Zurück zum Ex: Rückkehrkultur gegen den Fachkräftemangel

In einer beruflichen Landschaft, die zum einem sehr dynamisch ist, zum anderen mit Fachkräftemangel zu kämpfen hat, müssen Unternehmen einfallsreich sein, um geeignete Talente zu rekrutieren. Die Etablierung einer Rückkehrkultur könnte hierfür eine erfolgversprechende Maßnahme sein. Diese innovative Herangehensweise birgt nicht nur Potenzial für Arbeitnehmende, sondern auch für IT-Unternehmen, die in einer symbiotischen Beziehung von den Vorteilen des Job-Boomeranging profitieren.
Von   Arne Engelbrecht   |  Geschäftsführer der Business Unit Consulting   |  SALT AND PEPPER Holding GmbH & Co. KG
15. April 2024

Karrierelaufbahnen verlaufen selten geradlinig, genauso wie die elliptische Flugbahn eines Boomerangs. Doch im Gegensatz zum Sportgerät wird bei Arbeitnehmenden nicht automatisch vermutet, dass sie nach einer gewissen Zeit wieder an ihren Ausgangspunkt zurückkehren. Doch warum eigentlich nicht? Zwar galt die Rückkehr zum alten Arbeitgeber lange als No-Go, aber zu Zeiten des Fachkräftemangels bildet sich das sogenannte Job-Boomeranging zu einer spannenden Alternative in der Personalstrategie. Mitarbeitende und IT-Unternehmen können zahlreiche Vorteile aus der aufkommenden Rückkehrkultur ziehen. Allerdings müssen verschiedene Faktoren für beide Parteien stimmig sein.

Die derzeitige Knappheit an Fachkräften stellt für viele Unternehmen eine herausfordernde Situation dar. Eine mögliche Maßnahme zur Gewinnung von Fachpersonal kann daher darin bestehen, eine Rückkehrkultur für ehemalige Mitarbeitende zu etablieren.

Laut Aussage unserer aktuellen Studie unterstützen zwei Drittel der Befragten diese Idee, um den Fachkräftemangel einzudämmen. Etwa 25 Prozent der befragten IT-Expert:innen würden nach einer Kündigung definitiv zu ihrem früheren Arbeitgeber zurückkehren, während weitere 42 Prozent dies ebenfalls in Betracht ziehen. Dies deckt sich mit der Einstellung der Arbeitgeber: Fast zwei Drittel der IT-Unternehmen wären bereit, ehemalige Mitarbeitende wieder einzustellen.

 

Rehiring als Gewinn für Unternehmen und Arbeitnehmende

 

Die Auswahl von Alumni im Rekrutierungsprozess birgt zahlreiche Vorteile. Durch die bereits bestehende Bekanntheit zwischen beiden Parteien sind die Stärken und Schwächen des Bewerbenden bereits vertraut. Dies minimiert das Risiko einer Fehlbesetzung für die ausgeschriebene Position. Zusätzlich sind die Ziele und Werte des Unternehmens den ehemaligen Mitarbeitenden schon bekannt. Dies verspricht ein schnelleres und kosteneffizienteres Onboarding, da die Fachkräfte die Arbeitsabläufe nicht neu erlernen müssen – sie können meist sofort mit der Arbeit beginnen. Dies lässt auch eine höhere Produktivität von Beginn an zu.

 

Auch in den Bereichen Imagebildung und Kostenminimierung entstehen beim Prozess des Rehiring klare Vorteile: Unternehmen können sich als offene und attraktive Arbeitgeber auf dem Markt positionieren, die Ex-Mitarbeitende gerne wieder aufnehmen. Zusätzlich können die Ausgaben für Personalbeschaffung und Einarbeitung minimiert werden, da offene Positionen rascher mit bereits bekannten Mitarbeitenden besetzt werden können.

Neben dem ressourcenschonenden Onboarding birgt die Rückkehrkultur auch weitere Vorteile für Arbeitgeber sowie für Arbeitnehmende. Denn auch, wenn Unternehmen ihre Top-Talente erst einmal ungern gehen lassen, können sie bei einer erneuten Anstellung von deren neu erworbenem Fachwissen profitieren. Die Rehires haben zudem die Möglichkeit, außerhalb des Unternehmens Erfahrungen zu sammeln und sich weiterzuentwickeln. Bei ihrer Rückkehr können sie darauf vertrauen, bei ihrem früheren Arbeitgeber wieder willkommen zu sein. Persönliche Leistungen und bisherige Fähigkeiten sind bereits bekannt und geschätzt.

 

Was zum Ex-Arbeitgeber zurück lockt

 

Sicherheit und Flexibilität gehören laut Survey zu den Schlüsselkriterien, die einen Arbeitgeber attraktiv machen. Dies sind wesentliche Punkte, die auch eine große Rolle in der Entscheidung spielen, ob die Rückkehr zum alten Arbeitgeber potenziell wieder denkbar ist.

Eine angemessene Bezahlung ist laut unserer Umfrage 65 Prozent der Befragten ist wichtig. Flexible Arbeitszeiten und -orte sind für 55 Prozent der Teilnehmenden entscheidende Kriterien für die Wahl des Arbeitgebers.

Ein weiterer wichtiger Faktor für die Attraktivität des Unternehmens ist ein positiver Teamgeist: 47 Prozent wünschen sich bei ihrer Rückkehr in einem effektiven und freundlichen Umfeld zu arbeiten. Eine vertrauensvolle Unternehmenskultur, sowie die Möglichkeit beidseitiges konstruktives Feedback äußern zu können, spielt für 40 Prozent der Befragten eine zentrale Rolle.

