Zukunft des Kundenmanagements – Die CRM-Trends 2019

Von   Steffen Bolenius   |  Bereichsleiter Insurance Business Consulting   |  msg
11. Februar 2019

Was kommt, was bleibt? Das fragen wir uns meist zum Jahreswechsel. Auch im Customer Relationship Management lohnt es sich, über diese Fragen nachzudenken.
Die Digitalisierung hat die Kommunikation mit den Kunden in den vergangenen Jahren massiv verändert. Neue Kanäle und Touch Points erlauben einen intensiveren und vielfältigeren Kontakt, sie erhöhen aber auch die Erwartungshaltung der Konsumenten und intensivieren den Wettbewerb. So rückt der Kunde noch mehr in den Mittelpunkt aller Aktivitäten, was sich auch in Systemen für Customer Relationship Management oder Marketing Automation widerspiegelt. Zudem sehen sich die Unternehmen durch neue Richtlinien und Gesetze mit erhöhten Anforderungen an Datenmanagement und Dokumentation konfrontiert, die veränderte Prozesse und dazu passende Tools nötig machen. Folgende Trends werden daher im kommenden Jahr prägend sein:

1. Omnichannel-Integration wird immer wichtiger

Das Bestreben, Kunden auf allen Kanälen anzusprechen, hat zu einer Vielzahl paralleler, oft isolierter Maßnahmen und Ansprachewege geführt. In der Folge dieser Multichannel-Strategie sind neue Silos entstanden, die eine nachhaltige Nutzung der Informationen, eine umfassende Sicht auf den Kunden und eine damit verbundene optimierte Ansprache erschweren oder gar unmöglich machen. Zukünftig wird es daher weniger darum gehen, so viele Kanäle wie möglich zu öffnen, sondern vielmehr darum, sie miteinander zu verbinden. Das gilt nicht nur für die Kommunikation mit dem Kunden, sondern auch für die interne Zusammenarbeit.

Der entscheidende Unterschied zwischen einer Omni- und einer Multichannel-Strategie liegt in der intelligenten, kanalübergreifenden Verknüpfung der Daten, um so jedem Kunden individuell zum richtigen Zeitpunkt und auf dem passenden Kanal die Informationen, den Service oder das Produkt anzubieten, das zu seiner aktuellen Phase im Kaufentscheidungsprozess passt. Und nur die Integration der Kundenkommunikation mit den internen Geschäftsprozessen ermöglicht es, reibungslose Abläufe, eine optimale Ansprache und eine durchgehende Wertschöpfung zu erzielen.

2. Marketing und Vertrieb verschmelzen

Mit modernen Marketing-Automation-Tools lassen sich Kampagnen zielgenau und automatisiert auf den Kunden zuschneiden. Die Frage, wo genau das Marketing aufhört und der Vertrieb beginnt, wird dabei zunehmend irrelevant. Schließlich dienen alle Maßnahmen demselben Ziel, Kundenbedürfnisse optimal zu adressieren und zu erfüllen. Marketing und Vertrieb müssen sich daher in Zukunft enger abstimmen, damit Aussagen und Ziele aller Aktivitäten auf einer Linie sind. Es darf nicht passieren, dass beispielsweise der Vermittler im Außendienst dem Kunden Standardprodukte zu Listenpreisen anbietet, während das Marketing zur gleichen Zeit demselben Kunden über andere Kanäle Sonderkonditionen offeriert. Mit der schwindenden Zahl an Vermittlern und Beratern wird die Rolle des Marketings als vertriebsunterstützender Kanal zukünftig noch wichtiger. Damit steigt auch die Bedeutung von Marketing-Automation-Tools, die Kampagnen organisieren und zielgerichtet aussteuern können, bis hin zur individuellen Ansprache.

