Zeit ist Geld. Das wusste schon Benjamin Franklin. Einen Beitrag zum Thema Digitalisierung mit einem Zitat eines Verlegers und Druckers zu beginnen, entbehrt mit Sicherheit nicht einer gewissen Ironie. Aber Franklin als Erfinder und Staatsmann strebte natürlich auch nach Fortschritt. Wenn er also in heutiger Zeit leben würde, wäre er sicherlich auch einer der ersten, der die Digitalisierung mit vorantreibt.
Damit würde er ganz im Sinne vieler Unternehmen handeln. „Die Mehrheit der deutschen Großunternehmen versteht unter digitaler Transformation […] die Digitalisierung des bestehenden Geschäftsmodells und analoger Prozesse.“[1] Durch digitale Prozesse können Unternehmen nicht nur Zeit, sondern auch Geld einsparen. Und besonders Abteilungen, die schon allein aufgrund ihrer Funktion auf Geldeinsparungen großen Wert legen, können durch Prozessdigitalisierung Zeit, Geld und auch die Nerven der Mitarbeiter sparen. Die Rede ist von Buchhaltungen und Einkaufsabteilungen. In ihrer täglichen Arbeit geht es häufig darum, den Überblick über Fristen und Zahlungsziele von Rechnungen zu behalten – und eben dadurch Geld einzusparen. Und genau an diesem Punkt unterstützt eine Lösung wie eine digitale Eingangsrechnungsverarbeitung enorm.
In vielen Unternehmen läuft der Rechnungsverarbeitungsprozess noch manuell ab. Wie häufig bleiben dabei Papierrechnungen auf den Schreibtischen der Mitarbeiter liegen oder sind gar in irgendwelchen Aktenstapeln verloren? Und schon sind wichtige Skontofristen abgelaufen. Laut des Instituts für Wirtschaftsinformatik der Leibniz Universität Hannover kostet die Verarbeitung einer Papierrechnung 10-12 €, dabei gehen 0,5 % aller Rechnungen verloren und die Kontrolle und Freigabe der Rechnung kann bis zu 14 Tage dauern.[2] Spätestens an diesem Punkt hätte Benjamin Franklin vermutlich versucht, den Bearbeitungsprozess zu optimieren.
Betrachtet man diese Zahlen, wird umso deutlicher, warum Unternehmen auf die Digitalisierung des Rechnungsprozesses setzen sollten. Mal ganz abgesehen davon, dass einige zukünftig rechtlich dazu verpflichtet sind. Doch dazu später mehr. Schauen wir uns zunächst erst die eigentliche digitale Verarbeitung von Eingangsrechnungen an. Viele stolpern hier schon über den Begriff „Eingangsrechnung“. Denn Rechnung ist nicht gleich Rechnung. In einem Rechnungsprozess wird zwischen der Eingangsrechnung, die bei Unternehmen also z.B. von einem Dienstleister eingeht, und einer Ausgangsrechnung, die z.B. von Unternehmen an ihre Kunden gestellt wird, unterschieden. Wie oben erwähnt treffen diese Eingangsrechnungen bei vielen Unternehmen noch in Papierform beispielsweise per Post ein und werden dementsprechend manuell verarbeitet. Und dieser Prozess kann nun mit einer digitalen Lösung optimiert werden.
In einem ersten Schritt wird bei einer digitalen Eingangsrechnungsverarbeitung geschaut, durch welchen Kanal die Rechnungen bei dem Unternehmen eingehen. Falls die Rechnungen papiergebunden eintreffen, werden diese zunächst gescannt und dann weiter digital bearbeitet. Treffen sie bereits digital, also beispielsweise per E-Mail, ein, entfällt der Scanprozess. Die Rechnung wird über eine Schnittstelle importiert und die digitale Verarbeitung startet direkt. In einem nächsten Schritt erfolgt dann die Rechnungslesung mittels OCR-Texterkennung. Wie bei einer manuellen Verarbeitung wird die Rechnung auf die relevanten ERP-Stammdaten abgeglichen. Die entsprechenden Kopf- und Positionsdaten werden ebenfalls ausgelesen. Und zwar vollautomatisch. Da eine digitale Eingangsrechnungsverarbeitung meist auch in die bestehenden ERP- und FiBu-Systeme wie beispielsweise SAP oder Microsoft Dynamics integriert werden kann, können bei der digitalen Rechnungsverarbeitung direkt die zugehörigen Stammdaten aus dem ERP
übernommen werden. Danach wird die Rechnung an das Rechnungsbuch gegeben und der eigentliche Workflow, die Verarbeitung der Rechnung, kann gestartet werden.
Prozesse digital abbilden
Dabei vollzieht sich der Prozess ganz genau so, wie wenn der Kollege aus der Buchhaltung die Rechnung intern zur Freigabe weitergibt. Alle Schritte wie Freigabe, Ablehnung, Rückfrage oder Weiterleiten können dabei digital abgebildet werden. Die Rechnungsdaten können im ERP vorerfasst und dann einem entsprechenden Mitarbeiter zur weiteren Bearbeitung und Prüfung weitergeleitet werden. Wenn alle Belege vollständig sind und die Prüfung digital abgeschlossen wurde, kann die Freigabe durch den Vorgesetzten erfolgen – auf Wunsch auch von einem mobilen Gerät aus. Abschließend kann die Rechnung im ERP-System gebucht werden und der digitale Workflow ist abgeschlossen. Benjamin Franklin würde sich freuen, wie schnell dieser Ablauf nun automatisiert wurde.
