Digitale Transformation: Organisatorischer Wandel statt Projekt
Eine erfolgreiche Digitalisierung läuft nach dem Prinzip der kontinuierlichen Verbesserung ab: Geplante Maßnahmen werden in kleinen Schritten umgesetzt und immer wieder an die Unternehmensrealität angepasst. Denn eine digitale Transformation ist kein einmaliges Projekt, das sich im Voraus komplett planen lässt, sondern ein organisatorischer, fortlaufender Wandel.
„Kein Plan überlebt den Kontakt mit dem Feind.“ Dieser Satz wird oft dem ehemaligen US-Präsidenten und General Dwight David Eisenhower zugeschrieben. In Wahrheit soll er aber von Generalfeldmarschall Helmuth von Moltke stammen. Doch wer auch immer diese militärische These aufgestellt hat – gemeint ist: Die beste Planung nützt nichts, wenn sie nicht der Realität standhält. Und das lässt sich eins zu eins auf die digitale Transformation in Unternehmen anwenden.
Digitalisierung in kleinen revidierbaren Schritten
Die Digitalisierung wird von vielen Ereignissen, Bedingungen und Prozessen beeinflusst, die nicht im Voraus planbar sind. Ein Unternehmen kann und muss seine Ziele zwar im Voraus festlegen. Aber die entsprechenden Strategien und Maßnahmen lassen sich oft nicht wie geplant umsetzen, da im Laufe der Zeit verschiedene Variablen die Ausgangslage verändern. Das gilt vor allem dann, wenn Kunden, Partner und Lieferanten berücksichtigt werden müssen.
Im besten Fall ergeben sich aus ersten Analysen zwar alle Anforderungen, allerdings nur bezogen auf rund 15 Prozent des Prozesses. Das heißt, einige der ursprünglichen Annahmen werden sich als falsch herausstellen. Zudem haben sich mit großer Wahrscheinlichkeit einige Rahmenbedingungen verändert, wenn die Lösung geliefert wird. Während der Entwicklung einer Strategie steht die Zeit nicht still. Unternehmen sollten daher nicht eisern an ihrer ursprünglichen Planung festhalten, sondern die beabsichtigten Innovationen in kleinen Schritten angehen, die sie immer wieder ohne großen Aufwand revidieren können.
Wichtig für den Erfolg einer digitalen Transformation sind daher Methoden, Techniken und Instrumente, mit denen sich Pläne und Ergebnisse regelmäßig an die Realität anpassen lassen. Nur mit Werkzeugen und Plattformen, die sich für kontinuierliche Änderungen und Verbesserungen eignen, lassen sich Anpassungen an die realen Bedingungen vornehmen. Andernfalls kann es leicht zu überzogenen Anforderungen oder extrem umfangreichen Vorabspezifikationen kommen – mit entsprechenden Konsequenzen für die Budgetierung.
Entscheidend ist die „Ground Truth“
Eine weitere Voraussetzung für die erfolgreiche digitale Transformation eines Unternehmens besteht darin, dass die Mitarbeiter mehr tun, als nur Anweisungen zu befolgen. Die Führungskräfte sollten dieses Engagement aktiv einfordern und die Teams dafür belohnen. In vielen Unternehmen gibt es eine Diskrepanz zwischen den Erwartungen der Geschäftsleitung und den tatsächlichen Leistungen der Beschäftigten – also der „ground truth“, wie es in der Militärsprache heißt. Diese Diskrepanz lässt sich nur vermeiden, wenn die Mitarbeiter aktiv in die Entwicklung der zu nutzenden Anwendungen und Ressourcen involviert sind. Denn daraus ergeben sich spezielle Aspekte, die der Geschäftsleitung nicht bekannt sind. Diese „ground truth“ ist die eigentliche Unternehmensrealität, an der sich die Führungskräfte bei ihrer Planung und Strategie orientieren sollten.
Prinzip der kontinuierlichen Verbesserung
Die digitale Transformation gilt in vielen Unternehmen als Projekt, das nicht aus dem „normalen“ Budget bezahlt wird. Daher wird versucht, jedem einzelnen Digitalisierungsvorhaben einen festen Zeitplan und ein festes Preisschild zuzuweisen. Diese Vorgehensweise steht jedoch in direktem Widerspruch zum Prinzip der kontinuierlichen Verbesserung. Unternehmen sollten die Digitalisierung daher nicht als Technologievorhaben oder als Summe von Teilprojekten betrachten, sondern als einen permanenten organisatorischen Wandel, unterstützt durch Technologie. Es geht nicht darum, ein Projekt nach dem anderen abzuarbeiten. Wichtig ist vielmehr, sich auf die kontinuierliche Bereitstellung von Ergebnissen zu konzentrieren und diese immer wieder im Hinblick auf Veränderungen zu justieren.
Im Idealfall können die Verantwortlichen festlegen, wie hoch die Ausgaben für die jeweiligen Verbesserungen sind. Und unter Umständen lassen sich diese Ausgaben als wiederkehrende Posten definieren, um auf diese Weise die Planung zu vereinfachen. Damit wäre es dann möglich, das jeweilige Budget beispielsweise monatlich auszugeben, obwohl es immer wieder den jeweiligen Bedingungen angepasst wird.
Ähnlich wie der Wandel der Bewegtbildproduktion
Ein organisatorischer Wandel, wie ihn die Digitalisierung in Unternehmen darstellt, hat es auch schon in anderen Bereichen gegeben. Beispiel Bewegtbildproduktion: Noch vor ein paar Jahrzehnten wurden Filme und Videos sorgfältig im Voraus geskriptet. Gedreht wurde zu einem relativ späten Zeitpunkt im Produktionszyklus und unter strikter Einhaltung eines Drehbuchs. Der Schnitt diente in erster Linie dazu, Fehler zu beseitigen und das bestehende Bildmaterial an die Zeitvorgaben anzupassen. Heute beginnt alles mit einer Idee und einem Storyboard. Oft wird erst einmal gedreht, die Entwicklung der eigentlichen Geschichte erfolgt währenddessen oder sogar erst in der Schnittphase. Auch der Text wird erst gegen Ende der Dreharbeiten erstellt und während des Schneidens häufig noch einmal überarbeitet.
Möglich ist diese Reihenfolge, weil die Kosten für die Digitaltechnik so stark gesunken sind. Dadurch lassen sich mehr Inhalte mit größerer Regelmäßigkeit an mehreren Orten ausliefern. Heute ist der Redakteur mindestens genauso wichtig wie der Autor und übernimmt gleich in mehrfacher Hinsicht dessen Rolle. Seine Ideen werden noch bis zur letzten Minute in den Film eingearbeitet.
Ähnlich verhält es sich mit Geschäftsanwendungen: Sie sind am Anfang oft reduziert und trotzdem funktional, im Laufe der Zeit werden sie kontinuierlich verbessert und/oder erweitert. Die Nutzer erhalten frühzeitig eine Lösung, die vielleicht noch nicht perfekt ist, auf deren weitere Entwicklung sie aber Einfluss nehmen können. Das ist wesentlich sinnvoller, als eine Anwendung gleich komplett fertigzustellen. Denn dann besteht das Risiko, dass am Ende etwas ausgeliefert wird, das mit der geschäftlichen Realität, der „ground truth“, nicht viel zu tun hat. Denn egal, ob es um die Produktion von Filmen oder die Entwicklung von Anwendungen geht: Eine grundlegende Transformation führt nur zum Erfolg, wenn alle notwendigen Prozesse und Schritte kontinuierlich und immer auf Basis von Kompromissen optimiert werden.
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