Seit der Ankündigung von ViDA (Mehrwertsteuer im digitalen Zeitalter) stellen sich viele Unternehmen aus der Fertigungsindustrie die Frage, wie sich die Vorschläge der Europäischen Kommission (EK) auf ihren Betrieb auswirken werden. Denn die Vorschläge zielen darauf ab, die Digitalisierung der Steuererhebung in der gesamten EU zu regeln und zu verschärfen. Das Hauptziel der Europäischen Kommission ist es, einen Rahmen zu schaffen, der durch einen einheitlicheren digitalen Ansatz resistenter gegen Betrug und Nichteinhaltung ist. Der Grund: Allein für das Jahr 2020 meldete die EK Verluste in Höhe von 93 Milliarden Euro – ausgelöst durch die Mehrwertsteuerlücke. Unternehmen werden interne Prozesse überarbeiten müssen, um zu gewährleisten, dass die Vorschriften eingehalten werden. Insbesondere, wenn sie international agieren oder viel exportieren, wie es in deutschen Fertigungsunternehmen häufig der Fall ist.
Was schlägt ViDA vor?
Die Vorschläge lassen sich in drei Säulen unterteilen:
Die erste konzentriert sich auf das digitale Reporting, mit dem Ziel, Echtzeitberichte oder CTCs (kontinuierliche Transaktionskontrollen) in Verbindung mit der elektronischen Rechnungsstellung einzuführen. Änderungen sind bereits im Jahr 2024 zu erwarten, aber das Hauptmandat für innergemeinschaftliche B2B-Transaktionen soll 2028 in Kraft treten.
Die zweite Säule befasst sich mit der Umsatzsteuer in Bezug auf die Plattformökonomie. Die Kommission plant für Online-Unternehmen ab 2025 dieselben Mehrwertsteuerregelungen wie für andere Unternehmen.
Die dritte, die ebenfalls ab Januar 2025 in Kraft tritt, zielt darauf ab, die Notwendigkeit mehrerer MwSt-Registrierungsgebiete für grenzüberschreitende Unternehmen weiter zu beseitigen. ViDA wird den Anwendungsbereich des einzigen MwSt-Registrierungsgebiets oder One-Stop-Shops (OSS) ausweiten und die Umkehrung der Steuerschuldnerschaft für gebietsfremde Lieferanten verbindlich vorschreiben. Dies bedeutet, dass Unternehmen, die in mehreren EU-Staaten tätig sind, sich nicht in mehreren Ländern registrieren lassen müssen.
Wie genau werden sich diese Änderungen auf Ihr Unternehmen auswirken?
Strengere digitale Rechnungsstellung
Eine der größten Veränderungen wird die Einführung des obligatorischen digitalen Reportings über grenzüberschreitende Transaktionen in der EU, verbunden mit obligatorischem E-Invoicing, darstellen. Es ist außerdem zu erwarten, dass die Mitgliedstaaten bereits vor 2028 weitere Mandate mit gleichen Anforderungen einführen werden. Das deutsche Finanzministerium diskutierte etwa am 17. April bereits die Einführung verpflichtender B2B-E-Invoices ab dem 1. Januar 2025. In mehreren Bundesländern E-Invoices bereits verpflichtend. Mecklenburg-Vorpommern gesellte sich Anfang April zu Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg und Hessen.
Für Unternehmen bedeutet dies, dass die gesamte Rechnungsstellung und alle verbundenen Prozesse überarbeitet werden müssen. Dazu gehören alle Prozesse der Kreditoren- und Debitorenbuchhaltung sowie das Informationssystem, das dies unterstützt. Konkret heißt das, dass Unternehmen alle Aspekte ihres Geschäfts überprüfen müssen, um sicherzustellen, dass sie bereit für die Veränderungen sind.
Bereits beim CTC-Mandat in Frankreich konnten wir beobachten, dass die von der EU eingeräumten Fristen für Unternehmen, die diesen Veränderungen eher gelassen entgegensehen, häufig zu kurz sind.
Da die Steuerbehörden mehr Einblick in Transaktionen und andere Daten erhalten wird können wir davon ausgehen, dass eine Rechnung, die nicht den umfangreichen technischen und verfahrenstechnischen Spezifikationen entspricht, nicht als konform eingestuft wird.
