Wir können nicht mehr nicht digital denken

ist bei Accenture verantwortlicher Geschäftsführer für den Bereich Softwareentwicklung und neue Technologien in den deutschsprachigen Ländern und beschäftigt sich mit Themen wie Agilität, Innovation und neuen Geschäftsmodellen.
Interview von DIGITALE WELT Magazin
4. Dezember 2020
Interviewpartner

Jochen Malinowski

ist bei Accenture verantwortlicher Geschäftsführer für den Bereich Softwareentwicklung und neue Technologien in den deutschsprachigen Ländern und beschäftigt sich mit Themen wie Agilität, Innovation und neuen Geschäftsmodellen.
Interviewpartner

Unser Thema ist der dynamische Arbeitsmarkt. Welche Dynamiken können Sie schon wegen Corona und den damit in Verbindung stehenden ökonomischen, politischen, sozialen Maßnahmen beobachten?

Technologie spielt eine immer größere Rolle. Dies gilt für jeden Lebensbereich, und durch die Krise werden Lösungen zur virtuellen Kollaboration und Themen rund um die Cloud noch wichtiger als sie es ohnehin schon waren. Das sieht man auch am Arbeitsmarkt: Technische Profile sind nach wie vor sehr gefragt.

Medien sind ein großer Teil des Wandlungsprozesses, in dem wir uns ständig befinden. Sie produzieren und dokumentieren das, was sie selbst in die Wege leiten. Welchen Umgang mit Medien pflegen Sie? Was verstehen Sie im Groben unter diesem vielschichtigen Begriff?

Medien sind ein wichtiger Begleiter und ein wichtiges Kommunikationsinstrument. In fast jeder Branche wird der ständige Wissensaustausch zunehmend relevanter. Die verschiedenen Medienplattformen bieten eine gute Möglichkeit, sich auszutauschen und zu vernetzen.

Sie schreiben auf Ihrer Website: „Im post-digitalen Zeitalter gibt es keinen Stillstand mehr. Schnelle Transformationen sind so wichtig wie nie zuvor.“ Zwei Aspekte fallen mir auf: Die Vorsilbe „Post“ heißt „nach“; sind wir wirklich im „nach-digitalen Zeitalter“ oder gerade erst am Anfang, also fast am „ante-digitalen Zeitalter“?

Mit dem Begriff „post-digital“ meinen wir, dass es keine Frage mehr ist, ob man sich als Unternehmen digitalisieren muss. Dies war die letzten Jahre der wesentliche Treiber für die allseits bekannten „Digitalisierungsprojekte“. In der heutigen Zeit sind wir darüber hinaus: Digitalisierung ist allgegenwärtig, sie stellt nicht länger eine Option dar, sondern ist Fakt. Dafür steht „post-digital“: Unternehmen müssen sich heute überlegen, wie sie in der digitalen Welt bestehen können. Im Umkehrschluss bedeutet das jedoch nicht, dass alle Herausforderungen der Digitalisierung gelöst wären. Im Gegenteil. Die Frage wie ich Digitalisierung nutzen kann, um Mehrwert für meine Kunden zu generieren, ist aktueller denn je.

Und zweitens: Digital wird mit der Variabilität der Bedingungen und der enormen Geschwindigkeit verbunden. Wie gehen Sie mit dieser kaum fassbaren Dynamik des digitalen Zeitalters um?

Die von Ihnen angesprochene Dynamik erfordert ein Umdenken. Wir haben selber – und tun dies auch für unsere Kunden – alles hinterfragt – Strukturen, Prozesse, Zyklen. Um mit der Dynamik zurecht zu kommen, gibt es nicht die eine Stellschraube, sondern bedarf es einer ganzheitlichen Betrachtung. Das umfasst eine neue Kultur, eine neue Art sich zu organisieren (z.B. vertikal anhand von Produkten anstatt horizontal anhand gewachsener Strukturen), sein Unternehmen zu strukturieren und zu führen (z.B. entlang neuer Führungsprinzipien), neue Karrieremodelle (z.B. Fokus auf sogenannte T-Shape-Skills) und eben auch Änderungen an der Art, wie IT-Systeme entwickelt werden (z.B. agil, automatisiert, in kleineren Einheiten).

Welche Rolle für Ihren Arbeitsalltag spielt die zunehmende Einkehr der Digitalisierung? Sind Künstliche Intelligenz, IoT, Quantencomputing, etc. Dinge, mit denen Sie schon aktiv arbeiten?

In der Tat arbeiten wir gemeinsam mit unseren Kunden bereits mit den genannten Technologien. Waren die letzten Jahre noch von vielen „Versuchen“ und Prototypen geprägt, so sehen wir gerade in den Bereichen Cloud, Künstliche Intelligenz und IoT eine skalierte Anwendung. Der nächste große Schritt wird sein, diese Technologien nicht von der technischen Seite zu betrachten, sondern von der Anwendung her. Es gilt zu überlegen, wie sie sich nutzen lassen, um neue Geschäftsmodelle zu schaffen. Quantencomputing liegt sicher noch etwas weiter in der Zukunft, aber hier sind erste Schritte getan.

