Gestern rief mich ein Freund an, der bei einer großen Softwarefirma arbeitet. „Unsere Kunden sind mit unserer Software oft unzufrieden. Sie ist umständlich, unübersichtlich und die Kunden haben Probleme, mit ihr zu arbeiten. Was uns fehlt sind mehr Mitarbeiter, die sich in Kunden hineinversetzen. Unsere Softwareentwickler sind Experten für Komplexität, aber es fehlt ihnen an Empathie. Könntest Du nicht als Empathietrainer für uns arbeiten? Ich dringe damit nicht durch.“
Um uns in Kunden und ihre Bedürfnisse einfühlen zu können, müssen wir ihnen vor allem zuhören. Und dann die ganze Weisheit ihrer Wünsche in unsere Angebote und Services einfließen lassen. Machen wir dazu mal einen praktischen Test: Wer macht Kunden zufriedener – Amazon oder Mediamarkt?
Wenn ich ein Røde Mikro bestellen möchte, brauche ich dafür auf der Amazon Seite fünf Aktionen bis zum One-Click-Buy. Ich erhalte schnell eine Wettbewerbsübersicht, bekomme Rezensionen und eine Zubehörtasche angezeigt und erhalte ein garantiertes Lieferdatum.
Gehe ich auf die Mediamarkt-Seite, brauche ich sogar einen Schritt weniger. Dafür ist das Produkt hier teurer, wird emotions- und lieblos präsentiert und ist zudem nicht lieferbar. Zubehör wird mir nicht angeboten und ich kann nur eine einzige Rezension finden. Worin liegen diese Unterschiede begründet?
Der Gründer von Amazon trimmt sein Unternehmen hemmungslos auf größte Kundennähe. Genau darin will er Weltmarktführer sein. Amazon betrachtet mit Empathie alles, was den Kunden in seiner Perspektive beschäftigt. Währenddessen werden die Mediamarkt Eigentümer durch Führungsprobleme, Belächeln des Internethandels und unflexible Software-Systeme immer weiter von der Kundenliebe weggetrieben. Ein Vorab-Anruf in der Filiale vor Ort wird nach Köln in eine Telefonzentrale weitergeleitet. Die haben wiederum keinen Zugriff auf die Mitarbeiter im lokalen Handel – sind aber selbst keine Fachleute. Eine vertrackte Situation.
Das Produkt bei Mediamarkt im stationären Geschäft zu kaufen – auch Fehlanzeige. Youtuber und Filmer werden nur oberflächlich mit ihren Interessen abgeholt. Während Amazon seine Kunden digital maximal zufrieden stellen will und deshalb wächst, beschäftigt sich das Management der Mediamarkt Muttergesellschaft mit Entlassungen und Schließungen, was ein weiterer Schlag ins Gesicht des Kunden ist.
Aber es geht auch anders, wie Musikgerätehändler Thomann und Beamershop24 zeigen, die Amazon keine Chance lassen, ihnen ihre Handelsbereiche streitig zu machen. Was beide Hidden Champions auszeichnet? Kundennähe.
In den Zentralen sitzen Fachberater, die über die Websites kontaktiert werden können. Versehen mit Namen, Fotos, Telefonnummern und Emailadressen werden diese Mitarbeiter greifbar. Sie leben und lieben, was sie machen. Beide Firmen verkaufen ihre Produkte und Services in viele Länder, sogar in den heiklen US-Markt.
Warum? Weil sie potenzielle Kunden als Kapital sehen, die für ihre Konvertierung menschliche Begleitung brauchen. Auch Apple bietet seinen Kunden weltweit jeden Tag von Montag bis Sonntag telefonischen Service von 9 bis 21 Uhr an. Spätestens nach 9 Minuten sprechen Sie mit jemandem, der ihnen ein Ticket aufmacht und dranbleibt, bis ihnen geholfen ist.
Noch ein Beispiel: Wenn Sie bei Otto – statt bei Amazon – eine Waschmaschine bestellen, können sie in einem Zug das alte Gerät abholen und die neue Maschine anschließen lassen. Außerdem erhalten Sie für 50 € Aufpreis eine Garantie über vier Jahre. Angebote voller Nutzen, die Otto trotz eines höheren Gerätepreises wettbewerbsfähig machen.
Auch wenn wir in Deutschland viel können – unsere Investoren, Unternehmer, Geschäftsführer und Mitarbeiter dürfen lernen, Kunden noch mehr zu schätzen. Das beginnt mit der Führungskultur. Wer seine Mitarbeiter über Ziele, Förderung und Wertschätzung führt, kann zufriedene Partner fürs Leben gewinnen. Denen es dann auch viel leichter fällt, sich liebevoll ihren Kunden zuzuwenden. Und sie als Kapital, nicht als Katastrophe zu begreifen.
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