
Agiles Kraftfutter
Die agile Transformation hat bisweilen einen entscheidenden Geburtsfehler. Ein häufiges anzutreffendes Missverständnis ist, dass Agilität als eine Art Kraftfutter die Mitarbeiterleistung steigert. Buchtitel wie „Scrum: The Art of Doing Twice the Work in Half the Time“ von Jeff Sutherland (ein im Übrigen lesenswertes und hilfreiches Buch) verleiten den geneigten Manager schnell zu diesem Fehlschluss und entwerten die agile Transformation von Beginn an durch die einseitige Fokussierung auf Effizienz.
Mitarbeiter sind aber keine Milchkühe und agile Methoden sind kein Kraftfutter. Agilität optimiert nicht die Leistung der einzelnen Menschen, sondern die Leistung, den Wertstrom und die Wertschöpfung des gesamten Systems, in dem diese Menschen ihre Leistung erbringen.
Agilität zielt primär auf Effektivität und nicht auf Effizienz. Es geht darum, in unsicherem und komplexem Umfeld das Richtige zu tun und nicht so sehr darum, bekannte und geplante Umfänge effizienter abzuarbeiten. Der Fokus von Agilität liegt auf der schnellen Lieferung von Kundenwert. Einerseits natürlich, um schnell Wert zu generieren. Andererseits aber auch, um aus der Benutzung empirisch gestützte Erkenntnisse für die weitere Entwicklung zu gewinnen und sich so möglichst effektiv gemeinsam lernend dem Ziel anzunähern.
Transformiert euch!
So verlockend Blaupausen auch erscheinen und so schön aktionistisch ihre Einführung im großen Stil auch aussehen mag, so sicher führt genau das die agile Transformation in eine Sackgasse. Die Management- und Führungsaufgabe in der agilen Transformation lautet nicht, das beste Modell einer agilen Organisation aus der Vielfalt der Blaupausen auszuwählen oder ein eigenes zu konzipieren und das dann auszurollen. Dieser traditionell zentralistische Top-Down Ansatz verletzt das zentrale agile Prinzip der Selbstorganisation, weil es die Menschen und Teams zu Objekten der Transformation degradiert obwohl das Ziel autonome, selbstverantwortliche und aktive Subjekte auf Augenhöhe sein müssen.
Wer seiner agilen Transformation diese Sackgasse ersparen will tut gut daran den die Rolle des Schachmeisters an den Haken zu hängen und mehr wie ein Gärtner zu agieren. Ziel muss es sein, einen Rahmen zu schaffen, in dem ein geeignetes agiles Organisationsmodell nach und nach aus der Zusammenarbeit von selbstorganisierten Teams entsteht. Das ist ein gemeinsamer Lernprozess, der sich durch Blaupausen nicht abkürzen lässt. Wer es trotzdem versucht, führt dann eben nur ein neues Organisationsmodell ein und setzt eine Transformation um, agil ist dann aber weder das eine noch das andere.
Same same but different!
Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer und ein paar agile Projekte in hippen Räumen mit Sitzsäcken und Kanban-Boards noch keine agile Organisation. Agile Projekte führen nicht zu agilen Organisationen, wenn sie in verkrustete Strukturen und bürokratische Abläufe eingebettet sind von der Genehmigung des Projekts bis zu den obligatorischen Lenkungskreisen. Und es reicht auch nicht die schönen neuen agilen Methoden über diese Strukturen und Abläufe zu stülpen und sie irgendwie zu „agilisieren“. Im Wesentlichen bleibt so nämlich alles beim Alten, bloß anders: Same same but different.
Dem Gesetz des Werkzeugs – nach seinem Entdecker Abraham Maslow auch genannt „Maslows Hammer“ – zu erliegen und in allem einen Nagel zu sehen, bloß weil man den neuen agilen Hammer entdeckt hat führt nur zu mäßig lustigen Cargo-Kult. Stattdessen lautet die Devise ganz klar „Entkalken vor Skalieren“. Gemeint ist damit, dass Strukturen und Abläufe nicht einfach einen agilen Anstrich bekommen dürfen, sondern konsequent im Sinne der Kundenorientierung und des Flusses im Wertstrom neu gedacht werden müssen.
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