Augmented und Virtual Reality: Wegbereiter für höhere Nachhaltigkeit

Von   Partha Ghosh   |  Head of Consulting, Digital Experience, Europe   |  Infosys
14. November 2023

Der Klimawandel ist die „Krise unserer Zeit“. Es sind kollektive Maßnahmen notwendig, um die Erde vor dem Abgrund zu bewahren. Es gibt bereits viele neue Anwendungen und Anwendungsfälle für Augmented/Virtual/Mixed/Extended Reality (AR/VR/MR/XR) in verschiedenen Lebensbereichen. Zusätzlich findet eine umfangreiche Forschung statt, AR/VR zu nutzen, um das Verhalten der Menschen zu verändern und so die Krise zu bewältigen. Ziel ist es, das Bewusstsein für den Klimawandel zu stärken, über die Herausforderungen für unseren Planeten aufzuklären sowie Präventionsprojekte auszuweiten.

Die Europäische Kommission stellte fest, dass die Informations- und Kommunikationstechnologiebranche (IKT-Sektor) einer der am schnellsten wachsenden Sektoren bei der Emission von Treibhausgasen und Energiemanagement ist. Interessanterweise spielt er aber auch eine entscheidende Rolle für den grünen Wandel. Denn die ITK-Branche hat mit Werkzeugen und Plattformen die Art und Weise verändert, wie wir kommunizieren oder geschäftliche Transaktionen durchführen. Sie bietet virtuelle Verbindungen und Interaktionen und reduziert somit die Notwendigkeit des Reisens.

Außerdem ist die Branche führend in seinem Engagement, sich an energieeffiziente Praktiken durch kontinuierliche Selbstinnovation und Adoptionszyklen anzupassen. Dabei weitet sie diese Innovationen auf andere Branchen aus und unterstützt diese durch kontinuierliche Fortschritte in Bereichen wie AR/VR energieeffizienter zu werden.

 

Einsatz für die Nachhaltigkeit fest im Fokus

 

Der Einsatz von AR/VR zur Verbesserung der Bildung ist nicht neu und hat sich dort mit dem Aufkommen von Covid-19 beschleunigt. Dennoch ist es noch ein weiter Weg, um die digitale Distanz zu überbrücken, die die Zielgruppen und Gemeinschaften von Ressourceneignern wie Finanzierungsorganisationen oder etablierten Unternehmen des Privatsektors, Innovatoren oder Lösungsanbietern, trennt. Eine vollständige digitale Inklusion und eine Massenbewegung in Richtung Nachhaltigkeit ist momentan noch im Anfangsstadium. Wissenschaftler der Arizona State University, der Northern Arizona University, der University of Arizona und der University of Colorado Boulder haben gemeinsam das VR-Tool Polar Explorer entwickelt, das Studenten eine interaktive Erfahrung mit simulierten Exkursionen in die Arktis bietet. Damit sollen sie ein Gefühl für den Klimawandel bekommen und zum Handeln angeregt werden. Das Tool macht die finanziellen Mittel oder die körperliche Fitness für eine Reise in die Arktis überflüssig.

Von den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung (SDGs), die die Abteilung für wirtschaftliche und soziale Angelegenheiten der Vereinten Nationen aufgestellt hat, bezieht sich Ziel Nr. 9 auf „Industrie, Innovation und Infrastruktur“. Länder und politische Entscheidungsträger auf der ganzen Welt konzentrieren sich darauf, alle AR/VR-getriebenen Veränderungen und Innovationen in den Mainstream zu bringen. Im Rahmen der sich rasch entwickelnden Politik werden immer mehr Ressourcen, Tools und Projekte demokratisiert, damit sich diese AR/VR-Anwendungen stärker auf menschliche Emotionen, Empfindungen und Verbindungen ausrichten. Ein Beispiel dazu: Wenn eine Person die Fällung eines Baumes in VR erlebt – er spürt, wie die Kettensäge vibriert und hört, wie der Baum zusammenbricht – dann ist dieser viel eher bereit, Papier zu sparen. Diese Demokratisierung beschleunigt es, immersiver Bildungserlebnisse zu schaffen. Ein schönes Beispiel dafür ist auch die Verwendung von AR/VR zur Erstellung virtueller Touren durch gefährdete Lebensräume. Die Touren ermöglichen es den Menschen, diese Umgebungen zu erkunden und über sie zu lernen, oder zeigen Installationen, die die Auswirkungen des Klimawandels auf bestimmte Regionen oder Ökosysteme aufweisen.

