IoT-Plattformen sind Voraussetzung für Industrie 4.0

Von   Falk Senger   |  Geschäftsführer   |  Messe München GmbH
27. Februar 2018

In der Fertigungsindustrie spielt das Industrial Internet of Things (IIoT) künftig eine Hauptrolle. In Deutschland nennen wir dieses Konzept Industrie 4.0. Hochkomplexe, automatisierte Produktionsmaschinen und Roboter werden untereinander und unternehmensübergreifend miteinander vernetzt. Dadurch entstehen standortübergreifende, flexible Produktionssysteme, die nicht nur automatisch fertigen, sondern auch sich selbst steuern und weitgehend selbst warten können. Allerdings dürfte es noch eine ganze Zeit dauern, bis die IIoT-Konzepte weitgehend realisiert sind.
Doch die Unternehmen arbeiten mit einigem Aufwand daran. Die Unternehmensberatung PwC schätzt in einer aktuellen Studie, dass die deutsche Industrie in den nächsten fünf Jahren durchschnittlich 3,3 Prozent ihres Jahresumsatzes in Industrie 4.0-Lösungen investiert. Dies entspricht fast 50 Prozent der geplanten neuen Ausrüstungsinvestitionen und einer jährlichen Investitionssumme von mehr als 40 Milliarden Euro bezogen auf die gesamte deutsche Industrie.

Damit Industrie-4.0-Anwendungen funktionieren, müssen Unternehmen unter anderem in sogenannte IoT-Plattformen investieren, die die Maschinen mit dem Internet verbinden, sie absichern, analysieren, steuern sowie die notwendigen Schnittstellen für den Zugriff auf Applikationen und andere Systeme bereitstellen.

IoT-Plattformen können aus Aufzügen Personenbeförderungssysteme mit garantierten Service Level Agreements machen. So das Beispiel MAX – eine präventive Service- und Wartungslösung von thyssenkrupp Elevators, die auf Microsofts IoT Azure Suite basiert.MAX arbeitet in Echtzeit, erstellt Prognosen und sorgt seinen Entwicklern zufolge dafür, dass Aufzüge 50 Prozent weniger oft aufgrund von Wartungsarbeiten stillstehen.

Mit dieser IoT-Lösung reduziert thyssenkrupp Elevators nicht nur die Downtime seiner Aufzüge und verkürzt damit die Zeit, die Menschen damit verbringen müssen, auf Lifte zu warten. Gleichzeitig bekommt das Unternehmen einen Strom von Echtzeitdaten, die es auswerten kann, um seine Produkte laufend zu verbessern. Aufgrund der präventiven Wartung kann sehr viel besser geplant werden und Servicetechniker lassen sich deutlich effizienter einsetzen. Es können neue Geschäftsmodelle angeboten werden, zum Beispiel in Richtung Aufzug „as a Service“ mit Service Level Agreements, die nicht nur auf die „Meantime between failure“ ausgerichtet sind, sondern zum Beispiel auf die Zahl transportierter Gäste pro Stunde.

Das ist nur ein Beispiel dessen, was Unternehmen mit Hilfe von IoT-Plattformen erreichen können. Doch alle Szenarien drehen sich um höhere Produktivität, mehr Effizienz, mehr Flexibilität, mehr Innovation und natürlich um neue Geschäftsmodelle, die durch ihre Plattformen ermöglicht werden.

Die Elemente der IoT-Plattformen

Grundlage für das Potenzial dieser IoT-Plattformen, an denen mehrere hundert IT-Anbieter, Maschinenbauer, Automatisierungs-Spezialisten und große Systemintegratoren zumindest mitentwickeln, sind im Grunde IT-Standardfunktionen, die allerdings durch das Einbringen konnektierter Sensoren und Aktuatoren zu mächtigen Anwendungssystemen ausgestaltet werden können. IoT-Plattformen verbinden die physische Welt mit der virtuellen Welt der IT und lassen so ganz neue Daten-basierte Geschäftsmodelle und Wertschöpfungssysteme entstehen.

Das Analystenhaus Forrester Research beschreibt folgende fünf Standardfunktionen von IoT-Plattformen:

