Coachability als Grundvoraussetzung für lebenslanges Lernen

Von   Fabian Niedballa   |  Geschäftsführer   |  Sharpist GmbH
17. Januar 2021

Im Sport werden Trainer:innen als Ikonen gefeiert und für den Erfolg, aber auch Misserfolg von Teams verantwortlich gemacht. Das greift natürlich etwas kurz, denn gute Trainer:innen allein sind kein Garant für zufriedenstellende Ergebnisse. Aber es zeigt, welche elementare Rolle sie erfüllen, um Leistungen von Sportler:innen zu verbessern. Ohne Coaching geht im Sport nichts. Die Frage liegt nahe, warum sich zum Beispiel die Arbeitswelt nicht stärker davon inspirieren lässt. Coaching und Weiterbildung der Mitarbeitenden können essentiell dabei helfen, Talente zu fördern, die nachhaltig auf den Erfolg des gesamten Unternehmens rückwirken. Coaching als Schlüssel zum Erfolg – aber wo fängt Coaching an?
Zunächst ein Blick darauf, was erfolgreiches Coaching ausmacht:  40% der Wirkung von Coaching ist von der Bereitschaft der Lernenden abhängig. Das ist das Ergebnis einer Studie von McKenna & Davis aus dem Jahr 2009 mit dem Titel „Hidden in Plain Sight“: The Active Ingredients of Executive Coaching“, die Ergebnisse aus der Psychotherapie mit dem Coaching von Führungskräften verknüpfte. Das lässt eine wichtige Erkenntnis zu: Coaching fängt bei einem selbst an und münzt in der Frage: Was muss der Einzelne tun, um für sich den optimalen Nutzen aus einem Training zu ziehen?

Die Antwort darauf lautet Coachability. Coachability ist die Fähigkeit sich coachen zu lassen und offen lernfähig zu sein. In der Schule oder im Sport schiebt man Misserfolge oft auf eine angebliche Inkompetenz des:der Lehrer:in oder Trainer:in. Doch mittlerweile wissen wir, selbst der:die beste Lehrer:in kann dem:der Schüler:in nicht zu guten Noten verhelfen, wenn diese:r nicht gecoacht werden möchte.

Coachability ist eine Kombination von bestimmten Denk- und Verhaltensweisen, die es zu verinnerlichen gilt. Sie helfen, lernfähig zu sein und Feedback und Ratschläge konstruktiv anzunehmen und umzusetzen. Die Voraussetzung hierfür ist eine mentale und emotionale Offenheit und Aufgeschlossenheit, um die Wirkung des Coachings konsequent zu beobachten und dauerhaft anzunehmen. Ist diese Grundvoraussetzung geschaffen, ergeben sich schnell langfristige Effekte. Personen, die für sich selbst die Vorteile des lebenslangen Lernens erkennen, können dann auch ohne Trainer:in weiter wachsen. Dann wird jede Erfahrung, die man im privaten und beruflichen Alltag macht, Teil des Lernens, mit dem wir das persönliche Wachstum und die Veränderung in uns selbst vorantreiben. Selbstreflexion oder Feedback von Kolleg:innen, Vorgesetzten und Mentoren sind dabei wichtige Bausteine, ebenso wie die Notwendigkeit, sich mit den eigenen Defiziten auseinanderzusetzen, um sie entweder zu verbessern oder zu akzeptieren.

Die gute Nachricht: Coachability können wir lernen. Gemeinsam mit einem Coach aus unserem Team haben wir hierzu vier Schritte ausgearbeitet.

1.Schritt: Den Kopf auf null zurücksetzen
Zu Beginn empfiehlt es sich, offen und aufgeschlossen zu sein und sein Denken von Vorurteilen oder festgelegten Ansichten zu befreien. Das jeweilige Thema, in dem eine Weiterbildung erfolgen soll, muss unvoreingenommen angegangen werden, um gut in den Prozess zu starten. Auch Fachkenntnis und Ego fungieren oft als Scheuklappen und hindern uns daran, unser immenses Entwicklungspotenzial zu erkennen. Das liegt auch daran, dass man gewohnt ist, auf alles immer eine Antwort wissen zu müssen. Antworten wie „Ich weiß es nicht“, oder „interessante Frage, lassen Sie mich darüber nachdenken“ werden von Vorgesetzten oft nicht akzeptiert oder als Schwäche angesehen. Doch genau hier sollte ein Umdenken stattfinden. Denn oft ist es förderlich, sich zuerst eingängig Gedanken über eine Frage zu machen und sich zu informieren, bevor man Entscheidungen auf Basis eines gefährlichen Halbwissens trifft.

