Quelle: Envato Elements

Kollege KI: Wie wir fit für die Zusammenarbeit mit selbstlernenden Systemen werden

Von   Dr. Rahild Neuburger   |  Akademische Oberrätin   |  Ludwig-Maximilians-Universität München
24. Februar 2022

Künstliche Intelligenz (KI) verändert die Arbeitsteilung zwischen Mensch und Technik. In der Fabrik genauso wie im Büro können KI-Systeme, selbstlernende Software und Roboter Beschäftigte von monotonen wiederkehrenden Aufgaben entlasten und Arbeitsprozesse effizienter machen. Die Vision des KI-Zeitalters ist eine Arbeitswelt, in der der Mensch und das KI-System produktiv zusammenwirken und die Stärken von Mensch und Technik bestens genutzt werden – zum Wohl der Beschäftigten. Besonders wichtig ist es nun, die Menschen durch Weiterbildungs- und Qualifizierungsangebote auf ihren neuen Arbeitsalltag und den Umgang mit KI-Systemen vorzubereiten.

KI-Systeme können Beschäftigte in ihrem Arbeitsalltag unterstützen. Die Systeme sind trainierbar und können eigenständige Schlussfolgerungen und Entscheidungen treffen. Immer mehr Beschäftigte arbeiten daher mit KI zusammen: Sie programmieren, entwickeln und trainieren KI-Systeme und wenden sie in unterschiedlichen Kontexten an. Dafür benötigen die Beschäftigten angepasste oder ganz neuartige Kompetenzen. Welche Anforderungen gestellt werden, hängt davon ab, wie Mensch und KI-Systeme ihre Rolle in der individuellen Zusammenarbeit wahrnehmen.

Früher erledigte der Mensch den vollen Umfang der jeweiligen Aufgabe, heute gibt es Aufgabenstellungen, die von einem KI-System allein gelöst werden können. Im Spektrum zwischen diesen Extremen gibt es eine Vielzahl an denkbaren Formen des Zusammenagierens. Ist eine Aufgabe in hohem Maße planbar und strukturiert, kann ein KI-Systeme weite Teile der Bearbeitung übernehmen, während Beschäftigten vor allem Steuerungs- und Kontrollfunktionen zukommen. Je weniger planbar und strukturiert eine Aufgabe und je komplexer eine Situation, die zu erfassen und zu beherrschen ist, desto wichtiger wird das menschliche Erfahrungswissen und desto besser sind die Beschäftigten für die Bearbeitung geeignet. Sie können dann eine entsprechende Unterstützung durch KI erhalten.

Drei Kompetenzfelder für Beschäftigte im Umgang mit KI

Die erforderlichen Kompetenzen lassen sich grob in drei Felder einordnen, die jeweils von der Rolle der Beschäftigten abhängen:

  • Technologisches Fach- und Grundwissen, um über die inhaltlich-fachlichen Anforderungen einer Aufgabe hinaus auch die digitalen Anforderungen zu bewältigen, die sich durch den Einsatz von KI neu ergeben – etwa im Bereich des maschinellen Lernens. Kommen Beschäftigte mit KI in Kontakt, ist eine Awareness gegenüber den im Unternehmen eingesetzten KI-Systemen und ihrer prinzipiellen Leistungsfähigkeiten
  • Umgang mit KI-Systemen, sodass Beschäftigte die sich verändernde Arbeitsteilung zwischen Mensch und Technik verstehen, gestalten und entsprechend agieren können. Darunter fallen persönliche Metakompetenzen (wie Reflexion oder Problemlösung), Kompetenzen in der Mensch-Maschine-Interaktion, sowie IT- und Data-Kompetenzen. Wenn Beschäftigte KI-Systeme programmieren, weiterentwickeln und trainieren, benötigen sie insbesondere ein vertieftes KI-Verständnis sowie grundlegende Programmierkenntnisse, Big Data-Kompetenzen aus Data Science oder Data Analysis sowie tiefergehende Kenntnisse zu Art, Unterschieden und Einsatzmöglichkeiten verschiedener maschineller Lernverfahren inklusive der Instrumente zum Trainieren der Algorithmen. Kompetenzen aus dem Bereich Mensch-Maschine-Interaktion sind dann von Nöten, wenn Beschäftigte KI-Systeme anwenden oder mit ihnen auf individuelle Weise zusammenarbeiten – beispielsweise bei der Arbeit mit Chatbots oder Robotern. Kognitive Kompetenzen (etwa Reflexions- oder Beurteilungsvermögen) sind besonders wichtig, um von einem KI-System getroffene Entscheidungen oder Schlussfolgerungen beurteilen, bewerten, kontextualisieren, nachvollziehen und prüfen zu können.
  • Gestaltung des Kontextes der KI-Systeme, um sie als normales Element in der täglichen Arbeit zu verstehen und darauf basierende Arbeits- und Change-Prozesse weiterzuentwickeln und zu steuern. Darunter fallen personelle und soziale Fähigkeiten, die gefordert sind, wenn es durch den KI-Einsatz zu Verschiebungen der eigenen Aufgabenschwerpunkte kommt. Besonders wichtig sind diese Kompetenzen, wenn die Tätigkeiten in geringerem Maße routiniert sind und dezentral eigenverantwortlich oder im Team durchgeführt werden sollen. Gefragt sind dabei Metakompetenzen wie die Fähigkeit zur Teamarbeit, Kommunikation, Lernbereitschaft, Eigenverantwortung und Selbstorganisation. Des Weiteren können strategie- und lösungsorientierte Fähigkeiten genutzt werden, wenn Beschäftigte im Zuge der veränderten Zusammenarbeit mit der KI von standardisierbaren und planbaren Aufgaben entlastet sind und sich vermehrt um kreative Problemlösungen kümmern. Hierzu zählen insbesondere Kreativität, Experimentierfreude oder transdisziplinäres Denken.

