Wer kennt es nicht, das Multitool, das von der Spitzzange bis zum Flaschenöffner alle Werkzeuge für den Alltag vereint? Als Komplettlösung will es uns in allen Lebenslagen unterstützen. In der Praxis nutzen wir nur wenige Bestandteile, der Rest stört eher – obwohl wir für das komplette Tool-Set gezahlt haben. Übertragen in die digitale Welt passt diese Metapher zur so genannten Digital Experience Platform und ihrem Nutzenversprechen. Dabei handelt es sich um eine Applikation, die die Erwartungen und Wünsche der User an allen digitalen Touchpoints erfüllen soll. Mit dem Content-Management-System sind zum Beispiel Komponenten wie CRM, Analyse-Instrumente, Marketing Automation, E-Commerce-Tools oder Service-Funktionen verbunden.
Zweifellos sind positive digitale Erlebnisse aller Zielgruppen der Schlüssel zum geschäftlichen Erfolg. Die Präsenz von Organisationen im digitalen Raum beschränkt sich heute nicht mehr auf eine Website oder einen Shop. Kunden und andere Stakeholder treten auf unterschiedlichen Kanälen in Kontakt mit einem Unternehmen und erwarten an jedem einzelnen überzeugende Angebote.
Eine Digital Experience Platform soll diese Erwartungen erfüllen. Mit einem Mix aus Technologien unterstützt sie Erstellung, Management, Auslieferung und Optimierung von digitalen Erlebnissen im gesamten Kontaktverlauf (so die Definition des Marktforschungs- und Beratungsunternehmens Gartner). Wie aber kommt ein Unternehmen zu einer solchen Lösung?
Geschlossene vs. offene Architektur
Zunächst lohnt sich ein Blick auf die beiden unterschiedlichen Konzepte für diesen Plattform-Ansatz: All in one und Best in class. Auf der einen Seite geht es um ein geschlossenes proprietäres System, auf der anderen Seite um einen Verbund von Systemen in einer offenen Architektur, die über standardisierte Schnittstellen verbunden sind. D.h. beim letzteren, dem offenen Best-in-class Ansatz, geht es um das Zusammenspiel der jeweils am besten geeigneten Tools. Wer eine DXP plant, steht vor der strategischen Entscheidung für eines der beiden Modelle.
All-in-one-Lösungen sind beliebt, weil sie alle Anforderungen zu erfüllen scheinen. Wer allerdings agil und unabhängig agieren möchte, ist damit möglicherweise nicht gut beraten: „All in one“ bedeutet nicht zwangsläufig „all inclusive“. Oft bringen diese Pakete eine Komplexität mit, die nicht gebraucht wird, sodass sie nicht den gewünschten Mehrwert schaffen. Obwohl ihre Funktionalität vorgegeben ist, dauert ihr Einführungsprozess vielfach lang, die Konfigurationsmöglichkeiten der fertigen Lösung sind naturgemäß eingeschränkt. In der Folge müssen Unternehmensprozesse der Lösung angepasst werden, was zu organisatorischem Aufwand und Frustration führen und die Akzeptanz der Anwendung erschweren kann.
Offene Best-in-class-Lösungen hingegen bieten ihren Betreibern schon deshalb Wettbewerbsvorteile, weil sie die gewünschten Bestandteile des Systems gezielt auswählen. Bedarfsorientiert wird eine offene, schnittstellenbasierte Systemarchitektur entwickelt, die die besten Komponenten vereint. Hohe Lizenzkosten und die Abhängigkeit von einem kommerziellen Anbieter und dessen Geschäftspolitik entfallen.
Insbesondere zeichnen sich solche individuellen Lösungen durch eine hohe Bedienfreundlichkeit aus. Ein exzellentes UX/UI erhöht die Akzeptanz der Anwendung, und diese Akzeptanz ist eine maßgebliche Voraussetzung für den geschäftlichen Erfolg der Lösung. So ermöglicht eine Open Digital Experience Platform es dem Unternehmen, das digitale Erlebnis für seine Kunden über alle Kontaktpunkte hinweg optimal zu gestalten und kontinuierlich zu verbessern.
