Digitalisierung im Stillstand? Praxisorientierte Lösungen und kritische Impulse für eine zukunftsfähige Strategie

Kurzbeschreibung: Die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung birgt immense Chancen, wird jedoch durch bürokratische, strukturelle und kulturelle Barrieren gehemmt. Erfolgsmodelle wie das Breitband-Portal zeigen, dass klare Standards und Kooperation entscheidend sind. Herausforderungen wie Personalmangel und föderale Uneinheitlichkeit können als Treiber für Automatisierung wirken. Zentral sind Prozessoptimierung, Nachnutzung bestehender Lösungen, gezielte Schulungen und ein Kulturwandel.
Von   Stefanie Fey   |  Principal Business Consultant   |  msg systems ag
10. Februar 2025

Digitalisierung im Stillstand? Praxisorientierte Lösungen und kritische Impulse für eine zukunftsfähige Strategie

 

Die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung gilt als eine der großen Herausforderungen der Gegenwart. Sie birgt jedoch auch immense Chancen, Prozesse zu vereinfachen, Kosten zu senken und eine bürgerfreundliche Verwaltung zu ermöglichen. Trotz ambitionierter gesetzlicher Vorgaben wie dem Onlinezugangsgesetz (OZG) und dem E-Government-Gesetz sowie Unterstützungsinitiativen wie der Föderale IT-Kooperation sowie dem Föderalen Informationsmanagement (FIM) scheint der Fortschritt zu stocken. Doch liegt dieser zumindest gefühlte Stillstand allein an überbordenden bürokratischen Rahmenbedingungen? Oder hindern strukturelle und kulturelle Barrieren die dringend benötigte Transformation? Dieser Beitrag beleuchtet die aktuelle Situation, analysiert die Hindernisse und bietet praxisorientierte Lösungsansätze für eine zukunftsfähige Strategie.

 

Status quo und Herausforderungen der Digitalisierung 

Die Digitalisierung der Verwaltung ist nicht nur von Problemen geprägt, sondern weist auch zahlreiche Erfolge auf. Besonders das „Einer-für-Alle“-Prinzip (EfA) hat sich als erfolgreich erwiesen: Eine OZG-Leistung wird von einem Themenfeldverantwortlichen umgesetzt und kann dann von Ländern und Kommunen nachgenutzt werden. Ein herausragendes Beispiel hierfür ist das Breitband-Portal. Es ermöglicht Telekommunikationsunternehmen, Leitungsverlegungen digital zu beantragen und die Zustimmung durch den Wegebaulastträger vollständig Ende-zu-Ende abzuwickeln, wie es das Telekommunikationsgesetz vorsieht. Solche Projekte zeigen, wie die digitale Transformation durch klare Standards und Zusammenarbeit enorme Vorteile bringen kann.
Trotz bestehender Herausforderungen bietet der aktuelle Stand der Digitalisierung eine wertvolle Gelegenheit, grundlegende Veränderungen anzustoßen. Der Personalmangel in vielen Behörden und die allseits klamme Haushaltslage werden häufig als Hemmnisse genannt. Diese könnten allerdings als Treiber für die Automatisierung und Optimierung von Verwaltungsprozessen dienen, sofern dadurch verstärkt Kooperationen und nachnutzbare Angebote genutzt würden. Föderale Strukturen und die Selbstverwaltung der Kommunen führen jedoch regelmäßig zu uneinheitlichen Ansätzen, selbst wenn gleiche gesetzliche Rahmenbedingungen bestehen. Diese individuellen Anpassungen bremsen die Skalierbarkeit und Effizienz.

Die Nutzung dieser Herausforderungen als Impulse für Wandel und Innovation kann nicht nur die Effizienz steigern, sondern auch eine moderne, bürgerfreundliche und zukunftsfähige Verwaltung fördern.

 

