Der Bedarf an IT-Wissen wächst: KI-Knowhow muss über die Basics hinausgehen

Bildungseinrichtungen sollen Studenten auf die Arbeitswelt vorbereiten. Da ist es nicht überraschend, dass ein grundlegendes Verständnis für die Anwendung neuer Technologien immer wichtiger wird – insbesondere bei KI. Im Gespräch mit Joseph George, General Manager der IT Solutions Group bei GoTo, wird klar: Die künftigen IT-Fachleute müssen lernen, wie sie effektiv mit KI-Systemen zusammenarbeiten können.
Interview von Joseph George
29. Juli 2025
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Der Bedarf an IT-Wissen wächst:

KI-Knowhow muss über die Basics hinausgehen

 

 

Herr George, was werden Ihrer Meinung nach die wichtigsten Veränderungen für IT- und Industriefachleute in den nächsten fünf bis zehn Jahren sein?

„Der verstärkte Einsatz fortschrittlicher Technologien wird die Messlatte für Effizienz und Produktivität in allen Sektoren noch höher legen. Viele Unternehmen stehen vor einem Wendepunkt: Ihre Experimente mit künstlicher Intelligenz (KI) verlassen die Labore und werden in die Praxis umgesetzt. In dem Maße, in dem sich die praktische Anwendung von Technologie weiterentwickelt, werden KI-Tools die alltäglichen IT-Prozesse und damit auch die Arbeitsweise von Teams grundlegend verändern.

Der Einsatz von intelligenten Agenten und Assistenten wird in naher Zukunft erheblich zunehmen. Maschinelles Lernen (ML) und KI entwickeln sich rasant. Gerade große Sprachmodelle werden durch neue Argumentationstools immer präziser. Das führt zu einer verbesserten Kostenökonomie. Auf lange Sicht bedeutet das auch: Generative Tools werden zuverlässiger und können menschliche Kommunikation besser nachahmen. So entsteht ein neuer Standard im IT-Support, mit dem sich mehr Nutzeranfragen direkt beantworten lassen. Die Grenzen zwischen Mensch und Maschine werden also zunehmend verschwimmen.

In der Industrie wird dieser Wandel zu einer Fokussierung auf kollaborative Innovation führen. Dabei werden Unternehmen Technologien einsetzen, um ihre Mitarbeiter und deren Fähigkeiten zu unterstützen. Die Übergabe grundlegender Probleme an KI-Tools wird IT-Experten in die Lage versetzen, intelligenter zu arbeiten – und Zeit sparen. So können sie sich proaktiv um komplizierte Probleme kümmern, anstatt sich in Kleinigkeiten des täglichen Betriebs zu verlieren. Selbst bei reaktiven Maßnahmen wird der Zugang zu Technologien, die große Mengen von Telemetriesignalen über Systeme hinweg leicht aggregieren und analysieren können, die Problemlösung enorm beschleunigen.“

 

Wie wird die IT Ihrer Meinung nach mit dem Aufkommen von KI und Big Data die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Cybersicherheit angehen? Und welche ethischen Überlegungen werden Ihrer Meinung nach mit dem weiteren Fortschritt der IT an Bedeutung gewinnen?

„Aus der Sicherheitsperspektive hat die hyperschnelle Entwicklung in diesem Bereich zu einem kontinuierlichen Wettrüsten geführt: Böswillige Akteure nutzen die neuesten ausgeklügelten Technologien, um ihre Identität zu verschleiern und die Verteidigung zu durchbrechen. Darauf reagieren die IT-Verantwortlichen mit noch fortschrittlicheren Methoden, um diese Angriffe zu erkennen und zu bekämpfen. Das wiederum treibt die Kriminellen dazu, ihre Strategien zu verbessern und es entsteht ein ewiger Kreislauf.

Die oberste Priorität für IT-Teams muss darin bestehen, ihre technischen Systeme zu verbessern, indem sie robuste Protokolle zur Antizipation und Neutralisierung von Bedrohungen einführen. Das ist kein einmaliger Vorgang, sondern ein dauerhafter Prozess. KI kann dazu beitragen, die Widerstandsfähigkeit und Effizienz von Maßnahmen für eine bessere Cybersicherheit zu erhöhen. Die Einführung KI-gestützter Überwachung wird beispielsweise helfen, den permanenten Schutz zu verbessern. Dabei achten intelligente Tools durchgehend auf Anomalien und weisen auf verdächtige Aktivitäten. So lassen sich Angreifer abfangen, bevor sie zuschlagen können. Wenn es zu Zwischenfällen kommt, können automatische Reaktionen wertvolle Zeit sparen und die Risiken für interne Systeme minimieren.

