Demokratisierung und Bildung – Wie KI uns allen zugutekommt

Die Demokratisierung von KI-Technologien ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Denn nur wenn wir die digitale Ungleichheit überwinden und KI für jeden zugänglich machen, können wir ihr volles Potenzial für eine gerechtere und nachhaltigere Welt ausschöpfen. Dabei spielen Bildung, globale Zusammenarbeit und die Schaffung inklusiver Rahmenbedingungen eine Schlüsselrolle. Dieser Beitrag zeigt auf, wie dieses Ziel erreicht werden kann.
Von   Denelise LEcluse   |  Geschäftsführerin, Assurance, Kontinentaleuropa   |  British Standards Institution
22. Juli 2024

Es ist einfach zu behaupten, dass jeder online und vernetzt ist. Jedoch hat mehr als ein Drittel der Weltbevölkerung das Internet bisher noch nie genutzt. Daher ist es nicht überraschend, dass mehr als die Hälfte der Befragten (51 %) in der BSI-Umfrage „Vertrauen in KI“ die Befürchtung äußerten, dass KI die soziale Spaltung zwischen denjenigen, die Zugang zu den entsprechenden Kompetenzen oder Technologien haben, und denjenigen, die keinen Zugang dazu haben, vergrößern könnte.

Eine solche Entwicklung ist allerdings nicht unvermeidlich. Wir können jetzt handeln, um sicherzustellen, dass KI eine treibende Kraft für das Gute ist. Die Fortentwicklung der KI könnte genau der Katalysator sein, den wir brauchen, um gemeinsam als Gesellschaft die digitale Spaltung zu überwinden.

Die wachsende Bedeutung für KI zur Gestaltung unserer Zukunft ist eine große Chance, Fortschritte zu erzielen. Letztendlich könnte sogar das UN-Nachhaltigkeitsziel 10 zur Verringerung der Ungleichheiten innerhalb und zwischen den Ländern erreicht werden. Auf dem Weg zu einer globalen KI könnte die Demokratisierung ihrer Nutzung von entscheidender Bedeutung sein. Dies könnte durch eine kollaborative und integrative Position zur Gewährleistung der Überwachung und durch einen starken Fokus auf Bildung unterstützt werden.

 

Durch KI zu einer gerechten Welt

 

Mithilfe von Technologien können wir eine nachhaltige Welt und bessere Zukunft schaffen, sei es in Bezug auf die Lebensmittel, die wir essen, die Art und Weise, wie wir mit Krankheiten umgehen oder wie wir den Klimawandel bewältigen. Wenn jedem Zugriff zu KI gewährt wird, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass wir ihr Transformationspotenzial maximieren. Wie bei jeder Innovation – zum Beispiel dem Internet – gilt: Je mehr Menschen sie nutzen, desto mehr Ideen können wir entwickeln und desto mehr kann sie bewirken.

Wir stehen noch am Anfang, aber es ist absehbar, dass KI dazu beitragen kann, soziale Ungleichheiten zu überwinden. Im Bildungsbereich könnte dies bedeuten, dass KI als persönlicher Tutor eingesetzt wird oder Sprach- und Qualifikationsbarrieren überwindet, damit jeder überall von einer qualitativ hochwertigen Bildung profitieren kann. 27 % der von BSI weltweit Befragten erwarten, dass KI bis 2030 in Schulen eingesetzt wird, z. B. in Form von Roboterlehrern, die zielgerichtete Lehrpläne erstellen. 17 % der Befragten sehen die Verbesserung des Zugangs zu hochwertiger Bildung durch KI als eine der obersten Prioritäten für 2050 an.

Es gibt eine klare Rolle für KI bei der Unterstützung von Lehrern*innen. McKinsey-Studien haben ergeben, dass Lehrer*innen durchschnittlich 50 Stunden pro Woche arbeiten und weniger als die Hälfte dieser Zeit direkt mit Schüler*innen interagieren. Zudem nennen sie häufig unüberschaubare Verwaltungsaufgaben als Hauptursache für Burnout. KI könnte den Lehrern mehr Zeit geben, bessere Beziehungen zu ihren Schüler*innen aufzubauen und individuelle Lernerfahrungen zu ermöglichen, indem Aufgaben, wie die Erstellung von Stundenplänen automatisiert werden.

