Welche Auswirkungen hat die digitale Transformation auf den Personalbereich? Welche Chancen ergeben sich daraus?
Die digitale Transformation ist eine Reise, kein Zielpunkt und diese Reise muss individuell definiert werden. Für einige Manager ist es ein rein technologisches Thema, für andere ist es ein neuer Weg in der Interaktion mit den Kunden und für wieder andere ist es ein ganz neues Geschäftsmodell. Keine dieser Definitionen ist grundsätzlich falsch. Das klassische Verständnis von Digitalisierung ist die Automatisierung von internen und externen Prozessen im Unternehmen. Das moderne Verständnis der Digitalen Transformation ist vielmehr das Denken in neuen Geschäfts- und Vorgehensmodellen sowie eine Veränderung der Wertschöpfungskette. Wichtigster Erfolgsfaktor im Rahmen von Digitalisierungsprojekten ist es, eine intelligente und nutzerorientierte Lösung zu finden. Das bedeutet: Digitalisierungsprojekte sind keine IT-Projekte, sondern Projekte des federführenden Fachbereichs mit Unterstützung der IT. HR-Bereiche zu digitalisieren bedeutet nicht nur die Einführung neuer Technologien, sondern vielmehr Organisation, Prozesse, Kultur und Kommunikation zu verändern. Der Personalbereich muss sich im starken Wettbewerb um qualifizierte und talentierte Mitarbeiter behaupten und gleichzeitig eine Antwort auf die immer stärker voranschreitende Digitalisierung finden. Digitalisierung bietet den Personalbereichen die Chance, einen spürbaren Mehrwert innerhalb der Organisation zu hinterlassen und sich als strategischer Partner zu positionieren.
Konkrete Chancen für Ansatzpunkte im Rahmen der Digitalisierung bieten sich unter anderem für die Bereiche Recruiting und Personalentwicklung. In diesen Bereichen können bestehende Prozessabläufe und organisationale Strukturen unterstützt und verbessert werden.
Recruiting auf der digitalen Überholspur
Was sind die digitalen Treiber im Recruiting? Wo gibt es bereits konkrete Beispiele in der Praxis?
Passive Maßnahmen zur Personalbeschaffung, wie klassische Stellenanzeigen auf Stellenbörsen wie StepStone oder Indeed sind längst nicht mehr State of the Art. Active Sourcing heißt das neue Zauberwort. Das bedeutet nicht der Bewerber findet die passende Stelle, sondern die Stelle findet den passenden Bewerber. Angesichts des bestehenden Arbeitnehmermarktes können Arbeitskräfte aus einer Vielzahl von Stellenangeboten wählen.
Business Netzwerke, wie Xing oder LinkedIn, sind bereits eine häufig angewandte Methode von Personalern, um gezielt passende Kandidaten für offene Stellenausschreibungen zu suchen und diese persönlich zu kontaktieren. Sourcing Tools wie Talentwunder helfen diesen Suchprozess mit Hilfe von Algorithmen und Künstlicher Intelligenz (KI) zu vereinfachen. Intelligente Suchfunktionen suchen in Netzwerken gezielt nach geeigneten Kandidaten unter Berücksichtigung verschiedener Kriterien, wie Wechsel- und Reisebereitschaft, für die zu besetzenden Jobs. Zentral an einem Ort können Recruiter für jede offene Stelle vorgeschlagene Kandidaten zu einem Talentpool hinzufügen und den kompletten Prozess von der Kontaktaufnahme bis hin zur Einstellung eines Kandidaten organisieren.
Auch Mobile Recruiting erfreut sich einer wachsenden Beliebtheit. Das Smartphone ist aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken: Man kann alles und überall per Smartphone erledigen, auch die Suche nach dem passenden Job. Mit wenigen Klicks können Nutzer ihr eigenes Profil, durch die Verknüpfung ihres LinkedIn- oder Xing-Accounts, anlegen und die Jobsuche beginnen. Apps wie truffls oder zukünftig Google for Jobs führen potentielle Kandidaten und offene Stellenanzeigen per Matching über mobile Endgeräte zusammen. Bürokratische Hürden, wie vorzeitiger Schriftverkehr, werden abgebaut und die Suche nach dem richtigen Kandidaten effektiver gestaltet.
Zur Bewältigung großer Bewerberwellen und der frühzeitigen Bewerbereingrenzung, greifen vereinzelte Unternehmen zusätzlich auf die Unterstützung von Künstlicher Intelligenz im Rahmen von Online Assessments zurück. Der Grundgedanke ist die Prüfung der Kompetenzen des Bewerbers, da diese ausschlaggebend für die spätere Performance im Unternehmen sind. Mit pymetrics zum Beispiel werden diese Kompetenzen, wie Problemlösung oder Risikobereitschaft, im Rahmen eines spielerischen Ansatzes erfragt und getestet.
In einem nächsten Schritt kann die Bewerbervorauswahl beispielsweise im Rahmen eines ersten Vorstellungsgesprächs mit einer künstlichen Intelligenz weiter eingegrenzt werden. Im Vordergrund stehen dabei nicht die fachlichen Kenntnisse, sondern die nonverbale und paraverbale Kommunikation des Bewerbers. In einem videogestützten Interview analysiert die künstliche Intelligenz, mittels vorformulierter Fragen, die Persönlichkeit, Kommunikation und das Verhalten des Kandidaten und überprüft parallel, ob dieser zu dem ausgeschriebenen Job passt. Vieles davon klingt noch nach ferner Zukunft, ist aber in einigen großen Unternehmen, mit einem starken Bewerberandrang, bereits etablierte Praxis.