Neue technologische Anforderungen
Die Digitalisierung bringt unweigerlich neue technologische Anforderungen mit sich. Sicherlich wird viel Aufmerksamkeit in die Meldeverfahren und die Sicherstellung, dass diese den spezifischen Protokollen entsprechen, fließen. Darüber hinaus müssen Unternehmen auch prüfen, wie sich die CTC-Mandate auf ihre vorgelagerten Prozesse und Daten auswirken werden.
Viele Unternehmen verfügen über mehrere ERP-, Fakturierungs- und Kreditorenbuchhaltungssysteme, die in verschiedene Geschäftsbereiche und Handelspartner einfließen. Derzeit sind viele dieser Systeme darauf angewiesen, dass die Rechnungsdaten in Papierform oder als PDF übermittelt werden, was sich als umständlich und langsam erwiesen hat.
Die neuen Rechnungsvorschriften werden diese Geschäftsprozesse auf eine potenziell schwierige Art und Weise verändern. Unternehmen werden nach einer neuen Technologie suchen müssen, die mit ViDA und einer wachsenden Zahl von E-Invoicing-Anforderungen zwischen Unternehmen und Behörden konform ist.
Aktuelle technologische Partnerschaften
ViDA wird sich auch auf die technologischen Partnerschaften Ihres Unternehmens auswirken. Führungspersonen sollten nicht automatisch davon ausgehen, dass ihre derzeitigen Technologieanbieter mit den neuen ViDA-Standards konform sind. Unternehmen, die derzeit EDI-Systeme und Software zur Automatisierung von Beschaffung, Bezahlung oder Kreditorenbuchhaltung im Rahmen von SaaS-Diensten nutzen, werden sich voraussichtlich neu orientieren müssen.
Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass diese Anbieter wenig Erfahrung mit den Besonderheiten Rund um das Thema Steuerkonformität haben, da sie aus dem Bereich der Geschäftsprozessoptimierung kommen. Unternehmen müssen sich daher direkt an die Anbieter wenden und sich erkundigen, ob sie über die Änderungen informiert sind und ob sie garantieren können, dass ihre Produkte mit den neuen Vorschriften und Änderungen, die mit der Einführung einer neuen CTC-Regelung unweigerlich einhergehen, zurechtkommen werden.
Grenzüberschreitende Transaktionen innerhalb der EU
Die gute Nachricht im Zusammenhang mit der einheitlichen MwSt-Registrierung ist, dass ViDA im besten Fall grenzüberschreitende Transaktionen für europäische Unternehmen vereinfachen wird. Grenzüberschreitende Umsätze werden einem neuen Echtzeit-Meldesystem unterliegen, das die bestehende zusammenfassende Meldung ersetzt. Die Unternehmen werden nur noch in dem Mitgliedsstaat, in dem sie ansässig sind, Bericht erstatten müssen. Kurzfristig bedeutet das eine Entlastung von den umfassenden Änderungen, die mit den Vorschlägen einhergehen werden.
Die Auswirkungen auf nicht-EU Exporteure
Unternehmen außerhalb der EU müssen nun grenzüberschreitende, digitale Reporting-Regelungen einhalten, was zusätzliche Verwaltungskosten verursacht und die Unternehmen dazu zwingt, ihre digitalen Funktionen zu überprüfen.
Sie werden jedoch von der Ausweitung des einheitlichen MwSt-Registrierungsgebiets (OSS und vorgeschlagene Ausweitung der Umkehrung der Steuerschuldnerschaft) profitieren, d. h. die Zahl der Länder, in denen ein exportierendes Unternehmen registriert sein muss, wird sich verringern und das Risiko der Nichteinhaltung der Vorschriften wird sinken.
Blick in die Zukunft
Auch wenn der Verwaltungsaufwand entmutigend sein mag, gibt es sicherlich einige positive Aspekte, die Unternehmen nutzen können. Die neuen Reformen sind zwar teuer, aber sie werden nicht nur den Steuerverwaltungen mehr Einblick in die Unternehmen verschaffen, sondern auch den Unternehmen selbst unschätzbar wertvolle Dateneinblicke in ihr Unternehmen ermöglichen.
Das Wichtigste, was Unternehmen jetzt tun müssen, ist, Selbstgefälligkeit zu vermeiden und sicherzustellen, dass sie umfassend vorbereitet sind. Interne Prozesse werden sich im gesamten Unternehmen ändern. Stellen Sie also sicher, dass alle Beteiligten umfassend informiert sind.
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