2.Schritt: Die eigene Verantwortung erkennen und sich an die Arbeit machen

Im zweiten Schritt geht es darum zu erkennen, dass man selbst für seine Erfolge verantwortlich ist und man sich eigenständig an die Arbeit machen muss, um seine Pläne in die Tat umzusetzen und sich weiterzuentwickeln.
Die Fähigkeiten der Trainer:innen sind nicht der Hauptfaktor für den Erfolg der Lernenden. Viel wichtiger sind nämlich das Engagement und die Leistungsbereitschaft der Person selbst. Sie muss selbst das Ziel haben zu wachsen, sich weiterzuentwickeln und sich zu verbessern.

Nehmen wir ein Beispiel aus dem Alltag. Ein:e Sportler:in möchte noch fitter werden und sucht sich daher eine:n Trainer:in. Im ersten Beratungsgespräch teilt er:sie dem:der Trainer:in seine:ihre Ziele mit und hört sich seine:ihre Ratschläge an. Er:sie verlässt das Studio und kommt, ohne in der Zwischenzeit etwas dafür getan zu haben, zum nächsten Training wieder. Mit großer Wahrscheinlichkeit hat er:sie keine Fortschritte erzielt und ist auf dem gleichen Stand wie zu Beginn. Wir können unseren Coach nicht um ein bestimmtes Ergebnis bitten und Erfolge erwarten, ohne uns selbst an uns zu arbeiten. Im Bereich der körperlichen Fitness ist dies bereits klar. Auf allen anderen Gebieten, in denen Weiterbildung bedeutsam ist, besteht hingegen noch Aufklärungsbedarf. Trainer:innen sollten als Strategen gesehen werden. Sie leiten uns während eines Coachings an und sind dementsprechend ein wichtiger Teil und Faktor. Die Ausführung muss jedoch letztendlich von jedem selbst erbracht werden.

3.Schritt: Der Blick in den Spiegel, um Schwachpunkte zu erkennen

Der:die Trainer:in ist also als Stratege wertvoll und unabdingbar in einem Coaching. Auch hier hilft ein Beispiel aus dem Sportbereich: Michael Jordans Trainer Phil Jackson hat dem Basketballspieler nicht zum Erfolg verholfen, weil er ein besserer Spieler war, sondern weil er ihm geholfen hat, seine Schwachpunkte zu erkennen und daran zu arbeiten. Nur aufmunternde Worte eines Coaches sind nicht genug. Er:sie muss Defizite ehrlich aufzeigen und helfen, diese zu verbessern. Menschen haben oft Angst, sie seien nicht gut genug, in dem was sie tun und auf Defizite hinzuweisen, wird als Niederlage betrachtet. Doch genau das ist die notwendige Voraussetzung, um lernfähig zu sein – offen, angreifbar und bereit sein, sich mit sich selbst zu befassen.

  1. Schritt: Im Prozess präsent sein und genug Raum schaffen

Coaching geschieht im Hier und Jetzt. Zu sehr denken viele schon am Anfang nur an das Ziel, dabei ist der Weg entscheidend. Das liegt auch daran, dass gerade im Bereich der beruflichen Weiterbildung zu wenig Bedeutung und Raum auf Coaching gegeben bzw. auch genommen wird. Coachings werden auch heutzutage immer noch zu oft zwischen Termine eingeschoben, nicht vor- und nachbereitet. Coaching ist ein Prozess, der viel Aufmerksamkeit verlangt, um erfolgreich zu sein. Ausreichend Raum dafür ist wichtig, um die Ratschläge der Coaches anzunehmen, sie zu verinnerlichen, Feedbackgespräche zu führen und sich so langfristig weiterzubilden.

Schlussendlich lässt sich eines sagen: Die Fähigkeit, offen auf Coachingsituationen zuzugehen und den Willen zu entwickeln, Weiterbildung auch als Arbeit zu verstehen, führt am Ende dazu, lebenslanges Lernen zu verinnerlichen.  Dafür sollten wir alle erkennen, dass erfolgreiches Coaching ein Zusammenspiel ist und vor allem das beidseitige Engagement von Coach und Lernendem – aber auch den dahinterstehenden Organisationen – voraussetzt, um zu funktionieren.

 

ist Gründer und COO bei Sharpist. Er schloss sein Studium an der Bocconi Wirtschaftsuniversität mit einem Master of Science ab und war dann bei der Management Beratung L.E.K tätig. Als Head of Sales und Supply Operations war er am Wachstum der Plattform Get Your Guide beteiligt.

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