„Connected Work“ als Schlüssel zu effektiveren Arbeitsprozessen auf dem Shopfloor

Die Fertigungsindustrie befindet sich im Wandel, denn die Digitalisierung erreicht zunehmend auch die Frontline-Mitarbeiter in produzierenden Unternehmen. Unter dem Schlagwort „Connected Work” sollen auch sie von einer vollumfänglichen digitalen Vernetzung mit ihrem Arbeitsumfeld profitieren. Doch noch immer konkurrieren in vielen Unternehmen digitale Tools mit Papierbergen – ineffiziente, kostspielige Medienbrüche sind an der Tagesordnung. Im November 2022 hat Operations1, das Innovationsunternehmen für digitale Prozessoptimierung, eine repräsentative Studie durchgeführt, die Licht in das Thema vernetztes Arbeiten innerhalb der Produktion bringt. Die von Benjamin Brockmann präsentierten Ergebnisse ermöglichen einen tiefen Einblick in den aktuellen Stand der Digitalisierung in den Werkhallen der DACH-Region.
Von   Benjamin Brockmann   |  CEO und Co-Founder   |  Operations1
1. Mai 2023

Gastbeitrag von Benjamin Brockmann, CEO und Co-Founder von Operations1

In einer Welt, die von schnellem technologischem Fortschritt und immer stärker vernetzten, globalen Arbeitsmärkten geprägt ist, müssen Unternehmen ihre Arbeitsweisen und Strategien stetig anpassen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Lange Zeit wurden bei dem Thema Digitalisierung die Frontline-Mitarbeiter in produzierenden Unternehmen vernachlässigt, doch seit Jahren befindet sich auch die Fertigungsindustrie in einem Wandel. Vollumfängliche digitale Vernetzung soll nun immer mehr für die operativen Mitarbeiter in ihr Arbeitsumfeld integriert werden. Denn noch immer konkurrieren in vielen Unternehmen digitale Tools mit Papierbergen – ineffiziente, kostspielige Medienbrüche sind an der Tagesordnung.

Der Wandel des Frontline-Mitarbeiters

Lange Zeit wurden die operativen Mitarbeiter in der Produktion, Logistik und weiteren produktionsnahen Supportprozessen bei der Digitalisierung vernachlässigt. In den letzten Jahren verstärkt sich jedoch der Trend, auch die sogenannten „schreibtischlosen“ Mitarbeiter mit digitalen Technologien auszustatten und sie besser in der Organisation zu vernetzen.

Eine Ende 2022 von uns durchgeführte Studie beleuchtet den aktuellen Stand der Digitalisierung in den Werkshallen der DACH-Region. Diese repräsentative Untersuchung mit 175 Spezialistinnen und Spezialisten aus dem Produktionsumfeld liefert spannende Einblicke in die aktuellen Trends und Herausforderungen im Bereich der vernetzten Arbeit. Aus unserer Umfrage geht beispielsweise hervor, dass bereits heute auf dem Shopfloor digitale Tools zum Einsatz kommen – vorrangig ERP-Systeme (49 %) und mobile Apps (45 %). ERP-Systeme befinden sich aktuell noch in einer Vorreiterstellung und gelten als zentrale Schaltstellen für verschiedenste Abläufe im Unternehmen. Das Problem bei diesem Softwaresystem ist, dass sie die sogenannte „letzte Meile zum Werker”, also die Informationsstrecke vom ERP zum Instandhalter, Prüfer und Monteur, nicht abdecken können. Dies gelingt einzig durch die Digitalisierung mitarbeitergeführter Prozesse mittels Connected Work. Wenig überraschend ist demgegenüber, dass das ERP-System trotz vorherrschender aktueller Nutzung künftig nicht als Tool für den Werker gesehen wird (13 %). Vielmehr sehen die meisten Befragten den größten technologischen Nutzen in mobilen Apps (30 %). Die Befürchtung ist verbreitet, dass die Technologie mit zunehmender Entwicklung den Arbeitsplatz des Frontline Workers überflüssig macht. Wenn sich jedoch, wie die Ergebnisse unserer Umfrage nahelegen, das Anforderungsprofil operativer Mitarbeiter in den kommenden Dekaden mehr in Richtung von konzeptionellen Tätigkeiten verschiebt, ist diese Angst unbegründet. Dann wird es umso wichtiger, dass Fertigungsmitarbeiter ein tiefgreifendes Verständnis der digitalen Tools entwickeln und diese als Verbündete betrachten, die ihre Arbeit effizienter und produktiver machen, Prozesse verschlanken und operative Exzellenz vorantreiben.

Der Werker wird also in den kommenden Jahren keinesfalls vom Shopfloor verschwinden. Allerdings wird sich seine Rolle wesentlich verändern: weg von Standardarbeiten, hin zu konzeptionellen Tätigkeiten. Auf diese Veränderung müssen Unternehmen schon heute reagieren. Dies gelingt mithilfe von speziellen Trainings, die analytische und Software-Skills schulen, mit nutzerfreundlichen digitalen Tools sowie speziellen Anforderungen bei der Neueinstellung. Wesentlich wird die Anpassungsfähigkeit an technologische Veränderungen sein.

Produktionsprozesse noch weitgehend mit Papier – Nur 3 % arbeiten vollständig papierlos

Papier erscheint im Zeitalter der Digitalisierung wie ein Relikt. Auch über 10 Jahre nach der Begriffsdefinition „Industrie 4.0” ist es im Produktionsumfeld allerdings noch immer weitflächig etabliert: Von der Bereitstellung von Auftragspapieren über die Sicherung von Prozesswissen bis hin zur Dokumentation von Qualitätsbefunden spielen beschriftete oder bedruckte Bögen eine große Rolle – das Trägermedium Papier ist bis dato nicht wegzudenken.