Mit zunehmendem Alter steigt die Wertschätzung für eine angemessene Vergütung und eine unbefristete Anstellung, während flexible Arbeitszeiten unabhängig von der Altersgruppe relevant bleiben. Besonders die 45- bis 54-Jährigen (64 Prozent) betonen die Bedeutung von Flexibilität in Bezug auf Arbeitszeit und -ort. Unter den befragten IT-Fachkräften wird eine gerechte Bezahlung mit 55 Prozent Zustimmung als der entscheidende Faktor betrachtet, gefolgt von flexiblen Arbeitszeiten und -orten (53 Prozent). Diese Elemente haben dementsprechend einen erheblichen Einfluss auf die Bereitschaft ehemaliger Mitarbeitender, zu einem Unternehmen zurückzukehren, und sollten daher integraler Bestandteil ihrer HR-Strategie sein.

 

Moderne Technologien essenziell für die Entscheidungsfindung

 

Besonders durch New Work wird jedoch auch ein weiterer Faktor zunehmend entscheidend für die Attraktivität von Arbeitgebern und damit auch für eine effektive Rückkehrkultur: der Einsatz moderner Technologien wie künstliche Intelligenz (KI). Denn speziell junge Fachkräfte legen großen Wert auf eine ausgewogene Work-Life-Balance. Sie spüren den Druck, aufgrund des Wettbewerbsdrucks und des Arbeitskräftemangels, gleichzeitig flexibel und effizient arbeiten zu müssen. Einer Thrivemyway-Studie zufolge führt diese steigende Belastung zu einem Produktivitätsverlust von 68 Prozent. Dies wiederum kann einen höheren Krankenstand und eine erhöhte Fluktuation zur Folge haben.

Eine kontinuierliche Überlastung steht somit im Konflikt zu einer erfolgreichen Boomerang-Karriere. Die Einführung geeigneter Tools ist daher entscheidend, um Mitarbeitende zu entlasten und sie in ihrer neuen Rolle zu stärken – dies gilt gleichermaßen für Rückkehrer:innen wie für Neueinsteiger:innen. Dieser Aspekt ist unerlässlich, um Arbeitsplätze attraktiv zu gestalten und sich langfristig im Wettbewerb um neue sowie zurückkehrende Talente zu behaupten.

 

Wichtige Faktoren der Rückkehrkultur

 

Damit aber in der Zukunft überhaupt ein erneutes Onboarding zustande kommen kann, braucht es verschiedene Maßnahmen, die bereits beim Offboarding starten. Der Ausstieg aus dem Unternehmen sollte mehr beinhalten als die Kündigungsbestätigung, Planung des Resturlaubs und der offiziellen Verabschiedung. Folgende Punkte können ein Offboarding in Hinblick auf ein Comeback positiv beeinflussen:

 

  • #Feedback: Ein konstruktives Exit-Gespräch gepaart mit einem respektvollen Umgang und einer freundlichen sowie einvernehmlichen Trennung sind eine gute Voraussetzung für den möglichen Auftakt eines späteren Boomerang-Hirings.

 

  • #Transparenz: Eine Aufarbeitung der Kündigungsgründe bedarf bei der Rückkehr der Boomerang-Mitarbeitenden einer Offenheit. Ungeklärte Themen, die beim Offboarding noch nicht zur Sprache kamen, sollten für einen Neustart bereinigt werden.

 

  • #Talentpool: Kontakt mit ehemaligen Mitarbeitenden zu halten ist das A und O für eine Rückkehrkultur. Lohnende Instrumente sind dabei Talentpools und Alumni-Netzwerke. Innerhalb dieser Tools hat die Personalabteilung die Möglichkeit, qualifizierten Ehemaligen geeignete Positionen zu empfehlen. Unternehmen können dort zudem im regelmäßigen Austausch mit potenziellen Rückkehrer:innen bleiben und somit die Möglichkeit für einen Neuanfang stets offen halten.

 

Job-Boomeranging als erfolgsversprechende HR-Strategie

 

Die steigende Akzeptanz der Rückkehr zum vorherigen Arbeitgeber erweist sich im anhaltenden Fachkräftemangel als vorteilhafte Recruiting-Maßnahme für Unternehmen und Mitarbeitende gleichermaßen. Es entsteht beidseitig eine erfolgsversprechende Situation, die den Unternehmen effizientes Onboarding ermöglicht und die Recruitingkosten senken kann. Mitarbeitende können sich auf ein Wissen um ihre Fähigkeiten und Eigenschaften freuen.

Die Rückkehrkultur wird somit zu einem vielversprechenden Schlüssel für erfolgreiches Recruiting für beide Seiten. Das überholte Vorurteil, nicht zum früheren Arbeitgeber zurückzukehren, sollte sowohl von Arbeitnehmenden als auch Unternehmen überdacht und hinter sich gelassen werden.

Dr.-Ing. Arne Engelbrecht ist seit 2016 Geschäftsführer der Business Unit Consulting der SALT AND PEPPER Gruppe. Diese Einheit begleitet Unternehmen in die Zukunft der Arbeit. Sie kombiniert agile Methoden mit dem Potenzial der KI über den Einsatz großer Sprachmodelle (LLM) wie ChatGPT im Business.

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