 

Die aktuelle Lage

 

Zusammen mit Sicherheits- und Schutzmaßnahmen zur Vertrauensbildung können das Überwinden der digitalen Spaltung und ein allgemeiner Zugang dabei helfen, die Vorteile von KI zum Besseren zu nutzen. Es gibt eine Reihe von Bereichen, in denen wir zusammenarbeiten können, insbesondere bei der Sicherstellung, dass alle Länder auf die alltägliche Nutzung von KI vorbereitet sind.

Forschungsergebnisse deuten derzeit darauf hin, dass nicht alle Länder optimal gerüstet sind, um KI in ihren öffentlichen Diensten einzusetzen. Einigen Ländern fehlen die notwendigen Grundlagen wie ein starker Technologiesektor oder geeignete Dateninfrastrukturen. Das Weltwirtschaftsforum (WEF) hat festgestellt, dass sich wohlhabendere Länder auf das Design, die Entwicklung und den Einsatz von KI-Algorithmen konzentrieren, um das Wirtschaftswachstum zu fördern. In anderen Ländern hingegen „entstehen Industrien, die gering qualifizierte Arbeitskräfte für die Datenkennzeichnung und -korrektur innerhalb der KI-Wertschöpfungskette einsetzen“. In Indien geben 64 % der Menschen an, KI in ihrem Arbeitsalltag zu nutzen, was deutlich über dem weltweiten Durchschnitt von 38 % liegt.

Außerdem ist das Wohlstandsgefälle innerhalb der Länder nach wie vor sehr groß. Die mit KI verbundenen Kosten – zum Beispiel die monatliche Gebühr für Chat GPT Plus – könnten alle außer den wenigen Wohlhabenden abschrecken. Die Sicherstellung eines gerechten Zugangs zu KI ist ein umfangreiches Vorhaben, aber wenn wir den Fortschritt in Richtung einer nachhaltigen Welt beschleunigen wollen, müssen wir unbedingt eine integrative Technologie in den Mittelpunkt unserer Bemühungen stellen.

 

Bildung steht im Zentrum von allem

 

Die BSI-Umfrage hat aufgedeckt, dass Menschen bereits regelmäßig KI-gestützte Technologien nutzen, ohne sich dessen bewusst zu sein. Beispielsweise nutzen 62 % von uns personalisierte Playlists und 57 % Gesichtserkennung, aber in beiden Fällen war mehr als der Hälfte nicht klar, dass diese Technologien KI nutzen. Diese Verständnislücke zu schließen, ist entscheidend.

Neben dem Zugang zu Technologie steht die Bildung im Mittelpunkt von allem. Es muss sichergestellt werden, dass die Menschen in der Lage sind, KI zu nutzen und informierte Entscheidungen darüber zu treffen, wie sie diese nutzen. 55 % der Befragten gaben an, dass jetzt junge Menschen für die Arbeit in einer KI-gestützten Welt ausbildet müssen. Den Daten zufolge ist dies allerdings noch nicht der Fall.

Bildung ist natürlich nicht nur etwas für junge Menschen. Damit alle Mitarbeiter*innen eines Unternehmens erkennen können, wie KI ihre Arbeit bereichern kann, müssen sie zunächst die Grundkenntnisse erwerben und dann Zugang zu kontinuierlichem Lernen haben.

Im Jahr 2020, noch bevor die meisten Menschen von KI sprachen, hieß es in einem WEF-Bericht über die Zukunft der Arbeit, dass wir bis 2030 mehr als eine Milliarde Menschen neu qualifizieren müssen. Die KI und insbesondere die generative KI (KI, die Inhalte erstellen kann) verändern das Wesen bestimmter Berufe, wie Studien von LinkedIn zeigen. Aber selbst wo dies nicht der Fall ist, kann die Gesellschaft als Ganzes von Weiterbildung profitieren und so neue Technologien optimal nutzen.

