Eine Smart Factory ist die Vision einer Produktionsumgebung, in der sich Logistikprozesse und Fertigungsanlagen möglichst automatisiert und mit geringem Einsatz menschlicher Ressourcen selbst organisieren. Die Potentiale für die Wertschöpfung sind gerade in der hochentwickelten deutschen Industrie enorm, allerdings ist die Umsetzung auch kostenintensiv und nicht trivial. Was die Smart Factory ausmacht und welche Entwicklungsschritte notwendig sind, erfahren Sie in diesem Expertenbeitrag von Jana Eschweiler, Director Marketing & Sales Communication.
Technische Grundlage für Smart Factories sind sogenannte cyber-physische Systeme. Sie bestehen aus softwaretechnischen Komponenten mit mechanischen und elektronischen Teilen, die mit Hilfe des Internets der Dinge (IoT) miteinander kommunizieren. Das schließt perspektivisch auch die Kommunikation zwischen Produkt und Fertigungsanlage ein. So kann beispielsweise ein Produkt seine Fertigungsinformationen in maschinell lesbarer Form an die Maschine kommunizieren, beispielsweise über einen RFID-Chip. Mit diesen Informationen kann der Weg des Produkts durch die Fertigungsanlage und die einzelnen Fertigungsschritte gesteuert werden.
IoT-Plattformen
IoT-Plattformen ermöglichen die Vernetzung unterschiedlicher Geräte und Applikationen in einer Smart Factory. Die Plattform ermöglicht einen Informationsaustausch, indem systemübergreifende Verknüpfung herstellt werden. So können Daten analysiert und gesteuert werden.
Eine IoT-Plattform dient also als Zentrale sowohl für die M2M-Kommunikation als auch für den Austausch zwischen Mensch und Maschine. In dieser Funktion ist sie von zentraler Funktion für IoT in der industriellen Wirtschaft. Bereits heute nutzen 43 Prozent der deutschen Industrieunternehmen deshalb eine IoT-Plattform, wie eine Studie des Digitalverbands BITKOM zeigt.
Digital Twins
Digital Twins sind digitale Abbilder physischer Maschinen. So können sie helfen, ein optimales Produktdesign und einen fehlerfreien Betrieb zu gewährleisten. Entwicklungsbasis ist ein hochpräzises dreidimensionales CAD-Modell, in dem alle wichtigen Parameter des geplanten Produkts bereits angelegt sind, beispielsweise Sensorik, Material oder Bewegungsmuster der echten Maschine. Das Modell erlaubt eine frühzeitige Performance- und Fehleranalyse und macht damit oftmals die Fertigung eines Prototypen überflüssig.
Nicht nur in der Entwicklung, auch im Realbetrieb leisten Digital Twins enorme Mehrwerte. Auch wenn die Maschine beim Käufer und Betreiber steht, bleiben die Zwillinge dank des schnellen und kostengünstigen Datenaustausch in ständiger Verbindung. Mit Hilfe von moderner Sensorik werden alle relevanten Daten permanent erfasst und an den Hersteller übermittelt. Die Fehlerbehebung oder Ineffizienzen können die Ingenieure dann direkt am digitalen Zwilling testen.
Hardware-Lösungen als Basis der Smart Factory
Das Internet der Dinge (Internet of Things, IoT) erfordert durch seine komplexe Grundstruktur aufwändige Lösungen zur Verknüpfung der verschiedenen Applikationen und Devices. Verschiedene Hardware-Lösungen stehen zur Verfügung. Mit Low Power – Wide Area (LPWA) und 5G kristallisieren sich aussichtsreiche Zukunftslösungen heraus.
LPWA-Technologien sind relativ neu, sie besitzen aber zwei prägnante Eigenschaften, die ihnen hohes Potential verleihen: Sie verbrauchen wenig Strom und decken eine große Fläche ab. Die eingebauten Akkus können oftmals über Jahre Energie liefern, ohne ausgetauscht werden zu müssen. Gleichzeitig bieten sie eine hohe Reichweite von mindestens 500 Metern. Sie gelten darüber hinaus als technisch zuverlässig und kostengünstig. Große physische Hindernisse wie Gebäude sind weniger problematisch als bei anderen Technologien, da LPWA recht gut durch Wände dringt.
