Künstliche Intelligenz erfolgreich einführen: Gestaltungsansätze für das Change-Management in Unternehmen

12. Mai 2021

Künstliche Intelligenz (KI) bietet Unternehmen großes Potenzial. Sie kann Beschäftigte entlasten, ob am Schreibtisch durch intelligente Softwares, oder in der Prouktion durch selbstlernende Roboter. Außerdem können große Datenmengen und darüber neue Geschäftsmodelle erschlossen und Arbeitsprozesse verschlankt werden. In einer Arbeitswelt, in der Mensch und KI-Systeme produktiv und menschengerecht zusammenwirken, müssen die jeweiligen Stärken der Beschäftigten und der Technik gleichermaßen bestmöglich genutzt werden.
Damit diese Vision Realität werden kann, bedarf es vor allem des Vertrauens in und der Akzeptanz der KI-Systeme. Diesem Vertrauen stehen Unicherheiten in Unternehmen und Zweifel vieler Beschäftigten entgegen. Sie sorgen sich um ihren Arbeitsplatz oder fürchten von KI-Systemen fremdgesteuert oder überwacht zu werden. Deshalb sollten Unternehmen in enger Kooperation sowohl die Beschäftigten als auch ihre Interessenvertretungen zu Gestaltern des technologischen Wandels machen, um die Potenziale der KI-Technologie nutzbar zu machen. Ein zentraler Aspekt ist dabei eine verbindliche, frühzeitige und kontinuierliche Einbindung der Beschäftigten und der Mitbestimmungsträger. Somit kann KI zu einer effizienten, produktiven sowie gesundheits- und lernförderlichen Arbeit beitragen.

Die meisten Unternehmen sind mit der Einführung neuer Technologien vertraut, wobei sie sich auf bestehende Instrumente des Change-Managements und gesetzliche Strukturen stützen können. Dennoch ist Künstliche Intelligenz eine Technologie mit einzigartigen Charakteristika und eröffnet so auch neue Herausforderungen für Veränderungsprozesse: Besonders die Fähigkeit, daten- und informationsbasierte Entscheidungsempfehlungen zu treffen sowie sich selbsttändig weiterzuentwickeln, wirft Fragen hinsichtlich der Transparenz und Fairness sowie für die Arbeitsorganisation, die Mensch-Maschine-Arbeitsteilung, die Handlungsspielräume von Beschäftigten oder Verantwortungszuschreibungen auf.

Kompass für KI: Wie Veränderungsprozesse gelingen

Durch ein gutes Change-Management wird der Einsatz von KI-Systemen sowohl für das Unternehmen als auch die Beschäftigten zum Erfolg. Der Change-Prozess kann in vier Phasen unterteilt werden, wie unser Whitepaper der Plattform Lernende Systeme [1] zeigt. Ausgehend von der Zielsetzung und Folgenabschätzung, über die Planung und Gestaltung sowie die Vorbereitung und Implementierung bis hin zur Evaluation und kontinuierlichen Anpassung können die folgenden Ansatzpunkte den Verantwortlichen in Unternehmen sowie deren Beschäftigten als Kompass für ein gelingendes Change-Management dienen.

In Phase 1 Zielsetzung und Folgenabschätzung – gilt es, frühzeitige Zusammenarbeit aller Verantwortlichen im Unternehmen zu organisieren. Zielsetzung und Zweck des KI-Systems sollten vor der Einführung definiert und vereinbart werden. Vor der Einführung der KI-Systeme empfiehlt es sich, eine sorgfältige Potentialanalyse und Folgenabschätzung einschließlich (gesundheitlicher) Verträglichkeitsprüfungen (Usability, Safety und Security) durchzuführen. Voraussetzung dafür ist ein hohes Maß an Transparenz über die KI-Anwendung, die von den Anbietern eingefordert werden muss. Denn nur das Wissen über die Wirkungsweise lässt die notwendige Einschätzung der so genannten Kritikalität durch eine betriebliche Folgenabschätzung zu. Die Kritikalität beschreibt dabei zum Beispiel das Maß der Autonomie des Systems und somit die Frage der Regelungstiefe. Dazu sollte vor der Einführung klar sein, wie sich die KI auf die Zahl und Qualität der Arbeitsplätze auswirkt. Hier kann es zu Zielkonflikten kommen, so dass die Beschäftigten und die betriebliche Interessenvertretung von Anfang an eng eingebunden werden sollten. Unternehmen können vor einer KI-Einführung beispielsweise gemeinsam mit den Beschäftigten, Führungskräften und Betriebsräten verbindliche KI-Richtlinien entwickeln, um die Gelingensbedingungen zu verbessern und die Akzeptanz für die Anwendung zu erhöhen.

In Phase 2 Planung und Gestaltung – steht der Schutz des Einzelnen im Vordergrund: Die Gestaltung der Mensch-Maschine-Interaktion sollte eine sinnvolle Arbeitsteilung und förderliche Arbeitsbedingungen als Zielsetzung begreifen. Die Erhebung und Analyse von Belastungsprofilen können dabei unterstützen, die Mensch-Maschine-Interaktion widerspruchsfrei zu gestalten. Für die Gestaltung des KI-Einsatzes sollten über Betriebsvereinbarungen beispielsweise wichtige Fragen zum Umgang mit personenbeziehbaren Daten geregelt werden.

In Phase 3 Vorbereitung und Implementierung – kommt es ganz auf eine frühzeitige Kompetenzentwicklung als Schlüssel des Change-Managements an: Fachkompetenzen werden hier mit übergreifenden Kompetenzen verknüpft; die aus der KI-Anwendung und dem Anwendungsbereich abgeleitet werden müssen. Auch dies ist ein wichtiges Element der betrieblichen Folgenabschätzung. Für die Arbeitsorganisation empfiehlt es sich, Handlungsspielräume für Beschäftigte zu erhalten oder zu erweitern und weiterhin sinnstiftende Tätigkeiten zu ermöglichen. Dazu sollten Verantwortungszuschreibungen und Haftungsfragen frühzeitig und eindeutig geklärt werden. Vor der flächendeckenden Einführung der KI-Systeme sollten Erfahrungswerte in Pilot- und Experimentierphasen gesammelt und bewertet werden.

In Phase 4Evaluation und Anpassung – gilt es schließlich, den Einsatz der KI-Systeme zu überprüfen und anzupassen: Die Ergebnisse aus Pilotphasen können für die Evaluierung genutzt und erforderliche Anpassungen vorgenommen werden. Aufgrund des selbstlernenden Charakters der lernenden Systeme sollten kontinuierliche Evaluierungsprozesse geschaffen und eine lebendige Feedbackkultur etabliert werden.

Deutsche Unternehmen weisen bereits einige Erfahrung mit Veränderungsprozessen auf. Die Einführung von KI in den Betrieben erfordert jedoch eine Weiterentwicklung von partizipativen Ansätzen, die nicht nur punktuell, sondern ebenso lernend – wie lernende KI-Systeme selbst – und daher präventiv und kontinuierlich ausgerichtet werden sollten.

Referenzen und weiterführende Literatur:

[1] https://www.plattform-lernende-systeme.de/files/Downloads/Publikationen/AG2_Whitepaper_Change_Management.pdf

[2] https://www.plattform-lernende-systeme.de/ag-2.html

Prof. Dr. Sascha Stowasser ist Leiter des ifaa – Institut für angewandte Arbeitswissenschaft. Er forscht intensiv zum Thema Arbeit der Zukunft und untersucht technische, organisatorische und kulturelle Fragen der Veränderungen in der Arbeitswelt. Zudem ist er Mitglied der Plattform Lernende Systeme.

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