Business Resilience – Widerstandsfähigkeit, aber richtig

Von   Ulrike Volejnik   |  Head of Business Area New Work   |  T-Systems Multimedia Solutions
8. November 2021

Die Widerstandsfähigkeit von Unternehmen, Schocks nicht nur zu absorbieren, sondern sie zum Aufbau von Neuem zu nutzen, war schon immer ein Wettbewerbsvorteil. Einer, der sich in der digitalen Gegenwart nur verstärkt hat. Vor allem in Asien verwandeln führende Unternehmen pandemiebedingte Veränderungen in Chancen für die zukünftige Wertschöpfung. Das liegt auch in den seit langem kultivierten Wurzeln begründet, angesichts von Widrigkeiten und Ungewissheit agil, adaptiv und entschlossen zu handeln.

Neudeutsch beschreibt „Business Resilience” die Fähigkeit eines Unternehmens, über zyklische und strukturelle Veränderungen von Angebot und Nachfrage hinweg weiterhin Gewinn zu erwirtschaften. Und sie wird für viele Unternehmen der Schlüssel zum Überleben, da Covid-19 die Kluft zwischen denjenigen, die an der Spitze der Leistungskurve des wirtschaftlichen Gewinns stehen, und denjenigen, die am unteren Ende stehen, weiter aufgerissen hat.

Willkommen in der VUCA-Welt

Die neue Wirtschaftsrealität ist sprunghafter, unsicherer, komplexer und mehrdeutiger geworden. Unternehmen müssen mehr denn je Entscheidungen unter Risiko und Unsicherheit treffen, kontinuierlich dazulernen und sich anpassen können.

Diese Situation wird häufig als VUCA-Welt bezeichnet. Der Begriff VUCA, ursprünglich ein Terminus der US-Armee aus den 1990er-Jahren, ist ein Akronym für die englischen Wörter Volatility (Volatilität), Uncertainty (Unsicherheit), Complexity (Komplexität) und Ambiguity (Mehrdeutigkeit). Stand VUCA für die Militärs noch stellvertretend für die neue Einsatzrealität der 90er, beschreibt es heute die zunehmenden schwierigen Rahmenbedingungen, innerhalb dererUnternehmen sich bewegen.

Volatilität, also Schwankungen, sahen wir kürzlich in der Kettenreaktion die die Börsen-Berg -und Talfahrt des Videospiel-Einzelhändlers GameStop befeuerte. Die Aktie, weder als Geheimtipp noch als solider Börsenwert gehandelt, wurde in einer auf Reddit [1] verabredeten, konzertierten Aktion von Kleininvestoren nach oben getrieben, um einen Hedgefonds zu schädigen. In der Folge stürzte der Börsenwert erwartungsgemäß wieder ab, nur um kurze Zeit erneut anzusteigen, als viele andere auf den Hype aufsprangen.

Den Faktor Unsicherheit hat jeder von uns in den letzten Monaten am eigenen Leib erlebt. Wie geht es nach dem Lockdown weiter? Wie und in welcher Geschwindigkeit wird die Wirtschaft wieder geöffnet und sich erholen? Kommt ein weiterer Lockdown? Diese Unsicherheit führt zu Zurückhaltung und negativen Erwartungen auf Seiten der Verbraucher*innen und letztlich auch der Entscheider*innen in Unternehmen.

Ein Beispiel für die Komplexität ist der zeitweilige Chip-Engpass in der Automobilindustrie. Er konnte kurzfristig nicht behoben werden, da die Bestellungen auf falschen Annahmen basierten und andere Abnehmer größere Mengen reservierten. Deshalb reichten die durch Corona zeitweise eingeschränkten Produktionskapazitäten nicht aus. Zudem kames aufgrund der wieder anlaufenden Volkswirtschaften zu Logistikengpässen. Und wenn dann noch der Suezkanal verstopft ist…

Eine Mehrdeutigkeit sehen wir bereits länger in der starken Unschärfe bei den Wirtschaftsindikatoren und -prognosen. Eine wahre Kakophonie der Meinungen unterschiedlicher Experten kommt zusammen und verspricht uns mal eineInflation oder warnt vor Stagflation oder gar Deflation. Die Zeitspannen, die noch halbwegs sattelfest vorausgesehen werden können, werden immer kürzer.