Bringt 5G den Durchbruch?
Diese Faktoren könnten dafür sorgen, das LPWA eine Brückentechnologie auf dem Weg zu den 5G-Netzen darstellt. Aktuelle LPWA-Lösungen kommen unter anderem von den Unternehmen Ingenu, LoRa, Link Labs, Sigfox und Weightless.
5G Netzwerke haben ein noch größeres Potential, die Basis für das Internet of Things zu bilden. Es ist allerdings mit einem Zeitraum von ungefähr fünf Jahren zu rechnen, bis es zu einer massentauglichen Nutzbarkeit kommt. In den nächsten Monaten werden erste globale Testprojekte gestartet, unter anderem in Hamburg und Venedig. Im Hamburger Hafen sollen Ampeln und Schleusen gesteuert werden, Barkassen sammeln via Sensoren Daten zu Luftqualität und Windstärke in Echtzeit.
Prozessvereinfachung durch Blockchain-Technologie
Eine zentrale Anforderungen der industriellen Produktion ist eine maximale Maschinen- und Prozess-Effizienz. Dies lässt sich am besten erreichen, wenn alle am Prozess beteiligten Personen und Maschinen die wichtigsten Informationen erhalten. Allerdings ist die Verwaltung und der Schutz dieser geteilten Information aufwändig und erfordert viel Vertrauen.
Distributed-Ledger-Technologien wie Blockchain können hier Kosten und Aufwände senken, da sie das Teilen von Informationen deutlich vereinfachen können. Durch den vollautomatisierten und digitalisierten Informationsfluss können auch Maschinen einfach auf die benötigten Daten zugreifen, über die sogenannte Machine-to-Machine (M2M)-Kommunikation. So werden Abnehmer und Lieferanten noch enger und zu niedrigen Kosten verbunden, die Folge sind erhöhtes Vertrauen und das Entstehen freier Ressourcen.
Vor allem in der Liefer- und Produktionskette könnte die Implementierung der Blockchain-Technologie einen entscheidenden Mehrwert bieten. Das sorgt nicht nur für mehr Effizienz und Transparenz, sondern auch für vielfältige Möglichkeiten bei der Produktindividualisierung für einzelne Kunden. Hier können auch Mechaniken von künstlicher Intelligenz bei der Verbesserung von Workflows, Auslastungen und der Mensch-Maschine-Kommunikation in Automatisierungsprozessen sorgen.
Anwendungsbeispiele der Blockchain
Eine Branche, die unter starkem Innovationsdruck steht, ist die Automobilindustrie. Hier spielt die Blockchain eine immer größere Rolle in der Wahrnehmung der Verantwortlichen, aber auch in ersten Test- und Kick-Off-Projekten. Porsche beispielsweise will die Technologie nutzen, um den Zugang zum Fahrzeug zu vereinfachen und sicherer zu machen. Auch Audi will eine Blockchain in ein größeres Projekt zur Verbesserung der Distribution einsetzen. Daimler experimentiert sogar mit einer eigenen Kryptowährung. Zahlreiche weitere Anwendungsbeispiele sind denkbar, beispielsweise bezüglich der Sicherung von Besitzverhältnissen von Fahrzeugen, Reparaturvorgängen oder Kilometerständen.
Smart Contracts bauen Hindernisse ab
Eine Weiterentwicklung der Blockchain sind die sogenannten Smart Contracts. Die dezentrale Applikation (DApp) wurde erstmals auf der Ethereum Blockchain entwickelt. Mit Smart Contracts lassen sich Verträge abbilden oder technisch unterstützen. Die Computerprotokolle überwachen dabei die vereinbarten Leistungen aller Vertragspartner und können automatisiert Prozesse auslösen, etwa eine Überweisung, wenn die definierten Vertragsleistungen erfüllt wurden.
