1. INNOVATIVE TECHNOLOGIE MIT VIEL POTENTIAL
Der Bitcoin ist gleichermaßen faszinierendes Symbol der digitalen Revolution, riskantes Spekulationsobjekt und komplexe Technologie eines Erfinders ohne klare Identität. Die Blockchain Technologie hinter dem Bitcoin weist jedoch viel größeres Potential auf. Smart Contracts sind eine Einsatzform der Blockchain, die neben vielfältigen Einsatzmöglichkeiten auch interessante rechtlichen Fragen aufwerfen.
2. IM NETZWERK SICHER VERKETTET MIT DER BLOCKCHAIN
Die Blockchain stellt ein unikes Verzeichnis sämtlicher in einem Netzwerk ausgeführter Transaktionen dar. Diese sind verschlüsselt und werden vom Netzwerk stets auf ihre Richtigkeit geprüft. Die entstehende Transaktionskette wird nicht auf einem zentralen Rechner gespeichert, sondern an alle Mitglieder des Netzwerkes verteilt. Angreifern wird es somit sehr schwer gemacht, die Kette zu verändern, denn Teilnehmer im Netzwerk können den Fehler sofort bemerken und beseitigen.
3. VERTRAG NACH PROGAMM
Unter Smart Contracts versteht man digital geschlossene und ausgeführte Verträge. Die Vertragsparteien programmieren sie so, dass Leistungen anhand einer Programmlogik erfolgen. Algorithmen erkennen, wann eine Bedingung erfüllt ist, und setzen unmittelbar die verbundene Leistung um („Wenn-dann- Verknüpfung“). Insbesondere Geräte des „Internet of Things“ können mit Smart Contracts verknüpft die Benutzerfreundlichkeit erhöhen: ein geleastes Auto, das nicht fährt, wenn die Leasingrate nicht auf dem Konto des Leasinggebers ist; Wohnungstüren, die sich nur öffnen, wenn die Miete bezahlt wurde; Fahrzeuge, die selbstständig die Tankrechnung zahlen; Kühlschränke, die nach Bedarf Lebensmittel bestellen und bezahlen; oder Versicherungen, die bei Naturkatastrophen automatisch ausgeschüttet werden. Die Blockchain Technologie verspricht dazu die lückenlose Dokumentation der Transaktionsvoraussetzungen und deren Befolgung durch die Vertragspartner, bzw. der für sie handelnden und ausführenden Maschinen.
4. ALTES ODER NEUES RECHT?
So vielfältig die Chancen von Blockchain-basierten Smart Contracts sind, so sehr stehen auch offenen rechtliche Fragen im Raum. Nach deutschem Recht kann eine Willenserklärung bzw. ein Vertrag unter bestimmten Bedingungen wegen Irrtums oder Täuschung angefochten werden (§§ 119 ff. BGB). Wer einen Vertrag schließt, aber etwas anderes erklärt hat, als er subjektiv wollte, kann verlangen, dass er rückwirkend so behandelt wird, als hätte es den Vertrag nie gegeben. Die Blockchain Technologie sieht aber aus Sicherheitsgründen gerade keine nachträgliche Änderung oder Löschung von Transaktionen vor. Ein Vertrag, der einmal in die Blockchain aufgenommen ist, kann demnach nicht genauso bearbeitet werden, wie es das deutsche Recht verlangt. Außerdem kommen Verträge bzw. das Gesetz nicht ohne unbestimmte Rechtsbegriffe aus, deren Sinn und Zweck nur durch menschliche Wertung und Auslegung erfasst werden kann. So sind Verträge oder einzelne Klauseln von vornherein unwirksam, wenn sie gegen die guten Sitten oder ein gesetzliche Verbot verstoßen bzw. die andere Partei unangemessen benachteiligen; Erklärungen von Vertragspartnern müssen nach Treu und Glauben ausgelegt werden; der wirkliche Wille einer Vertragspartei muss erforscht werden, eine Anfechtung ist unverzüglich zu erklären; eine Vertragsstrafe kann nach billigem Ermessen reduziert werden; etc. Ein binär arbeitender Smart Contract kann diese Wertungen nicht treffen. Menschen bzw. Gerichte müssen Verträge überprüfen bzw. es besteht die Gefahr einer fehlerhaften, automatisierten Vertragsauslegung. Vertrauenstatbestände lassen den bloßen Anschein eines Rechtes ausnahmsweise genügen, solange der Vertragspartner sich in gutem Glauben an dieses Recht befindet. Ein gutgläubiger Eigentumserwerb kann beispielsweise auch von einem nur vermeintlichen Eigentümer einer beweglichen Sache (§932 BGB) oder eines Inhaberwertpapiers (§ 367 HGB) stattfinden. Über Signaturen kann die Blockchain Rechte an beweglichen Sachen oder Wertpapieren eindeutig zuordnen (zumindest, wenn die Blockchain auch die zugrundeliegenden Gegenstände eindeutig identifiziert); Vertragserklärungen, die auf dem Rechtsschein einer Vollmacht beruhen, können eindeutig überprüft werden. Smart Contracts können so für mehr Sicherheit im Rechtsverkehr sorgen. Im Streitfall werden über Smart Contracts die Gerichte entscheiden. Entsprechend benötigen automatisierte Vertragsabschlüsse zwischen Vertragsparteien, die sich nicht kennen, in der Blockchain einen eindeutigen Identitätsnachweis (einschließlich einer zustellungsfähigen Anschrift). Nur so wird kann Vertrauen im Rechtsverkehr entstehen, damit automatisierte Vertragsabschlüsse im Internet der Dinge auch tatsächlich funktionieren.
5. SCHON BALD WIEDER VORBEI?
Während Smart Contracts neue Chancen bieten, standardisierbare vertragliche Leistungspflichten sicher zu begründen und abzuwickeln, steigt mit wachsender Rechnerleistunge und der Entwicklung von Quantencomputern die Gefahr eines Angriffes auf die Integrität der Blockchain bzw. des zugrundeliegenden Netzwerkes. Wer eine höhere Rechenleistung generiert als die übrigen Teilnehmer des Blockchain-Netzwerkes, kann dessen Verschlüsselung durchbrechen (sog. „51% Angriff“). Gerade bei kleineren Blockchains ist damit unklar, ob die Transaktionssicherheit gewährleistet ist. Das führt zu der entscheidenden Frage, wer ggf. das Risiko einer Veränderung der Blockchain bzw. des Vertrauens in die Robustheit der Blockchain trägt. Wenn jeder Teilnehmer am Rechtsverkehr auf eigenes Risiko handelt, könnte der Erfolg der Blockchain schneller als erhofft schwinden. Hier wird man kaum ohne Regulierung und Versicherungen auskommen, wenn sich die Smart Contracts und andere Blockchain-basierte Anwendungen erst im Markt verbreitet haben und die ersten Cyber-Krisen auftreten.
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