Gründe für den Stillstand: Tiefergehende Analyse 

Ein zentrales Problem vieler Digitalisierungsprojekte ist die unzureichende Aufgabenkritik im Vorfeld. Oft werden Prozesse digitalisiert, ohne sie zuvor auf ihre Effizienz zu überprüfen, was zu einer Fortführung unnötiger Schritte führt. Die E-Government-Gesetze des Bundes und einiger Länder fordern zwar eine kritische Prüfung der Verwaltungsprozesse vor der Digitalisierung, doch in der Praxis fehlt es oft an Zeit und fachlicher Unterstützung, um diesen Schritt umfassend durchzuführen. Eine gezielte Prozessanalyse und -optimierung können insbesondere unter fachkundiger Begleitung eine wesentliche Grundlage für eine erfolgreiche Digitalisierung liefern. Zu Beginn sollte überprüft werden, ob jeder Prozessschritt notwendig ist und ob das gleiche Ziel auf einfachere oder schnellere Weise erreicht werden kann. Unnötige Komplexität muss vermieden und Automatisierungsmöglichkeiten sollten ausgeschöpft werden, um Ressourcen zu sparen.
Ein weiteres Hindernis für die Digitalisierung ist das mangelnde Vertrauen in neue Technologien und das fehlende Wissen über deren Vorteile. Häufig fehlen Kenntnis und Erfahrung hinsichtlich des Vorhandenseins, Nutzens und des Umgangs von Lösungen wie denen nach EfA. Daher neigen viele Länder und Kommunen dazu, eigene, teurere und ineffizientere Entwicklungen zu initiieren. Dies betrifft sowohl die digitale Umsetzung in Form der Software selbst als auch das Informationsmanagement des FIM-Portals mit geprüften und nutzbaren Informationen beispielsweise zu sich ändernden Rechtsgrundlagen.
Ein weiteres Problem stellt das Fehlen gezielter Schulungsprogramme für Verwaltungsmitarbeitende dar. Ohne solche Programme fehlt oft das Vertrauen in die Vorteile der Digitalisierung, was die Akzeptanz neuer Technologien erschwert. Um dem entgegenzuwirken, sollten angebotene Workshops und Webinare von Verwaltungsmitarbeitenden besucht werden – generell, und nicht nur von den OZG-Verantwortlichen und IT-Spezialisten. Die Transformation ist für einen Erfolg in ihrer technischen und menschlichen Dimension als Ganzes zu sehen und zu begleiten.

 

Praxisorientierte Lösungen: Wege aus dem Stillstand 

Ein entscheidender Ansatz zur Überwindung des Stillstands sind die konsequente Anwendung der Aufgabenkritik und die Nachnutzung bestehender digitaler Verwaltungsleistungen. Im Auftrag der themenverantwortlichen Länder entwickelte OZG-Leistungen wie das Breitband-Portal bieten Ländern und Kommunen die Möglichkeit, praxiserprobte Systeme zu übernehmen, anstatt eigene Entwicklungsprojekte zu starten. Fertige Lösungen sparen nicht nur Zeit und Kosten, sondern garantieren auch eine hohe Qualität, da sie auf bewährten Prozessen basieren. Zudem erfüllen sie alle rechtlichen Anforderungen wie Datenschutz und Barrierefreiheit und gewährleisten somit eine hohe Rechtssicherheit. Kommunen und Verwaltungen profitieren erheblich von dieser Effizienz, da sie keine eigenen Systeme entwickeln müssen und sich auf erprobte Standards verlassen können.

Die Digitalisierung der Verwaltung ist eine gemeinschaftliche Aufgabe, die eine enge Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Kommunen erfordert. Plattformen wie  die Föderale IT-Kooperation (FITKO) ermöglichen die Bereitstellung und den Erwerb von Softwarelösungen als Inhouse-Geschäft ohne Ausschreibung im Einklang mit dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen. Diese Initiativen und andere Zusammenschlüsse zu Zweckverbänden und Genossenschaften bieten den Vorteil, dass Kommunen und Behörden untereinander auf vor-entwickelte Lösungen zugreifen und diese schnell sowie rechtssicher nutzen können. Die Beschaffungsvariante ist jedoch oftmals unbekannt oder mit derart großen Unsicherheiten verbunden, dass der ressourcenintensive Beschaffungsweg über eine Ausschreibung und das eigene IT-Projekt mit den oben genannten Erfordernissen zu Anforderungsmanagement, Tests, Betrieb, Abnahme usw. häufiger beschritten wird als erforderlich.
Eine wesentliche Rolle bei der Verwaltungsdigitalisierung nimmt zudem der IT-Planungsrat ein. Zum einen, weil auf seine Initiative die FITKO geschaffen, Verwaltungsverfahren für die Digitalisierung priorisiert und das EfA-Prinzip sowie das FIM-Portal ins Leben gerufen wurden. Zum anderen, weil er als beständiges Gremium fortlaufend den Behörden Hilfestellungen gibt und Vorgaben macht, die stets das Ziel einer modernen und digitalen Verwaltung sowie die effiziente Umsetzung verfolgen.
Über die Nutzung vorhandener Leistungsbeschreibungen im FIM-Portal können die Informationen für die einheitliche Behördennummer 115, zu den Rechtsgrundlagen, vorzulegenden Nachweisen bei der Beantragung usw. für alle zuständigen Stellen gleichermaßen Verwendung finden. Dies und ausschreibungsfreie Software-as-a-Service- Angebote zu digitalen Verwaltungsverfahren sparen Zeit und Kosten.

Ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP) ist unerlässlich, um bestehende Softwarelösungen fortwährend zu optimieren und an neue Anforderungen anzupassen. Dieser partizipative Ansatz stellt sicher, dass Kommunen in den Prozess eingebunden sind und Einfluss auf die Veränderungen nehmen können. Dies steigert nicht nur die Akzeptanz der Softwarelösungen, sondern sorgt auch dafür, dass alle Beteiligten von den gleichen Verbesserungen profitieren. Ein solches Vorgehen gewährleistet, dass die Softwarelösungen stets auf dem neuesten Stand sind, ohne dass zusätzliche Ressourcen für individuelle Anpassungen aufgewendet werden müssen.

 

Kritische Impulse: Grundlegender Strategiewechsel und Kulturwandel

Ein grundlegender Strategiewechsel hin zu modularen IT-Systemen ist entscheidend für eine zukunftsfähige Verwaltung. Statt monolithischer Systeme, die oft teuer und schwer anpassbar sind, bieten modulare Lösungen eine hohe Flexibilität. Standardisierte Bausteine ermöglichen es, gleiche Prozesse über Länder- und Kommunengrenzen hinweg einzusetzen. Dadurch können Kommunen auf erprobte und bewährte Komponenten zurückgreifen und müssen nicht für jedes Projekt neue Lösungen entwickeln. Diese Herangehensweise reduziert nicht nur die Entwicklungszeit, sondern auch die Kosten erheblich. Sie fördert zudem die Vereinheitlichung von Verwaltungsprozessen und ermöglicht eine effiziente Aktualisierung der Systeme. Langfristig entstehen dadurch skalierbare und kostengünstige Lösungen, die den digitalen Wandel in der Verwaltung vorantreiben.

Die Digitalisierung der Verwaltung erfordert nicht nur technologische Veränderungen, sondern auch einen Kulturwandel. Die Bereitschaft, alte Prozesse zu hinterfragen und neue, standardisierte Ansätze zuzulassen, ist entscheidend. Ein wichtiger Schritt dabei ist die Abkehr von dem Gedanken, dass kommunale Selbstverwaltung eigene und individuelle Software bedeutet. Stattdessen sollte mehr Vertrauen in die Arbeit des IT-Planungsrates und Länder und Kommunen gesetzt werden, die zur Nachnutzung bereitstehende Software-as-a-Service-Lösungen entwickelt haben. Dieser Kulturwandel steigert nicht nur die Effizienz, sondern macht finanzielle und personelle Ressourcen frei. Dies ermöglicht neue Handlungsspielräume, um im eigenen Regelungs- und Kompetenzbereich trotz klammer Haushalte in anderen Bereichen wirken zu können. Ein solcher Wandel ist unerlässlich, um die digitale Verwaltung als auch die Arbeit der Länder und Kommunen zukunftsfähig zu gestalten.

 

Fazit: Digitalisierung als Gemeinschaftsaufgabe 

Der vermeintliche Stillstand in der Digitalisierung der Verwaltung stellt – wie das Praxisbeispiel Breitband-Portal zeigt – kein unüberwindbares Hindernis dar. Eine Gemeinschaftsleistung aus Federführern, mehreren Dienstleistern und Institutionen war die entscheidende Basis für die vollständig digitale OZG-Leistung. Das Breitband-Portal ermöglicht Telekommunikationsunternehmen Ende-zu-Ende vollständig digital die Beantragung der Zustimmung zur Leitungsverlegung nach § 127 Abs. 1 bis 3 und 6 bis 8 Telekommunikationsgesetz. Auch die Erteilung der Zustimmung durch den Wegebaulastträger erfolgt vollständig digital. In das Portal integriert sind die Genehmigungsfiktion sowie eine Kartenkomponente als besondere Extras. Im engen Austausch wurden alle Schritte sowohl für die Verwaltungsleistung selbst als auch für den Roll-Out der Software bei den Wegebaulastträgern auf den Prüfstand gestellt. Unzählige Abstimmungen zwischen Juristen, Software- und Geschäftsprozessexperten einschließlich Nutzerfeedback führten zu einem effizienten und digitalen Prozess.

Mit solch praxisorientierten Lösungen, einer klaren Strategie und der Bereitschaft, gewohnte Strukturen zu hinterfragen, können Bund, Länder und Kommunen die digitale Transformation erfolgreich vorantreiben. Die Digitalisierung ist eine Gemeinschaftsaufgabe, die Kooperation, Vertrauen und Innovationsgeist erfordert. Die Chancen, die sich aus dieser Transformation ergeben, sind groß: Effizienzsteigerung, Bürgerfreundlichkeit und Kosteneinsparungen sind nur einige der möglichen Vorteile für diejenigen, die den Mut haben, den Stillstand zu überwinden und die digitale Zukunft der Verwaltung zu gestalten.

 

 

Die promovierte Naturwissenschaftlerin ist Referentin für Wirtschaftsrecht und Certified Business Process Professional. Sie leitet seit mehr als 15 Jahren Digitalisierungsprojekte und betreibt mit Leidenschaft Prozessmanagement sowohl in der öffentlichen Verwaltung als auch der freien Wirtschaft.

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