Wenn sich die Technologie etabliert und verbreitet, kann dadurch ein Teil der traditionellen Verträge ersetzt werden, das Potential erscheint riesig. Auch hier liegt wie bei anderen Blockchain-Technologien die Kraft im Vertrauen, das durch sie entsteht. Gerade im internationalen Geschäft, bei unbekannten Vertragspartnern oder in einem automatisierten Umfeld etwa bei kleinen, wiederkehrenden Geschäften, können so kostengünstig Handelshemmnisse abgebaut werden.
IOTA – das Distributed Legder für die Smart Factory?
Im Bereich von Blockchain sorgt vor allem im deutschsprachigen Raum die IOTA Foundation für Furore. Die “Tangle” von IOTA ist ähnlich der Blockchain ein Distributed Ledger, basiert aber auf einer anderen Grundkonzeption und kann als Weiterentwicklung interpretiert werden. Die Transaktionen benötigen im Gegensatz zu Bitcoin kein kosten- und energieintensives Mining sondern laufen simultan auf verschiedenen Ketten im Netzwerk und so somit deutlich effizienter und skalierbarer.
Ein Schwerpunkt von IOTA liegt auf der Machine-to-Machine-Kommunikation. Auf der CeBIT 2018 präsentierte der IOTA-Partner VW einen Proof-of-Concept (PoC) des IOTA Protokolls für die Umsetzung der Vision des autonomen Fahrens und automatisierten Prozessen im Mobility-Bereich. Mit Johann Jungwirth hält ein Mitarbeiter von VW einen Sitz im Stiftungsrat von der IOTA Foundation, dem operativen Organ der Plattform. Ein weiterer enger Partner von IOTA ist Fujitsu, der japanische Tech-Konzern hat sich kürzlich in ungewöhnlich klarer Weise zu IOTA bekannt:
“Fujitsu is well-equipped to help roll out IOTA as the new protocol standard as we are experts in both IT services and the manufacturing of IT products”, so Leopold Sternberg, Program Manager, Industry 4.0 Competence Center von Fujitsu.
Wie kann jetzt die Vision der Smart Factory auf Unternehmensebene umgesetzt werden? Folgende Schritte können dabei helfen.
Maschinen auf den neuesten Stand bringen
Maschinen sind langfristige Investitionsgüter, entsprechend alt sind manche Fertigungsanlagen. Voraussetzung für die Vernetzung von physischen und digitalen Komponenten in einer Smart Factory sind allerdings moderne Technologien. Deshalb sollte eine möglicherweise notwendige Modernisierung einer der ersten Schritte auf dem Weg zur vernetzten Fabrik sein.
Geschäftszweck definieren
Der konkrete Nutzen sollte identifizierbar und quantifizierbar sein, der Drang nach mehr Digitalisierung reicht als bloßes Ziel nicht aus. Der Umbau zu einer Smart Factory sollte dabei immer als ein Element im Gesamtgefüge aus Operational Technology und Informationstechnologie betrachtet werden. Zum Themenkomplex Geschäftszweck gehört auch die Suche nach neuen Geschäftsfeldern und Verdienstmöglichkeiten, beispielsweise über verbrauchsorientierte Services, bei denen Kunden keine Maschine mehr kaufen müssen, sondern nur noch für die quantifizierbare Nutzung bezahlen. Schlagwort: Servitization.
Interne Kommunikation und Weiterbildung
Mancherorts ist die Angst vor der Digitalisierung groß, gerade was die Sicherheit von Arbeitsplätzen und damit den persönlichen Zukunftsaussichten angeht. Deshalb ist eine intensive interne Kommunikation notwendig, welche die Mitarbeiter auf den Wandel vorbereitet. Dazu gehören auch langfristig angelegte Fort- und Weiterbildungsangebote. Denn auch zukünftig wird der Mensch die wichtigste Ressource von industriellen Unternehmen sein.
Agil starten und skalieren
Kleine Projekte mit agilem Charakter bringen große Erkenntnisse und motivieren die Mitarbeiter. Die Folge ist eine frühere Marktreife, ein besseres Produkt und somit bessere Wertschöpfung. Sind diese Schritte gelungen, können die Projekte und Produkte skaliert werden, beispielsweise durch eine Ausweitung auf andere Standorte.
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