Bildung ist nicht die Aufgabe einiger weniger. Sie ist eine gemeinsame Aufgabe der gesamten Gesellschaft, und zwar von Nationen, Regierungen, Organisationen und Individuen. Durch die Zusammenarbeit all dieser Institutionen können sie das Potenzial der neuen Technologie zum Wohle der Gesellschaft nutzen und dafür sorgen, dass wir alle gleichberechtigt an den Vorteilen der KI teilhaben können.

 

Inspiration durch ESG

 

Wie können wir die digitale Spaltung im Bereich der KI überwinden und gewährleisten, dass ausreichende Bildungsangebote zur Verfügung stehen, damit alle vom Potenzial der KI profitieren können? Wir haben bereits gezeigt, dass wir als Gesellschaft zusammenarbeiten können, um eine positive Wirkung zu erzielen, wenn es nötig ist, zum Beispiel durch eine globale Einigung auf Umweltziele wie das UN-Kunststoffabkommen und das Pariser Klimaabkommen. Obwohl in beiden Bereichen noch mehr zu tun ist, sind diese Vereinbarungen wichtige Schritte nach vorne und geben Hoffnung, dass ein positiver Weg für eine inklusive KI geebnet werden kann.

Viele Länder haben bereits KI-Strategien entwickelt. Diese werden natürlich unterschiedlich sein, um den spezifischen Marktbedürfnissen gerecht zu werden, aber unsere kollektive Arbeit an Umweltfragen ist eine überzeugende Fallstudie dafür, wie eine starke Zusammenarbeit uns weit über die Befugnisse einzelner Nationen hinausbringen kann.

Anfang 2023 hat die EU das weltweit erste umfassende Gesetz zur künstlichen Intelligenz verabschiedet. Nun ist es an der Zeit, einen Schritt weiterzugehen und unsere Technologieziele genauso wie unsere Nachhaltigkeitsziele auf globaler Ebene zu beschließen. Schließlich ist KI eine globale Herausforderung und Chance, die am besten auch auf dieser Ebene angegangen werden kann.

 

Bereit flexibel zu sein?

 

In der heutigen Gesellschaft ist es notwendig, flexibel zu sein. Die Art und Weise, wie wir KI einsetzen, wird sich wandeln, und unsere Reaktion darauf muss sich entsprechend anpassen, indem wir auf kollektive Intelligenz zurückgreifen. Angesichts der rasanten technologischen Entwicklung ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Gesellschaft über einen „Überprüfungsprozess“ verfügt, der eine kontinuierliche Verbesserung ermöglicht. Dies gilt z. B. für unser Verständnis der sich ständig weiterentwickelnden Vorschriften.

Bei der Betrachtung der aktuellen KI-Landschaft ist es wichtig anzuerkennen, dass es in der Welt viele unterschiedliche Sichtweisen und Kulturen gibt. Wie jedoch prominente Kooperationen im Bereich ESG, wie beispielsweise die Task Force on Climate-Related Financial Disclosures, gezeigt haben, haben wir die Chance, zusammenzukommen und Großartiges zu erreichen.

Wie UN-Generalsekretär António Guterres sagte, „müssen wir die Zugänglichkeit und Inklusivität drastisch verbessern und die digitale Spaltung beseitigen“. Da fast ein Viertel der Befragten in unserer Umfrage den Einsatz von KI zur Schaffung einer gerechteren Gesellschaft oder zur Verringerung der sozialen Ungleichheit als oberste Priorität für das Jahr 2050 ansieht, gibt es Grund zum Optimismus.

Mit den Fortschritten der KI und dem Übergang von limitierter KI zu generativer KI hat die Gesellschaft die Möglichkeit, dazu beizutragen, die Ungleichheit zu beseitigen und KI für alle zugänglich zu machen. Die Gesellschaft sollte in den Bereichen Technologie, Bildung und Überwachung zusammenarbeiten, um die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen und sicherzustellen, dass KI eine treibende Kraft für das Gute wird.

Dénelise L’Ecluse war nach ihrem Studium unter anderem als North Europe Sales Manager bei Autodesk tätig. Anschließend übernahm sie die Position des Executive Directors bei OCLC, einem internationalen Verlag. Seit 2020 ist sie als Geschäftsführerin, Assurance, Kontinentaleuropa bei BSI beschäftigt.

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