Mit VUCA gegen VUCA

Auf den ersten Blick zeichnet VUCA also ein recht düsteres Bild, ist es doch eine makroökonomische Zustandsbeschreibung einer neuen, herausfordernden Realität. Doch die Antwort für Unternehmen könnte ebenfalls VUCA heißen, nur dass das Akronym hier für die Vision (Vision), Understanding (Verstehen), Clarity (Klarheit) und Agility (Agilität) steht.

Resiliente Unternehmen treffen frühzeitig harte, aber eben auch klare Entscheidungen und sind bereit mit Altgedientem zu brechen. Zudem müssen Unternehmen als Antwort auf die neuen Rahmenbedingungen viel schnellere Wandlungszyklen adaptieren. Sie müssen sich schneller bewegen, um entsprechend schnell wieder auf den Wachstumspfad zu gelangen. Das heißt auch, Investitionen nicht einzuschränken, sondern mit Verstand zu reinvestieren.

Natürlich spielt auch digitale Technologie und Vorreiterschaft eine wichtige Rolle. Schon heute setzt jeder dritte digitale Vorreiter im deutschen Mittelstand auf Innovation mit externen Digitalisierungseinheiten. Die meisten dieser agilen„Innovation Hubs” sollen neue digitale Kundenerlebnisse schaffen, das Geschäftsmodell digital transformieren und Disruptionen von außen abwehren.

Trotz aller externen Unplanbarkeit darf am Ende aber eben auch die interne Vision nicht fehlen. Unternehmen benötigeneinen Stakeholder-orientierten Blick auf die Wirtschaft und ihre Entwicklung sowie neue Bedarfe, die dadurch entstehen.

Widerstandsfähigkeit ist nicht gleich Widerstandsfähigkeit

Business Resilience lediglich auf Widerstandsfähigkeit im engeren Sinne zu reduzieren, greift zu kurz, denn damit werfen Unternehmen leider allzu oft den Blick nach innen; auf Selbsterhaltung, Effizienz und Kostensenkung. Das alles sind kurzfristige Effekte, bei denen die Kund*innen fast schon im Weg zu stehen scheinen. Eine langfristige Überlebensstrategie, geschweigenden Wachstumsstrategie, sieht anders aus.

Anpassungsfähigkeit ist ein viel treffenderes Charakteristika des Begriffs, das durch neues Denken, Offenheit, Dynamik, Flexibilität, Geschwindigkeit und Adaptionskompetenz erreicht wird. Dabei muss nicht nur die Produktion oder die eigenen Prozesse anpassungsfähig bleiben, sondern auch der geschäftliche Fokus und die Vision.

Im ersten Schritt müssen Unternehmen weiter daran arbeiten, Silos und Top-Down-Strukturen aufzugeben. Purpose und Kund*innen müssen im Fokus stehen. Und nein, es muss nicht immer alles auf einmal an die neue Wirtschaftsrealität angepasst werden. Unternehmen müssen aber anfangen und am besten in einem Bereich beginnen, der bereits wandelwillig ist. Hier könnten als erstes neue, agile und adaptive Prozesse Einzug halten. Mit ersten Erfolgserlebnissen wird das „Projekt“ dann ausgedehnt. Was erfahrungsgemäß wenig Sinn macht, ist es, wenn Unternehmen gegen Widerstand ankämpfen. Die Mehrheit der Belegschaft kommt nach einiger Zeit freiwillig mit, weil die Neuorganisation einfach besser ist. Am Ende wird es zwar noch Blockierer geben, doch sie werden das Unternehmen freiwillig verlassen. So hart das klingt.

Quellen und Referenzen

[1] https://www.reddit.com/r/wallstreetbets/

Ulrike Volejnik ist seit 2012 Mitglied der Geschäftsleitung der T-Systems Multimedia Solutions GmbH. Seit 2019 verantwortet sie die Business Area New Work von T-Systems. Sie ist Spezialistin für die Identifizierung und Etablierung effizienter Formen der Zusammenarbeit.

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