  • Connect: Ein IoT-Device, zum Beispiel eine Werkzeugmaschine, der Stromzähler in einem Haushalt oder eine Offshore-Windturbine in der Deutschen Bucht muss mit dem Internet verbunden und der Link gemanaged werden. Dazu werden typischerweise Funktechniken wie ZigBee, Z-Wave und andere stromsparende Wireless Personal Area Network-Technologien genutzt. Aber auch Mobilfunkanbieter bieten Machine to Machine (M2M) Kommunikationslösungen an, die Daten über ihre Mobilfunknetzwerke in entsprechende Rechenzentren oder in die Cloud transportieren.
  • Secure: Die eingebundenen Security Devices und die von ihnen übertragengen zum Teil sensiblen Daten müssen vor Attacken geschützt werden. IoT-Plattformen müssen daher Sicherheitskomponenten aufweisen, die Devices authentifizieren, Netzwerkverbindungen schützen, Software aktualisieren sowie Identity- und Access-Management übernehmen und Schutz vor Datenverlust bieten.
  • Manage: Häufig bestehen IoT-Lösungen aus Tausenden verbundener Geräte, um Betriebszustände wie Temperatur, Drücke, Vibration und anderes zu messen und zu steuern. IoT-Plattformen bieten daher Funktionen, um die Device-Parks remote zu überwachen, zu testen, Software zu aktualisieren und Fehler zu beheben.
  • Analyze: Die IoT-Analyse-Funktionen entwickeln sich derzeit erst. Es geht um Daten-Filterung oder Streaming Analytics, damit sich Daten in Echtzeit monitoren lassen. Darüber hinaus können fortgeschrittene Analysen gefahren werden, mit denen sich versteckte Muster und andere Einsichten in den verfügbaren Informationen finden und Aktionen anstoßen lassen können.
  • Build: Die Unterschiedlichkeit der IoT-Anwendungsszenarien verlangt Software-Integration und APIs (Programmierschnittstellen), um die herkömmlichen Business-Prozesse und Applikationen zu unterstützen. So muss schließlich ein Smart-Home- oder Smart-Energy-Service über ein klassisches ERP-System (Enterprise-Resource-Planning) abgerechnet werden können. IoT-Plattformen vereinfachen die Entwicklung von Programmen und Geschäftslogiken. Sie geben Entwicklern Funktionen für Datenmanagement, Connectivity und Security. Außerdem bieten viele Plattformen Entwicklungs- und Scripting-Tools, API Links und API Management Tools, um IoT-Anwendungen mit den Enterprise-Applikationen zu verbinden.

Der Markt wächst rasant

Dem Markt für IoT-Plattformen attestieren Marktforscher glänzende Aussichten. Laut Forrester- Umfragen nutzen 60 Prozent der weltweit global tätigen Unternehmen bereits IoT-Anwendungen oder planen sie einzusetzen. Bei allen anderen Firmen liegen die entsprechenden Nutzungswerte bei 52 Prozent.

Ebenfalls sprunghaft ansteigen wird den Marktforschern von IHS zufolge die Zahl der installierten IoT-Devices. Betrug die installierte Basis 2015 rund 15,4 Milliarden mit dem Internet verbundene Geräte, so soll sie bis 2025 auf 75,44 Milliarden Devices steigen.

Den weltweiten Plattform-Markt schätzen die Analysten der renommierten Marktforscher von IoT-Analytics 2016 auf 417 Millionen Dollar. Bis 2021 prognostizieren sie ein Marktvolumen von 1,64 Milliarden Dollar, das bedeutet einen durchschnittlichen jährlichen Anstieg von 33 Prozent.

Allerdings wird sich die Zahl der Plattform-Anbieter in den nächsten Jahren laut IDC konsolidieren. Im Moment kommen zwar ständig neue IoT-Plattformen auf den Markt, aber Mark Alexander Schulte, Senior-Consultant beim amerikanischen Marktforscher, erklärt: „Wir prognostizieren, dass langfristig nur 5 bis 6 Plattformen den IoT-Markt dominieren werden. Für Anbieter also höchste Zeit, ihre bestehenden Dienste stärker an den Bedürfnissen ihrer Kunden auszurichten.“

In einer im Herbst 2017 von IDG durchgeführten Umfrage unter 385 IT-Entscheidern – hauptsächlich aus dem produzierenden Gewerbe – halten 57 Prozent der Befragten IoT-Plattformen für eine unverzichtbare Technologie. Eingesetzt wird sie bereits von rund 22 Prozent der Befragten. Im Zusammenhang mit IoT erklärten die Befragten Security-Technologien (53 Prozent) und Cloud Computing (48 Prozent) ebenfalls für unverzichtbar. In der gleichen Untersuchung schätzten 64 Prozent der Befragten die Bedeutung von IoT für das eigene Unternehmen als „sehr hoch“ oder“ hoch“ ein.

Die Digitalisierung in der Produktion steht auch im Fokus der automatica 2018, die vom 19. Juni bis 22. Juni 2018 in München stattfindet. Der Themenbereich IT2Industry wird zeigen, wie komplexe hochautomatisierte Fertigungsmaschinen und Roboter „intelligent“ mit modernster IT und Internet-Konnektivität verbunden werden können. Das Ziel ist, die niedrigen Kosten der Massenfertigung mit der großen Kundennähe und Individualität der Lösungen von Handwerksbetrieben oder Manufakturen zu erreichen. „Plattformen und Ökosysteme“ spielen dabei eine wichtige Rolle und werden sowohl im Themenbereich IT2Industry als auch im Messe-Rahmenprogramm praxisnah aufgegriffen.

Falk Senger ist Geschäftsführer der Messe München GmbH und verantwortet in dieser Position die internationalen Leitmessen im Technologiebereich der Messe München. Zur Messe München kam Senger im Januar 2010. Bis zu seiner Berufung in die Geschäftsführung verantwortete er als Prokurist und Leiter des Zentralbereichs Innere Dienste die Hauptabteilung Zentraleinkauf sowie die Abteilungen Finanzen, Recht und Beteiligungsverwaltung Inland. Davor arbeitete er 14 Jahre in verschiedenen Funktionen für die Bayerische Staatsregierung. Nach seinem Abitur an der Deutschen Schule in Caracas/Venezuela und dem Grundwehrdienst studierte Senger in München und Passau Rechtswissenschaften.

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