Blockchain und Klimaschutz – ein unvereinbarer Widerspruch?

Kryptowährungen und die Blockchain-Technologie stehen bisher nicht im Verdacht besonders umweltfreundlich zu sein. Ganz im Gegenteil ist vor allem die prominenteste digitale Währung, der Bitcoin, zurecht als wahre Energieschleuder verschrien. Schließlich verbraucht das Bitcoin-Netzwerk im Jahr in etwa so viel Strom wie ein Land in der Größenordnung von Norwegen. Es gibt jedoch auch Kryptowährungen, die einen anderen Weg gehen und versuchen ihre Netzwerke so energieeffizient wie möglich zu gestalten. Auch gibt es mittlerweile einige vielversprechende Projekte von Unternehmen und Stiftungen, die die Blockchain-Technologie, jenseits von Kryptowährungen, für umweltfreundliche Zwecke einsetzen. In diesem Artikel stellen wir einige dieser auf Klimaschutz ausgerichteten Initiativen vor.
Von   Lars Brünjes   |  Education Director   |  IO Global
21. September 2022

Ein Projekt, das derzeit dabei ist, die Blockchain-Technologie in seine Abläufe zu integrieren, widmet sich dem Recycling. Das Programm Plastic Waste Management des United Nations Development Programme arbeitet daran, das Müllentsorgungsproblem in Indien in den Griff zu bekommen: Von den 15 Millionen Tonnen Plastikmüll, die in Indien jährlich anfallen, wird nämlich nur ein Viertel recycelt. Eine Herausforderung hierbei ist, dass das Recycling-System in Indien nicht standardisiert und einheitlich organisiert ist. Viele Prozesse werden nicht überwacht, Regelungen sind schwammig – das Thema Müllentsorgung fristet ein Schattendasein. Das Projekt versucht hier Licht ins Dunkel zu bringen: Vorrangiges Ziel ist es, die Entsorgung von Plastikmüll nachvollziehbar und nachweisbar zu machen. Die Einführung eines digitalen Dokumentationssystems, das Buch über die entsorgten Mengen führt, soll hier helfen.

Die Schwierigkeit vor Ort liegt darin, dass zahlreiche sehr unterschiedliche Interessensgruppen am Entsorgungsprozess beteiligt sind: Einerseits die indische Regierung, die sich wiederum in 28 kleine Staaten mit eigenen hierarchischen Strukturen gliedert; andererseits Spendengeber aus dem Privat- und Unternehmensbereich und nicht zuletzt die häufig nicht genau erfassten Arbeiter und Sammler, die den Müll schließlich entsorgen. Bei alldem soll die Blockchain-Technologie helfen, eine verlässliche digitale Informationsplattform zu schaffen, um den Weg des Mülls im Entsorgungssystem nachzuvollziehen – und das manipulationssicher und wahrheitsgemäß. Transparenz und Rückverfolgbarkeit sind hier oberstes Gebot. Insbesondere, da plastikproduzierende Unternehmen Ausgleichsabgaben an die Regierung zahlen, steht diese in der Verantwortung, die fachgemäße Entsorgung und Wiederverwendung nachzuweisen. Auf Basis der Blockchain-Technologie arbeiten die Projektverantwortlichen daran, eine effiziente Lösung für die zuverlässige Dokumentation im Abfallwesen zu entwickeln.

Ein weiteres Beispiel für ein auf Nachhaltigkeit ausgerichtetes Projekt ist eine Investment-Plattform, die es Kleinanlegern ähnlich wie beim Crowdfunding erlaubt, in Projekte zum Klimaschutz zu investieren. Größtes Ziel der Plattform ist es, erneuerbare Energien zu fördern und die Verabschiedung von fossilen Energieträgern zu unterstützen. Vor allem kleinere Projekte, die von großen Investoren übersehen werden, profitieren davon. Dabei setzt die Libraproject genannte Plattform auf die Blockchain, um die Anleger über die Fortschritte der Projekte zu informieren: In Live-Reportings können diese die Entwicklung der wichtigsten Kennzahlen in Echtzeit nachverfolgen.

Das Projekt möchte dabei das Image von Blockchain und Kryptowährungen, das von an kurzfristigen Gewinnen orientierten Spekulanten geprägt wurde, hinter sich lassen. Stattdessen verknüpfen die Betreiber die Technologie auf ihrer Plattform mit einer nachhaltigen und langfristigen Anlagestrategie.

Eine andere nachhaltige Investment-Plattform sieht sich selbst als Fintech mit einer Mission. Der Ansatz der Plattform Ekofolio ist es, Wälder als Vermögenswerte für die Kapitalanlage verfügbar zu machen und damit ihren Erhalt zu sichern. Dabei ist die größte Herausforderung, die Liquidität dieser Kapitalanlage sicherzustellen: Da Wälder in der Regel über Jahrzehnte wachsen müssen, bis sie Gewinn abwerfen, sind sie von Natur aus schwer handelbar und für Investoren, die Wert auf die Liquidität ihres Kapitals legen, per se uninteressant. Mit Hilfe von Blockchain-Technologie macht das Projekt die Forstwirtschaft jedoch attraktiver für Anleger: Dies gelingt, indem das Unternehmen Wälder aufkauft und den wirtschaftlichen Wert des Waldes durch Token abbildet. Die Token werden dabei nach einem Prinzip geschaffen, das dem von Kryptowährungen ähnelt und mit der Blockchain-Technologie realisiert wird. Mit den Token können Investoren nun ihre Anteile an dem Wald so einfach wie eine Kryptowährung jederzeit untereinander kaufen und verkaufen.

Eine weitere Initiative, die sich dem Thema Wald verschrieben hat, setzt sich unter anderem in Brasilien und Belize für den Schutz der Regenwälder ein. So unterstützt die Organisation Offsetra dort lokale Projekte und stellt beispielsweise Mittel zur Verfügung, um Waldareale zu bewachen, um sie so vor Raubbau zu bewahren.

Besonders ist die Art des Fundraisings mit dem das Projekt Geld einsammelt. Die Organisation berät Unternehmen und hilft ihnen ihren CO2-Fußabdruck zu berechnen. Die Unternehmen haben dann die Möglichkeit Kompensations-Abgaben zu leisten, um ihre CO2-Bilanz auf diese Weise zu verbessern. Derzeit arbeitet die Initiative eng mit einem Blockchain-Betreiber zusammen, analysiert den CO2-Austoß des Krypto-Unternehmens und berät es dabei, diesen zu verringern und auszugleichen.

Auch wenn die großen Blockchain-Netzwerke und ihre Kryptowährungen nach wie vor viel Energie verbrauchen, steigt in der Branche das Bewusstsein für den Klimaeinfluss. Einige Netzwerke haben die Energieeffizienz sogar in den Mittelpunkt ihrer Arbeit gerückt. Und Initiativen wie die hier vorgestellten, zeigen, dass die Blockchain-Technologie noch zu viel mehr zu gebrauchen ist, als für den Handel von Kryptowährungen.

Dr. Lars Brünjes ist Education Director bei IO Global – dem Entwicklungsunternehmen der Cardano-Blockchain. Lars promovierte in Reiner Mathematik an der Universität Regensburg. Nach einem Postdoc-Jahr an der University of Cambridge (UK) und mehreren Jahren Forschung und Lehre in Regensburg arbeitete er ein Jahrzehnt lang als leitender Softwarearchitekt für mathematische Optimierungssoftware und Webanwendungen in einem internationalen IT-Unternehmen. Seit 2016 ist er bei IO Global.

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