Wie gestaltet sich nun der ideale Recruiting Prozess im Kampf um die besten Talente im digitalen Zeitalter? Auf Algorithmen basierende Tools durchforsten Netzwerke nach passenden Kandidaten und schlagen Unternehmen im nächsten Schritt Arbeitskräfte vor, welche sie anschließend direkt kontaktieren können. Gleichzeitig wird der Suchprozess nach dem passenden Arbeitgeber für Arbeitnehmer via Mobile Recruiting vereinfacht. Mittels Künstlicher Intelligenz können überdies die Kompetenzen des Bewerbers vorzeitig erfasst und die Persönlichkeit, im Rahmen eines Vorstellungsgespräches, analysiert werden und somit eine Bewerbervorauswahl getroffen werden. Im Grunde haben alle Maßnahmen das Ziel, den Prozess für das Unternehmen effizienter zu gestalten und die Bewerber-Experience nachhaltig zu verbessern.
Digitale Wegweiser in der Personalentwicklung
Welche neuen Perspektiven eröffnen sich durch die Digitalisierung für die Personalentwicklung?
Der Wettbewerb um die besten Arbeitskräfte endet nicht im Recruiting. Die Personalentwicklung soll die Talente langfristig an das Unternehmen binden, denn motivierte, zufriedene und gut ausgebildete Mitarbeiter sind der Schlüssel zum Erfolg eines jeden Unternehmens. Digitale Technologien weisen der Personalentwicklung den Weg zu neuen Ufern im Rahmen der langfristigen Mitarbeiterbindung und -förderung.
Die Basis für eine effektive Personalentwicklung bildet Transparenz über die im Unternehmen vorhandenen Kompetenzen sowie strategisch zukünftig benötigte Kompetenzen. Die Praxis zeigt allerdings Handlungsbedarf. Viele Unternehmen haben Probleme mit einer systematischen und kontinuierlichen Erfassung dieser Daten und können somit keine fundierten Entscheidungen in Bezug auf Recruiting und Personalentwicklung treffen. Der Schlüssel ist hier der Rückgriff auf verschiedene Quellen, wie Daten aus dem Performance Management, Personalentwicklungs-Apps oder frei verfügbare Daten aus sozialen Netzwerken, und ein zum Beispiel integriertes Human Capital Management System, welches diese Daten sammelt und in aggregierter Form aufbereitet. Die Digitalisierung eröffnet Unternehmen eine Fülle von neuen Datenmengen, diese müssen nur sinnvoll aufgegriffen werden, um daraus einen Mehrwert für die Mitarbeiter und die Unternehmen zu genieren.
Zukünftig werden Mitarbeiter zudem verstärkt in die Personalentwicklung mit eingebunden und nehmen hierbei eine aktive Rolle ein, indem Sie zum Beispiel mit Hilfe einer App ihre Kompetenzen managen und die Karrierelaufbahn planen. Mithilfe passender Algorithmen liefert ein Matching-Verfahren dann individualisierte Weiterbildungsmöglichkeiten und passende Karrierewege. Personalentwicklung wird so schnell und einfach organisiert und bietet dem Mitarbeiter einen echten Mehrwert.
Eine solche App kann mit vielen weiteren Features stetig erweitert werden. Die interne Kommunikation und Zusammenarbeit können in Form eines sozialen Netzwerks ergänzt werden. Mitarbeiter können sich interaktiv durch mögliche Karrierepfade klicken und so ihre Karriere innerhalb des Unternehmens ergründen. Aber auch die Weiterbildung kann spielerisch digital abgebildet werden. Der Ex-Personalchef von Google liefert mit Humu ein sehr interessantes Beispiel für dieses Vorgehen. Mit individualisierten Pop-Up Nachrichten werden hier Tipps und Anreize in Form eines digitalen Coaches vermittelt, der dem Mitarbeiter hilft, sich besser im Unternehmen zurechtzufinden und die eigenen Stärken auszubauen.
Neue Arbeitsweisen erfordern auch neue Anforderungen an Mitarbeiter. Unternehmen müssen sicherstellen, dass auch ihre Mitarbeiter bestmöglich für die Transformation gerüstet sind. Mit der Vermittlung technologischer und digitaler Fachkompetenzen ist es aber keinesfalls getan. Digitalisierung verändert die Art und Weise wie wir miteinander kommunizieren, die Distanzen die wir dabei überbrücken und auch die Ausgestaltung der Work-Life-Seperation. Digitale Tools tragen zu mehr Anonymität bzw. Entpersonalisierung bei und gleichzeitig transferieren sie privates Verhalten in berufliche Situationen. Dies setzt neue Maßstäbe an Soft Skills, Kommunikationsfähigkeit muss neu definiert werden und Vertrauen ist ein Konzept, welches nicht länger nur auf privater Ebene verortet ist. Außerdem kommt der Unternehmenskultur als Vermittler einer gemeinsamen Identität ein höherer Stellenwert zu.
Digitalisierung als große Chance für HR
Durch die Digitale Transformation ergibt sich für das Personalmanagement eine große Chance, einen spürbaren Mehrwert innerhalb der Organisation zu hinterlassen und sich als strategischer Partner zu positionieren. Vom Recruiting bis hin zur Personalentwicklung bieten sich vielseitige digitale Möglichkeiten, um die besten Mitarbeiter zu rekrutieren, weiterzubilden und langfristig an das Unternehmen zu binden. Trotz aller Begeisterung für die digitale Transformation sind es aber nach wie vor die Menschen, die auf der digitalen Reise mitgenommen werden müssen. Personalbereiche zu digitalisieren bedeutet eben nicht nur die Einführung neuer Technologien, sondern vielmehr Organisation, Prozesse, Kultur und Kommunikation zu verändern.
Um einen Kommentar zu hinterlassen müssen sie Autor sein, oder mit Ihrem LinkedIn Account eingeloggt sein.