Wer zu Studien zum Thema Digitalisierung im Mittelstand recherchiert, findet eine Vielzahl unterschiedlichster Erkenntnisse: Von „Deutscher Mittelstand ist digitaler Vorreiter“ bis „Der Digitalisierungsrückstand des deutschen Mittelstands wächst“ ist alles dabei. Das ist nicht verwunderlich, immerhin gibt es unterschiedliche digitale Reifegrade der Unternehmen – und auch der Digitalisierungsdruck variiert von Industrie zu Industrie, von Markt zu Markt.
Diese unterschiedlichen Erkenntnisse sorgen bei einigen mittelständischen Unternehmen für Irritation: „Bei all den Buzzwords und Trends, wo sollen wir anfangen?“. Dass die Digitalisierung einzelner Bereiche oder gar ganzer Organisationen einen Mehrwert bietet, ist auch dem traditionell zurückhaltenden Mittelstand bewusst. Oftmals fehlt ganz einfach die Basis, ausgehend von der Frage: Welche Schritte sollten wir gehen, um in einer zunehmend digitalen Welt erfolgreich zu sein? Und die Antwort lautet nicht unbedingt: Vernetzen Sie Ihre Maschinenparks.
Eine solide Grundlage schaffen
Bevor sich Verantwortliche möglichen digitalen Tools und Technologien widmen, sollten sie eine solide Grundlage schaffen, auf deren Basis alle weiteren Digitalisierungsentscheidungen getroffen werden können. Diese Hausaufgaben bestehen aus einem Kreislauf:
Der Kreislauf kann in einer agilen oder iterativen Vorgehensweise bearbeitet werden. Oftmals denken Verantwortliche in mittelständischen Unternehmen, das Thema Technik sei die Lösung. Ohne eine gute Führung und Unternehmenskultur kann Digitalisierung nicht gelingen. Eine Studie der Boston Consulting Group [1] kommt zu dem Ergebnis: Für Unternehmen, die sich auf die Kultur konzentrierten, liegt die Wahrscheinlichkeit, einen Durchbruch zu erzielen, fünf Mal höher als für Unternehmen, die die Kultur vernachlässigen. Im Folgenden werden Inhalte des Kreislaufs beleuchtet:
- Vision
Der erste Schritt in Richtung Digitalisierung ist die Entwicklung einer klaren Vision: Wo soll das Unternehmen in 5 Jahren stehen? Welchen Beitrag möchte es für die Mitarbeiter, die Kunden, den Markt, die Umwelt und die Gesellschaft leisten? Was ist der Sinn? Das Skizzieren einer Vision in ein bis zwei Sätzen hilft allen Beteiligten, Ziele abzuleiten und sich zu fokussieren, um bessere Ergebnisse zu erzielen. Verantwortliche sollten ihre Mitarbeiter einbeziehen, denn die Vision und die Ziele können nur erreicht werden, wenn alle an der Entwicklung beteiligt sind und daran glauben. Die Erarbeitung einer Vision allein reicht nicht aus: Sie sollte regelmäßig kommuniziert werden. Meilensteine auf dem Weg dorthin sollten immer wieder sichtbar gemacht werden. Sinn und Vision des Unternehmens sollten von Zeit zu Zeit überprüft werden, um Sie an die erzielten Fortschritte und an neue Herausforderungen anzupassen.
- Führung
Wir leben in einer schnelllebigen Wirtschaftswelt, in der sich viel verändert. Führung bedeutet auch, sich klarzumachen, was sich nicht verändert: Werte, Moral und Vertrauen bleiben die Ecksteine menschlicher Beziehungen und Zusammenarbeit. Die Rolle der Führung in einer digitalisierten Welt ist es, Halt und Orientierung zu geben. Mitarbeiter sollten möglichst eigenverantwortlich in dem von der Führung großzügig abgesteckten Rahmen handeln können. Die Führungskräfte sind Begleiter, Mentoren und Wegbereiter für ihre Mitarbeitenden. Sie sorgen für Neugier, schaffen Emotionen zum Lernen und Fördern die interdisziplinäre Zusammenarbeit. Entscheidungen treffen sie nicht mehr allein. Das gesamte Team sollte an wesentlichen Entscheidungsfindungen beteiligt sein. Je größer die Vielfalt im Team, desto vielseitiger kann ein Problem angegangen werden. Denn: Unterschiedliche Perspektiven beleuchten Herausforderungen aus unterschiedlichen Blickwinkeln und ermöglichen gute Entscheidungen und deutliche Schritte nach vorne.
