Datensouveränität sichern

Das EU-U.S. Data Privacy Framework (DPF) steht unter starkem Druck. Unternehmen sehen sich mit zunehmenden Unsicherheiten im transatlantischen Datenaustausch konfrontiert. Eine flexible IT-Architektur und intelligente Cloud-Modelle sind der Schlüssel, um wirtschaftliche Handlungsfähigkeit und Datenschutz in unsicheren Zeiten in Einklang zu bringen.
Von   Dennis Schiedat   |  Principal   |  Detecon International
  Mark Grosser   |  Principal   |  Detecon International
23. Juli 2025

Datensouveränität sichern

Warum flexible IT- und Cloud-Strategien jetzt über den Unternehmenserfolg entscheiden

 

Das EU-U.S. Data Privacy Framework (DPF) gerät zunehmend unter Druck. Während Datenschützer den unzureichenden Schutz personenbezogener Daten bemängeln, kritisieren große Cloud-Anbieter die wachsenden regulatorischen Unsicherheiten des transatlantischen Datentransfers. Die politischen Entwicklungen in den USA verschärfen diese Situation zusätzlich: Geplante Eingriffe der Trump-Administration in die US-Datenschutzaufsicht könnten das DPF weiter schwächen und den Datenaustausch zwischen Europa und Amerika erschweren. Diese Entwicklung stellt international tätige Unternehmen vor komplexe Herausforderungen: der transatlantische Datenaustausch wird zum Risiko. Einerseits müssen sie die strengen Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) für die Datenübermittlung in Drittstaaten erfüllen. Andererseits gefährden politische Entwicklungen außerhalb der EU die bestehenden rechtlichen Grundlagen – eine Situation, die schnelles Handeln erfordert.
In diesem dynamischen Umfeld reichen einzelne Compliance-Maßnahmen nicht mehr aus. Stattdessen benötigen Unternehmen eine umfassende Neuausrichtung ihrer Strategie. Diese muss sowohl regulatorische Änderungen als auch die Sicherung der wirtschaftlichen Handlungsfähigkeit umfassen. Nur wer beide Aspekte berücksichtigt, kann in diesem herausfordernden Umfeld erfolgreich agieren.

 

IT-Architekturen als strategisches Steuerungsinstrument

Die Unsicherheiten rund um das DPF zwingen Unternehmen, ihre IT-Architekturen neu zu konzipieren. Flexibilität wird zum zentralen Erfolgsfaktor. IT-Systeme müssen eine dynamische und rechtskonforme Steuerung von Datenflüssen ermöglichen. Entscheidend ist dabei die strategische Festlegung, wo Unternehmen ihre sensiblen Daten speichern und verarbeiten.
Geo-Blocking, präzise Datenklassifizierung und flexible Routing-Strategien sorgen für die notwendige Kontrolle. Voraussetzung dafür ist vollständige Transparenz über vorhandene Datenbestände. Unternehmen müssen jederzeit wissen, welche Daten sie besitzen, wo sie diese speichern und wie sensibel sie sind. Die Grundlage hierfür bildet eine präzise Analyse in Form einer „Datenlandkarte“. Dabei ist die klare Unterscheidung zwischen personenbezogenen Daten, die der DSGVO unterliegen, und anderen geschäftskritischen Informationen entscheidend.
Zum Schutz sensibler Daten kommen technische Maßnahmen wie Verschlüsselung und Multi-Faktor-Authentifizierung zum Einsatz. Fein abgestimmte Rollen- und Berechtigungssysteme gewährleisten dabei, dass nur autorisierte Personen Zugriff erhalten. Für die Unternehmensführung ergibt sich daraus eine klare strategische Aufgabe: Nur wer die Transparenz über Datenströme wahrt, bleibt auch in regulatorischen Krisenlagen handlungsfähig. Löschrichtlinien und eine revisionssichere Dokumentation gewährleisten dabei die regulatorische Konformität und minimieren Haftungsrisiken.

 

Cloud-Modelle neu denken und Abhängigkeiten reduzieren

In Zeiten wachsender Unsicherheit entwickelt sich die Auswahl und Gestaltung von Cloud-Strategien zur Managementaufgabe. Starre Cloud-Modelle, die auf einzelne Anbieter setzen, schränken die Handlungsfähigkeit ein. Multi-Cloud-Strategien hingegen stärken die Resilienz: Unternehmen, die ihre Daten flexibel auf verschiedene Anbieter verteilen, bleiben somit beweglich und können regulatorische Veränderungen besser abfangen. Eine zukunftsfähige Cloud-Architektur zeichnet sich durch durchdachte Exit-Strategien aus. Diese ermöglichen es Unternehmen, flexibel auf Veränderungen zu reagieren und bei Bedarf den Cloud-Anbieter zu wechseln. Dabei spielen einheitliche Sicherheitsstandards eine Schlüsselrolle. Ein plattformübergreifendes Identitäts- und Zugriffsmanagement gewährleistet reibungslose Abläufe, selbst wenn Daten und Anwendungen auf verschiedene Cloud-Dienste verteilt sind. Diese Ansätze decken sich mit den Empfehlungen des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI).
Verschlüsselung, Cloud Access Security Broker (CASB) und ein einheitliches Identitätsmanagement schaffen Sicherheit über alle Plattformen hinweg. Automatisierte Compliance-Checks und ein zentrales Security Operations Center (SOC) ermöglichen es, Risiken frühzeitig zu erkennen und Regelverstöße zu vermeiden. Cloud-Strategien erfordern einen ganzheitlichen Ansatz. Neben technischen Aspekten spielen auch wirtschaftliche und regulatorische Faktoren eine entscheidende Rolle. Eine effektive Cloud-Strategie ist eng mit der Unternehmensstrategie verknüpft und trägt wesentlich zur Widerstandsfähigkeit des Unternehmens bei. Regelmäßige Überprüfungen und Anpassungen sind unerlässlich, um auf dem sich schnell wandelnden Markt wettbewerbsfähig zu bleiben. Unternehmen, die ihre Cloud-Nutzung agil an veränderte Rahmenbedingungen anpassen, sichern sich langfristige Wettbewerbsvorteile.

