Dass User-Daten notwendig sind, um wettbewerbsfähig zu bleiben, das eigene Produkt zu optimieren und die User Experience zu steigern, ist schon lange kein Geheimnis mehr. Wie gelingt es, den Dialog mit den – insbesondere in Deutschland oft misstrauischen – Kund:innen dahingehend zu verbessern?
Die Kommunikation mit den Nutzer:innen wird sich in den nächsten Jahren auf jeden Fall weiter intensivieren. Aber aufgepasst – gerade wenn es um so ein sensibles Thema wie persönliche Daten geht, braucht es ein großes Maß an Fingerspitzengefühl. Unternehmen werden nicht daran vorbeikommen, ihren Kommunikationsstil an die jeweilige Zielgruppe anzupassen und dabei so transparent wie nur möglich zu vermitteln, welche Daten gespeichert und wofür sie genutzt werden. Um die User:innen einerseits zu ermutigen, Daten zu teilen, und andererseits deren User Experience – und damit einhergehend das eigentliche Produkt – zu optimieren, müssen ihre Präferenzen stets neu evaluiert werden. Nur dann kann am Ende ein Unternehmen den bestmöglichen Service bieten.
Beispielsweise können Tech-Unternehmen – neben den erforderlichen rechtlichen Anforderungen und grundsätzlich leserfreundlichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen – über das User Interface der Website oder App diesbezüglich mit ihren User:innen in einen Dialog treten. Ein Punkt ist dabei von zentraler Bedeutung: Es muss gelingen, User:innen verständlich und anschaulich zu vermitteln, dass das proaktive Teilen bestimmter Daten mit einem erkennbaren Mehrwert für sie verknüpft ist. Das können zusätzliche Funktionen oder auch ein verbessertes Produkterlebnis sein, wie zum Beispiel Produktempfehlungen, individuelle Beratungsservices oder Alerts zu passenden neuen Produkten. Klar sollte sein, die gemachten Versprechungen dann auch einhalten, d.h. die versprochenen Services bieten zu können. Enttäuschte User:innen nämlich wieder zu gewinnen, ist aus meiner Sicht eine ‘Mission Impossible’.
Das Sammeln von Daten sollte stets auf Opt-in-Mechanismen beruhen. Das bedeutet, dass Nutzer:innen den Unternehmen eine ausdrückliche Erlaubnis für das Speichern ihrer Daten erteilen. Zusätzlich bedarf es klarer und einfacher Prozesse zur Abmeldung und zur Datenlöschung, sollten die Nutzer:innen bestimmte Daten nicht mehr teilen wollen.
Gibt es so etwas wie “gute” und “schlechte” Daten? Sollten Unternehmen differenzierter bei der Datensammlung vorgehen oder lautet das Motto eher “man nimmt, was man bekommen kann”?
Ob Daten im Endeffekt nützlich sind, hängt vom jeweiligen Anwendungsfall ab. Ein wichtiger Aspekt ist allerdings der zeitliche Kontext. Das bedeutet, dass bestimmte Datenelemente nur dann erfasst werden sollten, wenn sie tatsächlich eine größere Auswirkung haben können oder sie für den jeweiligen Anwendungsfall relevant sind. Einige Datentypen können extrem schnell veralten, insbesondere im Zusammenhang mit Empfehlungen, User Präferenzen oder situationsbedingten Reaktionen.
Das Thema „Nachhaltigkeit in Unternehmen“ rückt mehr und mehr in den Fokus. Welche Wege und Ansätze sehen Sie im Bereich Data Science & Analytics, die zur Optimierung der Nachhaltigkeitsbemühungen beitragen können?
Die Datenmenge, die sich aktuell weltweit im Umfeld befindet, ist gigantisch. Dies gilt nicht nur für digital-first Unternehmen, sondern auch für traditionelle Branchen, die aufgrund der Zunahme von IoT, vernetzten Geräten und 5G-Verfügbarkeit alle ihre Vorgänge verfolgen und messen können.
All diese Daten können in ML/AI-Algorithmen verwendet werden, um z. B. Transportrouten, die Nutzung von Rechenkapazitäten, den Verbrauch von Produktionsmaterialien oder die Messung von produzierten Schadstoffen zu optimieren.
Ursprünglich war die zentrale Zielvariable der meisten Unternehmen – also jene Variable, die optimiert werden sollte – rein finanziell, z. B. die Marge, die Kosten pro Einheit, oder die Zeit bis zur Lieferung. Mithilfe der beschriebenen technologischen Möglichkeiten können wir wir heutzutage jedoch auch Nachhaltigkeitsmetriken als neue Zielvariable einführen, z. B. CO2-Emissionen. Um als Unternehmen in umfassender Art und Weise verstärkt auf die Umwelt zu achten und den eigenen Fußabdruck zu minimieren, können diese auch als elementare Bedingungen in sämtliche Optimierungsprozesse integriert werden.
2022 war für die meisten Unternehmen aufgrund der verschiedenen makroökonomischen Krisen ein sehr herausforderndes Jahr. Die Zeiten der maximalen Skalierung und des gegenseitigen Überbieten scheinen erst einmal vorbei zu sein. Bietet diese Situation im Bereich Data Analytics & Science trotz Krisenstimmung auch Chancen?
Bis dato halten Unternehmen die aus ihren Geschäftsaktivitäten gewonnenen Daten unter Verschluss und kaum eines würde in Erwägung ziehen, solche Daten mit Konkurrenten zu teilen, was auf den ersten Blick auch völlig logisch erscheint. Warum sollte man diese Einblicke gewähren, wenn davon die Wettbewerber möglicherweise profitieren? Ich glaube jedoch, dass die Zusammenarbeit in diesem Bereich deutlich zunehmen wird. Was es dazu braucht, ist ein Vermittler zwischen beiden Parteien; und hier kommen sogenannte Datenaustauschdienste ins Spiel, mit deren Hilfe Unternehmen ihre eigenen Datensätze für andere Unternehmen zugänglich machen können.
Es gibt zur Zeit zwar nicht viele bekannte Unternehmen oder Plattformen, die diese Dienste anbieten, aber ich gehe davon aus, dass diese Branche in absehbarer Zeit einen großen Schritt nach vorne machen wird. Unternehmen könnten diese Art der Zusammenarbeit zum gegenseitigen Vorteil oder als zusätzliche Strategie der Daten-Monetarisierung nutzen.
Der zweite Grund ist, dass die Entwicklung von KI-basierten Modellen stark von noch größeren Datensätzen profitieren wird, insbesondere mit dem Aufkommen generativer KI-Anwendungen. Denn KI-Algorithmen sind bekannterweise hungrig nach Daten. Je mehr Daten, desto besser und genauer fallen auch die Ergebnisse aus bzw. desto präziser erfüllt der Algorithmus die angepeilte Zielsetzung. Ein wichtiger Aspekt beim Training von KI-Modellen ist, dass Ungenauigkeiten, die durch verzerrte Daten ausgelöst werden, möglichst vermieden werden sollten. Mit zusätzlichen Daten von anderen Unternehmen wird die Wahrscheinlichkeit erhöht, ausgewogenere Daten zu nutzen und dadurch genau dieses Problem zu vermeiden.
Vielen Dank für das Gespräch!
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