- Fehlerkultur
Teil der wichtigen Unternehmenskultur ist der Umgang mit Fehlern. Mit „Command and Control“ wird es schwer, eine digitale Basis zu schaffen. Wer Fehler zulässt und Mitarbeiter ermutigt, lieber ein Fehler mehr zu machen, als eine Idee unausgesprochen zu lassen – fördert die Kreativität bei den Mitarbeitenden. Fehler sind Chancen zu Lernen. Eine positive Fehlerkultur befähigt die Mitarbeitenden, die Gründe und Ursachen der Fehler zu ermitteln und daraus neue Entscheidungswege abzuleiten, die eine Verbesserung erwirken. Es geht nicht allein um das Fehler machen, sondern um das Analysieren, Lernen und Verbessern durch Fehler. Frühe Fehler sparen Zeit und Geld. Sie fördern gute, schnelle Ergebnisse.
- Klare Rollenverteilung
Unternehmen, die wissen, wohin sie steuern, benötigen eine dazu passende Rollenbesetzung. Allen sollte die Vision und die daraus abgeleiteten Ziele klar sein – und alle sollten wissen, welche Rolle und Verantwortung sie auf dem Weg dorthin haben. Verantwortliche sollten gemeinsam mit den Mitarbeitern definieren, wer welche Rolle einnimmt und welche Rollen eventuell von einem externen Partner übernommen werden müssen. So herrscht Klarheit, jeder kennt seinen Zuständigkeitsbereich und die Verantwortlichkeiten der anderen. Drohende Engpässe sollten zeitnah kommuniziert werden, so dass Teammitglieder schnell unterstützen können.
- System-Integration
Business Intelligence und Big Data erleichtern, die wachsende Menge an Informationen zu verarbeiten und gewinnbringend zu nutzen. Kein Unternehmen kommt heute an datengestützten Systemen vorbei. Wer mehrere Lösungen, wie z.B. eine ERP- und CRM-Software verwendet, sollte diese unbedingt miteinander verzahnen. So behalten Unternehmen den Überblick über alle kundenrelevanten Informationen. Vom Vertrieb über den Service bis hin zum Finanz- und Rechnungswesen lassen sich durch die Systemintegration alle wichtigen Daten abbilden: Kaufgewohnheiten, Bestellhistorie, Kundenanforderungen, Bestand, Trends, Materialfluss und weitere Lieferketteinformationen. Die Systemintegration ist die Grundlage für nahtlose Kundenprozesse und ein positives Kundenerlebnis. Und: Ein positives Kundenerlebnis ist der Schlüssel zum Erfolg. Ohne diese System-Integration können Unternehmen im schnelllebigen Markt nicht mithalten. Sie ist die Basis für weitere Digitalisierungsschritte.
- Justieren
Da sich Märkte kontinuierlich mit hoher Dynamik weiterentwickeln und im eigenen Unternehmen viel dazu gelernt wird, sind digitale Projekte und Fortschritte ein fortlaufender Prozess. Interim Manager helfen häufig mit Ihrer Erfahrung und Ihrer Perspektive von außen. Verantwortliche sollten KPIs festlegen, die sie messen und bewerten können. Das hilft, um den Kurs im Blick zu behalten und gegensteuern zu können – auch, um Meilensteine an Stakeholder zu kommunizieren.
Fazit: Hausaufgaben machen!
Diese sechs Schritte sind noch nicht der Weg zur Smart Factory, sondern bilden den Grundstein für weitere Schritte in Richtung Digitalisierung, ganz gleich, welches das nächstes Digitalisierungsziel ist. Der bodenständige Mittelstand sollte mit den o.g. Hausaufgaben starten, um in Zukunft weiterhin am Markt mithalten zu können. Im Jahr 2021 muss zumindest diese Ausgangsbasis geschaffen sein. Die Zukunft ist jetzt. Wer diese Schritte umgesetzt hat, wird spüren: Hier ist viel Potenzial für weitere notwendige Digitalisierungsmaßnahmen, die mit Geschwindigkeit realisiert werden können. Das Mindset der Führungskräfte stimmt, die Mitarbeitenden arbeiten eigenverantwortlich in ihren Projekten, die Kultur ist flexibler und die Systeme unterstützen übersichtlich die notwendigen Daten und nahtlose Prozesse. Eine Basis, die fast automatisch zu mehr Kreativität und digitalem Unternehmertum führt.
Quellen und Referenzen:
[1] https://www.bcg.com/capabilities/digital-technology-data/digital-transformation/how-to-drive-digital-culture
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