 

Migration als strategischen Prozess verstehen

Die Migration in die Cloud ist kein rein technischer Vorgang, sondern ein Prozess mit weitreichenden Folgen für das gesamte Unternehmen. Für die Einführung einer sicheren Cloud-Strategie sollten sie Risiken strategisch analysieren, Daten strukturiert erfassen und die Sicherheitsarchitektur klar definieren. Erst danach erfolgt die Auswahl geeigneter Cloud-Provider. Ein zentrales Element ist die Qualifizierung der Mitarbeitenden. Gut geschulte Teams gewährleisten die Einhaltung der Sicherheitsrichtlinien im täglichen Betrieb. Während der Migration sorgen Monitoring-Systeme für eine transparente Überwachung. So entsteht schrittweise eine robuste Infrastruktur, die Daten schützt und flexibel auf neue Anforderungen reagiert. Gleichzeitig schaffen Unternehmen auch eine Basis, um jederzeit auf neue regulatorische Anforderungen zu reagieren.

 

Governance als dauerhafte Managementaufgabe

Der Abschluss der Migration markiert nicht das Ende, sondern den Beginn der kontinuierlichen Verbesserung von Systemen und Prozessen. Nur so bleiben Sicherheit, Compliance und Effizienz gewährleistet. Governance entwickelt sich zur kontinuierlichen Managementaufgabe. Die regulatorische Dynamik erfordert Systeme, die Risiken nicht nur erkennen, sondern auch aktiv adressieren. Automatisierte Compliance-Checks, regelmäßige Audits und ein strukturiertes Incident-Management sind unerlässlich. Governance-Teams spielen hierbei eine zentrale Rolle. Sie steuern Sicherheits- und Kontrollprozesse, beobachten regulatorische Entwicklungen und passen Maßnahmen flexibel an neue Anforderungen an. Regionale Besonderheiten müssen sie dabei stets in das globale Sicherheitskonzept integrieren.

 

Rechtliche Resilienz erhöhen und langfristig sichern

Datenschutzexperten wie Dr. Fabian Niemann, Partner der internationalen Wirtschaftskanzlei Bird & Bird, raten davon ab, allein auf das DPF zu setzen. Die politische Unsicherheit in den USA könnte dazu führen, dass der Europäische Gerichtshof das DPF für ungültig erklärt. Unternehmen sollten daher rechtzeitig handeln und bewährte Alternativen wie Standardvertragsklauseln oder Binding Corporate Rules ergänzend nutzen. Diese Mechanismen lassen sich mit vertretbarem Aufwand integrieren und erhöhen die Resilienz gegenüber regulatorischen Umbrüchen. Dennoch bleibt das DPF zunächst weiterhin gültiges Recht und ermöglicht bis zu einer gegenteiligen Entscheidung einen rechtssicheren Datentransfer in die USA. Ein integrativer Governance-Ansatz sollte daher sowohl den aktuellen Rechtsrahmen als auch mögliche künftige Entwicklungen berücksichtigen, so der Experte. Unternehmen sichern sich am besten ab, indem sie langfristige Verträge mit geprüften Anbietern abschließen, Datenschutzvereinbarungen fest verankern und klare Kündigungsfristen definieren. Eine systematische Überwachung sorgt zusätzlich dafür, dass alle Daten auch in der Cloud souverän und gesetzeskonform verarbeitet werden.

 

Strategische Flexibilität als Schlüssel zum Unternehmenserfolg

Geopolitische Spannungen und regulatorische Unsicherheiten werden die digitale Wirtschaft auch künftig prägen. Unternehmen dürfen daher nicht auf stabile Rahmenbedingungen hoffen. Stattdessen sind sie gefordert, aktiv zu handeln und ihre IT- und Datenstrategien kontinuierlich anzupassen. Flexible IT-Architekturen, durchdachte Cloud-Strategien und integrative Governance-Modelle sind wichtige Wettbewerbsfaktoren. Wer heute in Resilienz und Steuerungsfähigkeit investiert, stärkt nicht nur die Compliance, sondern auch die wirtschaftliche Flexibilität. Datenschutz wird so von einem reinen Risiko zu einer strategischen Chance.

Dennis Schiedat ist Principal und berät Unternehmen der Energie- und Fertigungsbranche bei der digitalen Transformation. Sein Fokus liegt auf IT-Security, Datenschutz im Vertrieb sowie digitalen Geschäftsmodellen und IT-Architektur. Er unterstützt Unternehmen bei der Umsetzung regulatorischer Anforderungen, entwickelt Datenschutzstrategien und integriert Datenschutzmaßnahmen in digitale Prozesse. Im DACH-Raum hat er große Projekte an der Schnittstelle zwischen Business und IT geleitet. Sein Ziel: Datenschutz nicht nur als Pflichtaufgabe, sondern als strategischen Vorteil für eine vertrauenswürdige, zukunftsfähige Digitalisierung zu etablieren. 

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