Innovation in der Rezession? Die Cloud strategisch einsetzen

Die Prognosen für die Weltwirtschaft sind aktuell alles andere als rosig und immer mehr Unternehmen verordnen sich einen drastischen Sparkurs. Dabei besteht immer auch die Gefahr, an der falschen Stelle zu sparen. Nur wer auch in der Krise Innovation priorisiert, kann gestärkt daraus hervorgehen. In der aktuellen Situation kommt es darauf an, eine sorgsam abgestimmte und flexible Cloud-Strategie zu fahren, meint Klaus Stephan, Practice Leader Cloud von Kyndryl.
Von   Klaus Stephan   |  Practice Leader Cloud   |  Kyndryl
23. Februar 2023

Das Weltwirtschaftsforum hält eine weltweite Rezession inzwischen für relativ wahrscheinlich und auch im Alltag mehren sich die Anzeichen. Die Inflation ist allgegenwärtig und Stellenstreichungen großer Tech-Konzerne machen Schlagzeilen. Natürlich, Unternehmen müssen sparen, doch gerade in einem Markt, in dem Fachkräfte bekanntlich selten sind, sollten Stellenstreichungen eher die Ultima Ratio sein. Stattdessen Investitionen auf die lange Bank schieben, kann sich allerdings auch rächen.

In den vergangenen „fetten Jahren“ haben wir allerdings meiner Meinung nach einige Überinvestitionen im Technologiebereich gesehen. Vor allem was die Cloud angeht war allzu oft das Motto „viel hilft viel“. Jetzt wird es Zeit, viel genauer hinzusehen und die Investitionen zu priorisieren, die wirklich einen Mehrwert bringen.

Cloud-first ist überholt und kann teuer werden

Inzwischen erkennen viele Unternehmen, dass sie ihre eigenen Cloud-Projekte überstürzt angegangen sind. Während zwar eine Migration stattgefunden hat, ist die eigentliche Transformation ausgeblieben. Das will heißen: Es wurden einfach bestehende Workloads in die Cloud verschoben. Die Hyperscaler wurden vielerorts nur als neue (vermeintlich günstigere) Infrastruktur-Provider wahrgenommen. Die tatsächliche Herausforderung besteht stattdessen darin, ein neues Betriebsmodell zu etablieren und neue Anwendungen zu entwickeln, die wirklich Cloud-native sind.

Nur so kann die Cloud wirklich leisten, was man sich gemeinhin von ihr verspricht. Findet lediglich die Migration von Legacy Workloads statt, kann es sogar zu bösen Überraschungen kommen: Das dynamische Abrechnungsmodell der Hyperscaler kann dazu führen, dass auf einmal hohe Kosten für den Betrieb bestimmter Anwendungen entstehen, die bislang gar nicht als Kostenfaktor wahrgenommen wurden.

Statt einem „Cloud-First-Rundumschlag“ sollten Unternehmen zukünftig auf ein genaues Assessment ihrer Infrastrukturen und Workloads setzen und darauf aufbauend eine Cloud-Strategie erarbeiten. Damit ist zwar ein längerer Prozess verbunden, aber es wird sichergestellt, dass das, was in der Cloud läuft, dort auch am sinnvollsten aufgehoben ist. Legacy-Anwendungen, die zuverlässig ihren Dienst tun, können auch weiterhin on-premise betrieben werden.

Zumindest noch die nähere Zukunft wird hybriden Infrastrukturen gehören. Das bedeutet allerdings auch, dass es in der IT-Sicherheit einen wachsenden Bedarf für hybride Sicherheitskonzepte geben wird, die sowohl Cloud- als auch On-Premises-Installationen abdecken können. Hier gibt es tatsächlich noch Nachholbedarf. Traditionelle Infrastructure Service Provider sind in ihrem Bereich sehr gut aufgestellt und Hyperscaler haben native Cloud Security gut im Griff. Jetzt kommt es darauf an, beides zusammenzubringen. Dazu muss man sich vom Geräte-fokussierten Ansatz bisheriger Sicherheitskonzepte lösen und mehr auf einzelne Workloads fokussieren. Dies braucht Zeit und es wird eine Weile dauern, bis Sicherheitskonzepte umgesetzt werden können, die speziell auf hybride Infrastrukturen zugeschnitten sind.