Neben der technischen Sicherheit rücken auch ethische Aspekte in den Fokus. Die Überlegungen dazu müssen sich darauf konzentrieren, wie sich KI-Lösungen verantwortungsbewusst handhaben lassen. Vorschriften wie der AI Act der Europäischen Union haben den Stein ins Rollen gebracht, um allgemein anerkannte Standards und Best Practices zu definieren. Aber es fehlt noch immer an handlungsfähigen Anleitungen. Für IT-Teams bedeutet dies, dass kurzfristig der beste Weg wahrscheinlich in der Selbstverwaltung liegt. Dazu gehört die Festlegung klarer Richtlinien für Bereiche wie Schutz und Nutzung der Daten sowie eine strenge Multi-Faktor-Authentifizierung, um sicheren Datenzugriff zu gewährleisten.“

 

Wie wird die IT Ihrer Meinung nach die Zukunft der Arbeit und der Remote-Zusammenarbeit gestalten?

„IT ist für den Betrieb von Unternehmen unverzichtbar. In fast jeder Branche konfigurieren und warten Teams die Systeme und Lösungen, die Mitarbeiter für ihre Arbeit benötigen. Das wird umso wichtiger, wenn man bedenkt, dass die weltweiten Ausgaben für die digitale Transformation in den nächsten zwei Jahren drei Billionen US-Dollar übersteigen werden. Es ist auch klar, dass die IT weiterhin von zentraler Bedeutung sein wird. Denn immer mehr Unternehmen setzen auf neue Technologien, um ihre Wettbewerbsposition zu sichern.

Was die Remote-Operationen betrifft, so sind sie etwas weniger sicher. Sicherlich werden Sie die Zukunft der Arbeit mit prägen. Aber der direkte menschliche Austausch wird auch wieder wichtiger. Und das führt vermutlich dazu, dass verschiedene Iterationen von Remote-Modellen eingeführt werden – einschließlich hybrider Ansätze. Agile Technologiepakete werden weiterhin von entscheidender Bedeutung sein, um robuste Unternehmensabläufe und -kommunikation zu ermöglichen.

Aus Sicht des IT-Teams wird ein Kernelement davon die Nutzung von Tools sein. Sie ermöglichen Mitarbeitern multimodale Interaktionen, um effektiv vom eigenen Standort zusammenzuarbeiten. Sie können flexibel wählen: Videoanrufe, Chat-Tools oder die Teilnahme an Büro-Konferenzen von zu Hause aus. Gleichzeitig wird es einen ständigen Bedarf an robusten Sicherheits- und Helpdesk-Tools geben. Diese unterstützen und schützen die Mitarbeiter, während sie zwischen einer Vielzahl von Netzwerken und Geräten wechseln.“

 

Welche Fähigkeiten werden Ihrer Meinung nach für IT-Fachleute in Zukunft am wichtigsten sein, und wie sollten Bildungseinrichtungen ihre IT-Lehrpläne anpassen, um Studenten darauf vorzubereiten?

„Die unmittelbare Priorität und Herausforderung besteht darin, die neuen Technologien grundlegend zu verstehen und anzuwenden – insbesondere KI. Studien zeigen: 90 Prozent schöpfen das Potenzial von KI-Tools nicht voll aus. 77 Prozent wissen nicht, wie sie KI praktisch in ihren Arbeitsalltag integrieren können.

Der Bedarf an IT-Wissen ist groß und noch lückenhaft. Er geht langfristig über die grundlegende KI-Nutzung hinaus. Um auf unsere Diskussion über maschinell gesteigerte Effizienz zurückzukommen: Unternehmen treten in eine Ära ein, in der intelligente Lösungen bald eine viel größere Bandbreite von Aufgaben übernehmen werden. Dadurch werden IT-Spezialisten zunächst von zeitraubenden und sich wiederholenden Prozessen befreit. Zudem wird aber auch von diesen Lösungen erwartet, dass sie über die Produktivitätssteigerung durch automatisierte Technologien hinaus einen zusätzlichen Nutzen bieten. Dies gelingt ihnen, indem die KI-Fähigkeiten in Bereichen wie dem kritischen, kreativen oder innovativem Denken verbessert werden.