So sieht der Prozess bei einer einfachen Rechnungsprüfung aus. Sollten sich bei der Prüfung Rückfragen ergeben, weil beispielsweise Unklarheiten bezüglich des Preises, der Bestellmenge usw. bestehen, können diese problemlos, z.B. über eine Chatfunktion, geklärt werden. Jeder beteiligte Mitarbeiter kann nachvollziehen, an welcher Stelle die Rechnung sich gerade befindet. Der Rechnungsstatus wird im System hinterlegt. Anders ist es, wenn die Rechnung weiterhin in Papierform bei einem Kollegen auf dem Schreibtisch zur Überprüfung liegen würde. Da ist es nicht ersichtlich, was mit dieser Rechnung gerade passiert oder wer sie gerade bearbeitet. Sind alle Fragen geklärt, kann der Sachbearbeiter die Rechnung entweder freigeben oder ablehnen. Die Finanzbuchhaltung erhält darüber eine entsprechende Information.
Moderne Lösungen zur Eingangsrechnungsverarbeitung sind dabei so konfiguriert, dass sie beispielsweise auch mobil genutzt werden können oder in entsprechende Systeme integriert sind. Der Mitarbeiter braucht dann nicht einmal die Anwendung zu verlassen, um den digitalen Workflow der Verarbeitung zu starten. Er kann ihn beispielsweise direkt aus seinem E-Mail-Programm heraus veranlassen, sobald er eine Rechnung per E-Mail erhalten hat und sich dann wieder seinen anderen Aufgaben widmen.
Der oben dargestellte Prozess zeigt, dass es für jedes Unternehmen Sinn ergibt, auf eine digitale Rechnungsverarbeitung zu setzen. Kosten und Zeit können gespart werden. Jedoch gibt es auch Unternehmen, die auf jeden Fall auf eine digitale Verarbeitung umstellen müssen, da es für sie gesetzlich vorgeschrieben ist. Und zwar von der EU durch die eRechnungsverordnung EN 16931-1:2017. Bis zum 17.04.2020 müssen öffentliche Auftraggeber in Deutschland, wie oberste Bundesbehörden und Verfassungsorgane des Bundes, Sektorenauftraggeber und Konzessionsgeber, die Annahme und Verarbeitung von Rechnungen elektronisch durchführen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass auch Unternehmen, die mehrheitlich in öffentlicher Hand liegen oder die diesen öffentlichen Auftraggebern eine Rechnung stellen, bis zum 27.11.2020 ebenfalls auf eine elektronische Rechnungsstellung setzen müssen, damit diese die Rechnung auch digital empfangen können.
Hierbei gibt es jedoch auch Ausnahmen. Denn das EU-Recht gilt in der Regel nur für Rechnungen ab einem Auftragswert größer 1.000 €. Aber auch hier kann es zu Ausnahmen kommen, da dieser Auftragswert von jedem Bundesland individuell festgelegt werden kann. Wenn es sich dabei um geheimhaltungsbedürftige Rechnungsdaten wie beispielsweise die von Verteidigungs- oder sicherheitsspezifischen Aufträgen handelt, gilt ebenfalls die Ausnahme vom eRechnungsgesetz, sowie bei Angelegenheiten des
Auswärtigen Dienstes oder sonstigen Beschaffungen im Ausland. Oder bei Rechnungen, die in Verfahren der Organleihe nach §159 Abs. 1 Nr.5 GWB auszustellen sind.
Wichtig zu beachten beim eRechnungsgesetz ist, dass ein reiner Scan, ein Bild oder ein PDF nicht als eRechnung zählen. Dies führt in vielen Unternehmen zu einem Missverständnis, weil aus ihrer Sicht die Rechnungen ja bereits in digitaler Form vorliegen. Um tatsächlich als eRechnung zu gelten, muss die Rechnung gemäß der Verordnung nicht nur digital, sondern auch als XML-Datei vorliegen. Dieses wird durch die eRechnungs-Verordnung durch das Format XRechnung als Standard festgelegt. Aber auch das ZUGFeRD 2.0-Format entspricht als hybride Form vorläufig den Anforderungen der europäischen Norm für die elektronische Rechnungsstellung.
Fazit:
Ob durch die EU-Verordnung verpflichtet oder nicht: Eine digitale Eingangsrechnungsverarbeitung bietet Unternehmen viele Vorteile, Zeit und Kosten zu sparen. Bis zu 75 % der Vorgangskosten können dadurch reduziert werden. Und nicht nur das. Es entstehen kürzere Durchlaufzeit ohne Transport- und Liegezeiten und geringere Fehlerquoten durch automatische Dubletten-Prüfung. Und was fast noch relevanter ist: Unternehmen können durch eine digitale Rechnungsverarbeitung einen zeitnahen Monatsabschluss und entsprechende Skontoerträge erzielen. Dass Zeit somit im wahrsten Sinne des Wortes Geld ist, dürfte also nicht nur Benjamin Franklin klar sein.
Quellen und Referenzen:
[1] Studie „Digitale Transformation 2018. Hemmnisse, Fortschritte, Perspektiven“. etventure
[2] Schömburg, Harald; Breitner, Michael H.: Elektronische Rechnungen zur Optimierung der Financial Supply Chain: Status Quo, empirische Ergebnisse und Akzeptanzprobleme. Institut für Wirtschaftsinformatik, Leibniz Universität Hannover, MKWI 2010 – E-Commerce und E-Business
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