Fortschritt mit klarem Fokus

Die Cloud wegen der genannten Herausforderungen zu vernachlässigen, wäre allerdings auch ein Fehler. Wird die Transformation strategisch angegangen und strukturiert umgesetzt, kann die Cloud durchaus ein Innovationstreiber und Kostensenker sein. So empfiehlt beispielsweise auch Forrester, dass Unternehmen im Bereich „strategische Technologieinvestitionen“ keine Kürzungen vornehmen sollten. Stattdessen sollten sie unter anderem die Optimierung der Customer Experience priorisieren. Dies könnte ein möglicher Ansatzpunkt für eine strategischere Transformation sein. Unternehmen könnten – eventuell gemeinsam mit Partnern – prüfen, welche Cloud-Angebote auf diesem Gebiet für sie in Frage kommen und eine Kosten-Nutzen-Abwägung durchführen. Je nach Branche wird der Fokus anders gesetzt werden, aber es wird immer irgendwo Bereiche geben, wo die Cloud-Nutzung mehr Gewinn verspricht als in anderen – diese Bereiche müssen Unternehmen identifizieren.

Dieser Gewinn, beziehungsweise der Wert der Cloud wird vor allem in der Förderung von Innovation und weniger in der Reduktion von Betriebskosten liegen. Laut einem McKinsey-Report soll sich der Anteil des innovationsgetriebenen Wachstums durch die Cloud auf einen Anteil von 75 Prozent belaufen. In absoluten Zahlen seien dies 770 Milliarden Dollar, während sich die Kosten- und Risikoreduzierung auf 430 Milliarden Dollar beläuft. Wir sollten die Cloud also nicht mehr als ein Allheilmittel begreifen, das die IT besser, schneller, sicherer und günstiger macht, sondern als Mittel für gezielte Innovation in spezifischen Bereichen.

Rentabilität im Blick behalten

Fehlende Rentabilität von Cloud-Investitionen ist ein weiter Punkt, der für einen überstürzten Schritt in die Cloud spricht. Laut einem KPMG-Bericht erzielen 67 Prozent der dort untersuchten Unternehmen keine nennenswerte Rendite durch ihre Cloud-Investitionen. In guten Zeiten mögen sich Unternehmen Investitionen mit ungewissem Ausgang und Experimente leisten können, aktuell sollte aber sehr konservativ kalkuliert werden. Das heißt, die Rentabilität der Investments muss von Anfang an mitgedacht werden. Unternehmen müssen sich klar machen, was sie brauchen, um das Maximum aus ihrem Einsatz herauszuholen.

Häufige Probleme, warum dies nicht gelingt, können mangelnde Kompetenzen in den eigenen Teams und fehlende Fachkräfte sein sowie Sicherheits- und Compliance-Anforderungen, die zunächst unterschätz wurden. Ein weiterer Grund können überzogene Erwartungen sein.

Im Fall von personellen und/ oder Kompetenzproblemen können Managed Service Provider dabei helfen, die Cloud und ihr Potenzial realistischer einzuschätzen, Probleme zu beheben und die Vorteile auszunutzen. Managed Service Provider verfügen zudem über große Ressourcen in den kritischen Bereichen Sicherheit, Datenmanagement, Edge Computing und Betrugsprävention. Davon können insbesondere auch kleinere Unternehmen profitieren, die solche Ressourcen intern nicht abbilden können.

Fazit

Die Cloud ist weder eine Innovations-Wunderwaffe, die Unternehmen von selbst auf die nächste Stufe der Digitalisierung katapultiert, noch ist sie eine einfache Sparmaßnahme. Cloud-Technologie sollte man viel mehr als Basis für zukünftige Innovationen sehen. Von daher macht die Cloud zunächst einmal Investments nötig, statt direkt Kosten zu senken. Mit dem nötigen Weitblick geplant, werden sich diese Investitionen allerdings zügig amortisieren und die Cloud ihre Rentabilität unter Beweis stellen.

 

Klaus Stephan ist als Practice Leader Cloud bei der Kyndryl Deutschland für die Cloud Strategie, den Aufbau der Cloud-Partnerschaften mit AWS, Microsoft und Google und für die digitale Transformation der Kunden verantwortlich. Vor seinem Wechsel zu Kyndryl war er 25 Jahre in der IBM Konzernsparte Global Services in unterschiedlichen Führungspositionen tätig. Unter anderem war Stephan für den Aufbau des ersten Offshore Service Centers in China und später für die gesamte Systems Operation aller Kunden in Deutschland, Österreich und der Schweiz verantwortlich. Weitere Stationen führten ihn nach Polen, USA, Irland und Indien. Klaus Stephan möchte Kyndryl zum führenden Cloud Services Provider in Deutschland entwickeln.

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