Wenngleich sich hinter dem Konzept Connected Work weitaus mehr verbirgt als die reine Digitalisierung von Papierdokumenten, zeigen die Antworten der Befragten, dass Connected Work zwar zunehmend wichtiger, bei Weitem aber noch kein Massenphänomen geworden ist: Nur 3 % der befragten Unternehmen gaben an, bislang vollständig papierlos zu arbeiten, während 18 % ausschließlich mit papierbasierten Prozessen arbeiten. 17 % bezeichnen sich als weitestgehend papierlos und immerhin 62 % sind es teilweise.

Der Großteil der Befragten arbeitet noch papiergestützt, jedoch zeigen die Ergebnisse der Studie klar: Papier ist nicht mehr zeitgemäß und die Arbeit damit mit gewissen Herausforderungen verbunden. Als die drei größten Problemstellungen werden die aufwändige Erstellung und Aktualisierung von Dokumenten (44 %), Datenbeschaffung, Interpretationsaufwand und Archivierung (34 %) sowie nicht-wertschöpfende Tätigkeiten wie manueller Datentransfer (29 %) genannt.

Dabei ist jeweils die gesamte Produktionskette von papiergestützten Prozessen betroffen: Von der Bereitstellung und Anlernung von Wissen, über die Durchführung von Tätigkeiten bis hin zur Dokumentation und Auswertung von Informationen. Einen ausschlaggebenden Grund sich schnellstmöglich von Papier zu verabschieden, bringt das damit verbundene Einsparungspotenzial mit sich: Die Kosten der Zettelwirtschaft liegen bei 25 % der Befragten im fünfstelligen Bereich, bei 5 % sogar bei über 200.000 € pro Jahr.

Mein Zwischenfazit lautet: Unternehmen sehen zunächst Erstellaufwände und Papierkosten als zentrale Gründe für einen Aufbruch in Richtung Connected Work. Doch tiefergreifende Gespräche identifizieren schnell Chancen auf sechs- bis siebenstellige Einsparpotenziale durch die Einführung intuitiver, nahtloser Prozesse auf dem Shopfloor.

Die Zukunft für Unternehmen: „Connected“ sein!

Die Potenziale, die Connected Work ermöglicht, wie Prozesse effektiver zu gestalten und Kostenpunkte drastisch zu senken, hat die Mehrheit der Befragten erkannt. 69 % sehen in Connected Work die Zukunft. Bei 59 % der Teilnehmer werden schon entsprechende Initiativen im Betrieb vorangetrieben. 21 % der Befragten gaben sogar an, einen Connected Work-Beauftragten zu haben, der sich eigens diesem Thema widmet. Dennoch ist das Meinungsbild nicht einheitlich, denn 26 % sehen noch keine Initiativen im Bereich Connected Work in ihrem Unternehmen.

Die Studienergebnisse unterstreichen, dass Connected Work noch nicht überall angekommen ist, sich jedoch zunehmend stark auf dem Shopfloor etabliert. Unternehmen, die mit der Zeit gehen und Connected Work langfristig umsetzen wollen müssen gegenüber den einhergehenden Veränderungen offen sein und sich schon heute dezidiert mit den verschiedenen Lösungen auseinandersetzen. Ein zentrales Ziel sollte es sein, Fachkräfte, die über fundiertes technologisches Wissen verfügen, anzuwerben und eigene Mitarbeiter fokussiert weiterzubilden. Durch dieses Zusammenspiel wird sich die Fertigungsindustrie in den nächsten Jahren maßgeblich verändern.

Ausgewählte Studienergebnisse:

  • Während 18 % rein papierbasiert arbeiten, gaben 3 % der Befragten an, bereits vollständig papierlos zu sein. 17 % bezeichnen sich als weitestgehend papierlos und immerhin 62 % sind es bereits teilweise.
  • Connected Work ist noch kein etabliertes Massenphänomen, doch etwa 70 % der Teilnehmer sehen darin ein Zukunftsfeld und 21 % haben bereits eine spezialisierte Rolle in ihrem Unternehmen dafür geschaffen.
  • Das Tätigkeitsfeld operativer Mitarbeiter wird sich in den nächsten 20 Jahren stark verändern: von Standard- zu Non-Standard-Tätigkeiten. Dies bringt zugleich ein Umdenken mit sich, wie Mitarbeiter zukünftig digital bestmöglich unterstützt werden können.
  • Im Zielbild sehen die Studienteilnehmer mobile Apps als führende Technologien zur Stärkung der Mitarbeiter. Das größte Potenzial von Connected Work liegt den Befragten zufolge in Produktivitätssteigerungen, der einfacheren Dokumenten-Erstellung und -Aktualisierung, in der Sicherung von Prozesswissen sowie einer Verkürzung von Reaktionszeiten zur Problembehebung.
  • Bei der Umsetzung von Connected Work ist ein systematisches Vorgehen essenziell, das die operativen Mitarbeiter weitsichtig einbindet. Zentraler Erfolgsfaktor dabei ist gute Kommunikation.

Die große „Connected Work 2023“-Studie von Operations1 mit erhellenden Ergebnissen, tiefergehenden Insights und einem Appendix zu den Studienresultaten im Detail, findet sich HIER.

Ist seit 2017 CEO und Co-Founder bei Operations1. Er studierte an der TU München und forschte gemeinsam mit seinen Mitgründern am Fraunhofer Institut, wo er auch die inhaltliche Grundlage für die Gründung durch seine Masterarbeit über Werkerinformationssysteme bekam. Mehr unter www.operations1.com.

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