Konventionelle Projekte, die nicht auf ITK basieren, können zu einer Verschlechterung der Umwelt führen. Diese traditionellen Praktiken lassen sich durch digitale, von AR/VR unterstützte Dienste ersetzen oder optimieren – und so die Treibhausgasemissionen verringern. In dem Maße, in dem die Technologie allgegenwärtig ist und bessere Möglichkeiten für das Streaming von Filmen auf Smartphones und VR-Headsets bietet, ist beispielsweise eine Verringerung der unterhaltungsbezogenen Reisen zu erwarten, die erheblich zur Luftverschmutzung beitragen. Ebenso reduzieren immersive Erlebnisse, die Reiseerfahrungen und zielgerichtete Treffen mit VR simulieren, das Fliegen zu Urlaubs- oder Geschäftszwecken – und die Treibhausgasemissionen erheblich. Der Branchenverband Global e-Sustainability Initiative konzentriert sich darauf, die Ziele für eine nachhaltige Entwicklung zu erreichen. Er schätzt, dass die IT-Branche derzeit das 1,5-fache ihres eigenen CO2-Ausstoßes einspart – dieser Wert könnte bis 2030 auf fast das Zehnfache steigen.

 

Investitionen von Bildungseinrichtungen erreichen neuen Höchststand

 

Die Investitionen der Bildungseinrichtungen in diesem Bereich haben einen neuen Höchststand erreicht, um die Vision der politischen Veränderungen zu verwirklichen. Das Virtual Human Interaction Lab der Stanford Universität, dass es seit fast zwei Jahrzehnten gibt, steht an der Spitze der Forschung, um wirkungsvolle psychologische Prozesse und Verhaltensanreize zu ergründen, damit Menschen VR/AR für eine nahezu perfekte digitale Erfahrung einer realen Situation nutzen. Sie führte eine Feldstudie an 17 Standorten in den USA, Kanada, Großbritannien und Dänemark durch, um die Auswirkungen einer VR-geführten Erfahrung über die Versauerung der Ozeane auf die Teilnehmer zu untersuchen. Ozeanversauerung ist die zunehmende Aufnahme von CO2 durch das Meerwasser, was zu einem Absinken des pH-Werts führt und sich auf das Leben im Meer auswirkt. Das Experiment wurde in Museen, Aquarien und Spielhallen durchgeführt, wo das Publikum eine immersive Erfahrung der durch die Ozeanversauerung verursachten Schäden machte. Es wurde festgestellt, dass die Teilnehmer die Risiken der Ozeanversauerung als hoch einschätzten und eher bereit waren, sich für den Klimaschutz zu engagieren, um den Gefahren entgegenzuwirken.

In ähnlicher Weise bietet das Harvard Innovation Labs AR/VR Studio seinen Studenten verschiedene Ressourcen, darunter Geräte zur Anzeige und Produktion von Inhalten sowie Ausrüstung und Software. Sie ermutigen und leiten die Studenten in offenen Sitzungen und Workshops an, die Technologie zu erforschen und Ideen für Anwendungsfälle zu entwickeln, die immersive Erlebnisse oder Szenario basierte Simulationen liefern könnten.

 

Die Reichweite erhöht sich weiter

 

Technokraten schaffen neue Erfahrungen und richten sich bewusst an ein breites und vielfältiges Publikum, um die Reichweite zu erhöhen. Sie personalisieren Veranstaltungen, um individuelle Vorlieben zu bedienen, und machen diese Technologien dadurch integrativer und allgegenwärtiger.  AR/VR lassen sich als Hilfsmittel einsetzen, um eine Perspektive auf verschiedene Lebenserfahrungen zu vermitteln, die sonst unmöglich zu projizieren oder zu verstehen ist. Dies kann das Einfühlungsvermögen verbessern und eine Veränderung des Sozialverhaltens bewirken. Die Technologie dient auch als leistungsfähiger Kommunikationskanal für unterprivilegierte Gemeinschaften. Sie sind so in der Lage, sich zu beteiligen und ihre Stimme zu Themen wie humanitäre Anliegen oder Umweltprobleme zu erheben.

Zudem können AR/VR-Lösungen soziale Diskriminierung wie sexuelle oder rassistische Vorurteile bekämpfen, indem sie neue Unterstützungssysteme oder Wege schaffen, die Barrieren abbauen. Durch eine vereinfachte Mensch-Maschine-Interaktion lässt sich eine Welt (er-)schaffen, die inklusiver, fairer und zugänglicher ist. Forscher und Technologen investieren kontinuierlich in neue Anwendungen in diesem Bereich, die die Art und Weise verändert, wie Menschen leben, arbeiten und lernen.

Partha Ghosh leitet in seiner aktuellen Rolle die Beratung in Europa für Digital Experience bei Infosys. Er verfügt über fast drei Jahrzehnte Erfahrung in den Bereichen Online- und Omnichannel-Commerce, Retail, Bankwesen sowie BPM und Enterprise Application Integration und liefert geschäftskritische Ergebnisse.

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