Was verstehen Sie unter dem Begriff „Industry X.O“?

Industry X.0 ist für uns die Weiterentwicklung der vierten industriellen Revolution. Es geht darum, durch intelligente Produkte und Services, IoT, Analytics und Big Data vernetzte, selbstlernende Systeme zu erstellen. Das Thema ist mittlerweile auch in der breiten Öffentlichkeit angekommen, durch Smart Medical Devices (also etwa die Nutzung von Smartphones zur Unterstützung einer medizinischen Behandlung) oder intelligente, selbstfahrende Autos. Industry X.0 wird viele Industrien verändern und zu revolutionären, neuen Geschäftsmodellen führen.

Sie werben auf Ihre Website mit dem Wort „Blockchain“, das uns bei „transparenten und sicheren Geschäftsprozessen“ dienlich sein soll. Wie genau funktioniert das?

Blockchain ist eine Technologie, die mit der Intention erfunden wurde, ein ganz spezielles Problem zu lösen – das des „Double Spendings“: Hier geht es darum, innerhalb eines Teilnehmerkreises sicherzustellen, dass Geld zwischen unbekannten Parteien digital eindeutig und auch nur einmal den Besitzer wechselt, ohne eine zentrale Kontrollinstanz damit beauftragen zu müssen.

Schnell erkannte man allerdings auch in anderen Anwendungsfeldern und Branchen, dass bestimmte Eigenschaften einer Blockchain, wie digitale Einmaligkeit und der eindeutige Besitzwechsel von Informationen über deren gesamten Lebenszyklus, wesentliche Vorteile bringen. Digitale Informationen werden nicht mehr von einem Unternehmen zum anderen kopiert, sondern wechseln (wie es auch in unserer physischen Welt der Fall wäre) eindeutig ihren Besitzer – und zwar geschäftsübergreifend und inklusive des kompletten Lebenslaufs der Information. Hiermit verhindert man, dass dieselbe Information mehrfach existiert, möglicherweise auch in unterschiedlicher Form, und schließt unbewusste oder unbemerkte Änderungen aus.

Kann der Unternehmensberater der Zukunft auch durch eine Maschine ersetzt sein oder sind wir hier auf die spezifisch menschlichen Fähigkeiten angewiesen?

Schon heute ersetzen auf unseren Projekten intelligente Maschinen Tätigkeiten, die früher der Mensch ausgeführt hat, wie z.B. Planungen oder Analysen, oder sie treffen Entscheidungen in Abhängigkeit von vorhandenen Informationen. Das alles führt jedoch nicht dazu, dass der Mensch ersetzt wird, sondern schafft Raum, sich auf das zu fokussieren, worin er einzigartige Fähigkeiten besitzt: Kreativität, Reflexion oder emotionale Intelligenz. Wir müssen gedanklich weg von einem „Mensch vs. Maschine“ und hin zu einem „Mensch plus Maschine“.

„Zukunftsforschung“ ist ein – inzwischen auch wissenschaftlich – anerkannter Tätigkeitsbereich, auf den vermehrt auch Firmen und Unternehmen setzen. Spielt das für Sie eine Rolle? Wenn ja, wie?

Zukunftsforschung ist für uns integraler Bestandteil unserer Arbeit. Gerade in der heutigen, schnelllebigen Zeit ist es erforderlich mit einem Fuß im Hier und Jetzt und mit dem anderen in der Zukunft zu stehen. Als Teil unserer „Innovationsarchitektur“ erforschen wir die Trends von morgen und übermorgen und ihren Einfluss auf Unternehmen und Gesellschaft. Als Beispiel sei hier die jährlich erscheinende Accenture Technology Vision zu erwähnen. Sie ist bewusst kein Blick in die Glaskugel, sondern beleuchtet die Trends, die tatsächlich absehbar in den nächsten zwei, drei Jahren Effekte zeigen werden.

Die „Arbeitskraft von morgen“ – das ist eine Begrifflichkeit, die immer wieder in diesem Zusammenhang fällt, auch um die enorme Dynamik unseres Arbeitsmarktes in Form eines generalisierenden Begriffs zu beschreiben. Wie gehen Sie in Ihrer Forschung mit dem Blick in die ungewisse Zukunft um? Gibt es den Terminus bei Ihnen?

„Agilität“ wäre der Begriff, den ich wählen würde, um zu beschreiben, wie wir mit dieser Herausforderung umgehen: Keiner von uns weiss, welche Jobs es in zehn Jahren geben wird und wie dann genau der Arbeitsalltag aussieht. Daher ist es wichtig, sich selbst so aufzustellen, dass man sich laufend anpassen kann. Dazu gehört es auch, Dinge auszuprobieren, die dann vielleicht nicht funktionieren. Die Fähigkeit sich ständig anpassen zu können wird in der Zukunft entscheidend sein.

Interview geführt durch:

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