Dabei darf nicht vergessen werden, dass einige Fähigkeiten wichtig sind, selbst wenn KI-Systeme diese in höherem Maße besitzen. Probleme entstehen beispielsweise, wenn Beschäftigte durch die KI-Einführung Kompetenzen verlieren, die ein schnelles menschliches Eingreifen ermöglichen. Auch dieser Aspekt sollte bei der Frage berücksichtigt werden, welche Kompetenzen Beschäftigte zukünftig für die Zusammenarbeit mit der KI benötigen.

In sechs Schritten zum erfolgreichen Kompetenz-Management

Künstliche Intelligenz wird die Arbeitswelt der Zukunft prägen. KI-Systeme bieten große Potenziale für neue Geschäftsmodelle, höhere Produktivität aber auch eine reichhaltigere Arbeit. Damit Unternehmen und Beschäftigte von den Potenzialen von KI profitieren können, ist eine frühzeitige und strukturierte Qualifizierung der Menschen notwendig.

Konkret kann der Prozess der Kompetenzentwicklung der Beschäftigten in sechs Schritten verlaufen. Im ersten Schritt werden Verantwortlichkeiten definiert, ehe im zweiten Schritt die anfallenden Aufgaben verteilt werden. Anschließend wird betrachtet, welche spezifischen Fähigkeiten im Umgang mit KI notwendig sind, um die Aufgabe KI-basiert zu lösen, sodass im vierten Schritt diese Fähigkeiten zu Kompetenzprofilen gebündelt werden können. Daraufhin kann eine Kompetenzbedarfsanalyse durchgeführt werden, bei der die Beschäftigten den jeweiligen Profilen zugeordnet werden und anschließend in einem individuellen Assessment im Hinblick auf ihre bestehenden Kompetenzen im Umgang mit KI bewertet werden. Im sechsten Schritt können dann durch den Abgleich des Soll-Zustandes (dem Kompetenzprofil) und des Ist-Zustands (dem individuellen Assessment) geeignete Weiterbildungsmaßnahmen für den KI-Kompetenzaufbau bei den Beschäftigten herausgearbeitet werden.

Eine Orientierung, wie Unternehmen der Schritt ins KI-Zeitalter gelingt, bietet das aktuelle Whitepaper Kompetenzentwicklung für Künstliche Intelligenz [1] der Arbeitsgruppe „Arbeit/Qualifikation, Mensch-Maschine-Interaktion“ der Plattform Lernende Systeme. Es zeigt auf, wie sich Kompetenzbedarfe in unterschiedlichen Rollenprofilen entwickeln und wie der notwendige Aufbau von KI-Kompetenzen durch ein aufgabenorientiertes Kompetenzmanagement gelingen kann.

Quellen und Referenzen:

[1] https://www.plattform-lernende-systeme.de/files/Downloads/Publikationen/AG2_WP_Kompetenzentwicklung_KI.pdf

Dr. Rahild Neuburger ist Akademische Oberrätin an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Mitglied der Plattform Lernende Systeme. Sie forscht zu Implikationen der Digitalisierung auf Arbeits- und Organisationsstrukturen sowie Führung, Bildung, Change-Management und Arbeitsmethodik.

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