All dies zeigt, dass eine vielschichtige Ausbildung erforderlich ist. Auf technischer Ebene müssen die Lehrstühle den Studenten die Dynamik intelligenter Werkzeuge und ihre Sicherheitsrisiken vermitteln. Sie müssen ihnen die Möglichkeit bieten, das Gelernte in die Praxis umzusetzen. Genauso wichtig ist es aber auch, den Schwerpunkt auf die Vermittlung von Soft Skills zu legen. Das ermöglicht es der nächsten Generation, sowohl mit der neuen Technologie als auch anderen menschlichen Kollegen effizient zu arbeiten.“

 

Wer oder was hat Sie zu Ihrer Vision von der Zukunft der IT inspiriert?

„Technik begeistert mich bereits mein ganzes Leben. Ich war schon immer fasziniert von den Möglichkeiten intelligenter Technik, mit der sich die Funktionsweise des menschlichen Gehirns nachahmen lässt. Nachdem ich während meines Informatikstudiums an der Universität ein neuronales Netzwerk für ein Projekt gebaut hatte, wollte ich mich an der Graduiertenschule auf KI und ML spezialisieren. Leider waren die KI-Rechenkapazitäten und die Verarbeitung großer Datenmengen in den frühen Neunzigern noch nicht weit genug fortgeschritten. Daher konnte sich das nicht durchzusetzen, und die Studienfinanzierung war begrenzt – also entschied ich mich für ein Studium der Softwaretechnik.

Seitdem habe ich jedoch die positiven Auswirkungen dieses Kurswechsels meiner Karriere zu schätzen gelernt. Ich konnte einen Weg einschlagen, der Technik und Wirtschaft miteinander verbindet. Das bedeutet, dass ich mich zwischen verschiedenen Welten bewegen kann. In meiner vorherigen AIOps-Rolle war es mir möglich, mit meinem Fachwissen zur KI- und ML-Produktinnovation beizutragen. Nach meinem Wechsel in die Bereiche IT-Endpointmanagement und Remote-Support für Unternehmen habe ich meine technischen Kenntnisse und mein Verständnis für Geschäftsabläufe genutzt, um eine effektive Produktoptimierung und -bereitstellung zu fördern. Ich finde es unglaublich inspirierend, wie KI und ML immer leistungsfähiger werden und uns helfen, Probleme effizienter als je zuvor zu lösen. In vielen Fällen versetzen sie uns sogar in die Lage, ein ganz neues Spektrum von Problemen zu bewältigen. Mich begeistern die Möglichkeiten, die vor uns liegen.“

 

Können Sie uns ein Projekt oder eine Innovation nennen, an der Sie derzeit arbeiten und von der Sie glauben, dass sie das Potenzial hat, die Zukunft der IT zu beeinflussen?

„Da fallen mir unsere Bemühungen ein, den Zugang zu integrierter Technologie zu verbessern. Das gilt für kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) sowie für die Managed Service Provider (MSPs), die sie betreuen. Wir haben erkannt, dass moderne Unternehmen schnell mit einem Wirrwarr an unzusammenhängenden Tools überlastet sind. Denn oft verwenden sie viele verschiedene Tools für die Sicherheitsüberwachung, den Fernzugriff, die Patch-Verwaltung, die Nachverfolgung von Anlagen und mehr. Daher bieten wir eine mandantenfähige, KI-gestützte Plattform für einheitliches Management aller Endgeräte an, die eine zentralisierte Überwachung und Koordinierung von IT-Aktivitäten ermöglicht. So erhalten MSPs und KMUs eine vereinfachte Plattform und eine Reihe integrierter Funktionen, die auf KI basieren.

Als Unternehmen haben wir viele Initiativen auf den Weg gebracht, die die Zukunft der IT beeinflussen, das Leben der Mitarbeiter erleichtern und die IT-Supportlandschaft verändern. Dazu gehören Funktionen für einen verbesserten Echtzeit-Support, die eine schnellere und präzisere Problemlösung ermöglichen, wie etwa Konversationstools. Auf diese Weise können Agenten einfache Abfragen durchführen und maßgeschneiderte Empfehlungen erhalten. Darüber hinaus ermöglichen Fortschritte bei der KI-gesteuerten Skripterstellung den Agenten die Skalierung von technischen Lösungen, indem sie die Details von Benutzerproblemen eingeben und automatische Skripte erstellen, die auf mehreren Geräten gleichzeitig ausgeführt werden können.“

Interview geführt durch:

Joseph George ist General Manager der IT Solutions Group bei GoTo. Bei GoTo ist George jetzt für die Definition und Optimierung der Geschäftsstrategie des Portfolios verantwortlich. Vor GoTo leitete er das Produktmanagement für das IT Operations Management Portfolio bei BMC Software, das während seiner Amtszeit ein zehnfaches SaaS-Wachstum erzielte.

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