Innovationstreiber Open-Source-Software
Open-Source-Software ist das Mittel der Wahl wenn es darum geht, offene Plattformen auf eine nachhaltig wirkungsvolle System-Grundlage zu stellen. Nicht ohne Grund entscheiden sich immer mehr Organisationen für quelloffene Software, um aktuellen Herausforderungen der Digitalisierung zu begegnen. Dies bestätigt auch der „Open Source Monitor“ des Branchenverbandes Bitkom. Demnach sind zwei Drittel der Unternehmen an Open Source interessiert, und zwar quer durch die Branchen. Mehr als die Hälfte von ihnen unterstützt selbst die Community. Open-Source-Software bietet für moderne Business-Plattformen eine Reihe von Vorteilen:
- Unabhängigkeit: Hersteller kommerzieller Systeme reagieren auf den Markt, fahren ihre eigene Preispolitik und beenden den Support und die Bereitstellung von Updates nach eigenem wirtschaftlichem Ermessen. Spätestens wenn sie ihr Produkt nicht mehr im Portfolio führen, stehen Kunden vor einem Problem. Wer auf Open-Source-Software setzt, agiert souverän und vermeidet einen sogenannten Vendor Lock-In – also eine zu starke Anbieterbindung durch hohe Wechselbarrieren. Organisationen, die auf die Entwicklung von Open-Source-Lösungen setzen, können dabei auf einen riesigen Pool von Dienstleistungsunternehmen zurückgreifen – sie sind nicht gebunden an einen Anbieter oder Hersteller.
- Qualität: Entwickler von quelloffener Software sind Teil einer großen internationalen Community, die ihre Software stetig optimiert. Da diese Spezialisten bei einer Vielzahl verschiedener Organisationen beschäftigt sind, geben keinesfalls die Interessen eines einzelnen Wirtschaftsunternehmens die Richtung vor. Erarbeitete Softwarekomponenten, wie etwa Module, Extensions oder Script-Bibliotheken, werden weiterentwickelt und optimiert, was den Unternehmen via Updates und Upgrades automatisch zugutekommt.
- Kostenersparnis: Open-Source-Anwendungen sind im Blick auf die Application lifetime in der Regel deutlich kostengünstiger, da den einmaligen Entwicklungskosten von OS-Lösungen die dauerhaften Lizenzkosten kommerzieller Lösungen entgegenstehen. Auch im weiteren Betrieb fallen für Updates oder Major Upgrades im Open-Source-Bereich keine Lizenzkosten an. Die freien Budgets können die Unternehmen stattdessen in die Weiterentwicklung investieren.
- Innovationspotenzial: Mit dem Zugriff auf Quellcode eröffnet sich eine Bandbreite an Möglichkeiten: Software unter Open-Source-Lizenz lässt sich agil an spezifische Anforderungen anpassen und erweitern. Auf diese Weise können auch kurzfristig bestehende Lösungen an neue Anforderungen adaptiert werden. Das Open-Source-Framework Drupal etwa bringt bereits eine offene API-first-Architektur mit, um andere Best-in-class-Softwarekomponenten zu integrieren und die passende IT-Infrastruktur aufzubauen.
Offene Infrastrukturen für künftige Herausforderungen
Modulares Design und Flexibilität machen die Open Digital Experience Platform zur zukunftsfähigen Lösung. „Offen“ ist dabei auch die verwendete Software, die Unternehmen reichlich Potenzial zur Modernisierung bietet. Daneben erlaubt das schnittstellenbasierte Konzept, bereits erfolgreiche Komponenten mit notwendigen Bausteinen zu erweitern und auf einer gemeinsamen Präsentationsebene (Frontend) zur passgenauen Lösung zu verbinden. Neben ihrer hohen Integrationsfähigkeit sprechen niedrige Betriebskosten über den gesamten Lebenszyklus der Anwendung hinweg für dieses Modell. Zudem ermöglicht es Organisationen, ihre Datenhoheit sicherzustellen. DSGVO-Vorgaben sind leichter zu erfüllen, und die Kontrolle über ihre Markt- und Kundendaten bleibt beim Betreiber.
Wer das offene Plattformdesign wählt, kann auch mit einem Minimum Viable Product (MVP) starten, einer allerersten Basis-Version der Anwendung. Mit überschaubarem Aufwand umgesetzt, deckt das MVP alle wichtigen Funktionen ab und ermöglicht wertvolles Feedback der User, das in die nächste Entwicklungsstufe einfließt. Auf diese Weise erlangt die Plattform in vergleichsweise kurzer Zeit Marktreife und lässt sich im Sinne der Zielgruppen gezielt weiterentwickeln, auch für spezifische Bedürfnisse optimieren und in den Prozessen der eigenen Organisation etablieren.
Fazit: Eine Open Digital Experience Platform ist kein Multitool, das man fertig einkauft und einfach in Betrieb nimmt. Wird sie sorgfältig konzipiert und auf eine technische verlässliche Basis gestellt, bietet sie einem Unternehmen Investitionssicherheit auf lange Sicht. Mit einem ganzheitlichen Nutzererlebnis präsentiert sie sich überzeugend am Markt. Auf Anforderungen, die zum Beginn des Projektes nicht bekannt oder im Fokus waren, kann ein Unternehmen jederzeit reagieren und verfügt so über eine hohe Flexibilität im Blick auf künftige Herausforderungen und die damit verbundenen Change-Prozesse.
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