3. Künstliche Intelligenz steigert Effektivität und Effizienz

Big Data, Data Mining und Machine Learning ermöglichen eine weitere Entwicklung und Verfeinerung von Vorhersagemodellen (Predictive Analytics) und Empfehlungen (Prescriptive Analytics). Durch die Analyse des Kundenverhaltens lassen sich beispielsweise Prognosen über die Kündigungswahrscheinlichkeit (Churn) treffen und geeignete Rückgewinnungsangebote empfehlen, durch eine individuelle Marketingansprache und Produktvorschläge die Konversionsrate erhöhen oder durch eine Bestandskundenanalyse besonders werthaltige und adressierbare Zielgruppen identifizieren. Dank Künstlicher Intelligenz (KI) lernen aktuelle Vorhersage- und Empfehlungssysteme selbständig, indem sie ihre Prognosen an der Realität abgleichen. So werden die zugrunde liegenden Modelle mit der Zeit immer genauer. Dabei kommt der Integration von Daten und Prozessen über Abteilungsgrenzen hinweg eine hohe Bedeutung zu. Je besser und umfassender der Austausch, je detaillierter und facettenreicher die Sicht auf den Kunden, desto schneller lernt das System und desto genauer werden seine Vorhersagen und Empfehlungen.

4. Chatbots werden zum primären Kanal für Leadgenerierung und Kundenbindung

Bisher werden Chatbots vornehmlich im Service und Support eingesetzt, um Kundenanfragen zu bearbeiten und Prozesse wie Adressänderungen, Zählerstandsmitteilungen oder Schadensmeldungen zu automatisieren. Diese Szenarien bieten zwar ein großes Einsparpotenzial, sind insgesamt aber zu reaktiv und greifen zu kurz. In den digitalen Assistenten steckt wesentlich mehr Potenzial für Marketing, Vertrieb und Markenbildung, das zukünftig stärker in den Fokus genommen wird. In Kombination mit intelligenten Vorhersage- und Empfehlungssystemen sind Chatbots in der Lage, Kundenbedürfnisse zu identifizieren und darauf zugeschnittene Produktangebote zu unterbreiten. So kann der Kanal zur aktiven Vertriebsunterstützung genutzt werden, statt nur passiv Kundenanfragen zu bearbeiten.

Um den Einsatz von Chatbots zu optimieren, sollten Unternehmen zunächst einmal ihre bisherige Kundenkommunikation analysieren und Schnittstellen identifizieren, die für den Einsatz digitaler Assistenten geeignet sind. Wichtig ist es dabei, schnell zu beginnen, um erste Erfahrungen zu sammeln. Experimentierfreude, Durchhaltewillen und Offenheit sind dabei wichtiger als ausgearbeitete Pläne und Projektvorgaben.

Die Sorgen, dass sich selbst lernende Chatbots durch falsche oder manipulierte Inhalte in eine unerwünschte Richtung entwickeln könnten, sind heute unbegründet. Sie basieren im Wesentlichen auf einigen wenigen spektakulären Fällen wie dem Microsoft-Bot Tay, der 2016 nach kurzer „Lernphase“ begann, auf Twitter rassistische Inhalte zu verbreiten. Aktuelle Algorithmen und Frameworks verhindern ein solches Entgleisen zuverlässig. Natürlich benötigt man zur Umsetzung von Chatbot-Lösungen immer noch technisches Know-how, obwohl Chatbot-Baukästen den Aufbau und die Integration deutlich vereinfacht haben. Sollte dieses nicht im Unternehmen vorhanden sein oder etabliert werden können, bieten Dienstleister mit entsprechender Expertise die notwendige Unterstützung.

5. Regulatorische Anforderungen bleiben ein Spannungsfeld

Europäische Verordnungen und Richtlinien wie die Datenschutzgrundverordnung oder die Versicherungsvertriebsrichtlinie (Insurance Distribution Directive, IDD) haben neue Herausforderungen für Kundenmanagement, Marketing und Vertrieb gebracht. Die DSGVO räumt europäischen Bürgern umfangreiche Rechte ein, wenn es um den Schutz ihrer personenbezogenen Daten geht. So können sie jederzeit Auskunft darüber verlangen, welche persönlichen Informationen von Unternehmen erfasst und gespeichert werden, und auf welcher Rechtsgrundlage diese Speicherung basiert. Auch eine Löschung der Daten kann verlangt werden, sofern dieser keine anderen Rechtspflichten, etwa aus einem Vertragsverhältnis entgegen stehen.

Trotz der zweijährigen Übergangsfrist und dem Wirksamwerden der Verordnung im Mai 2018 beschäftigt das Regelwerk noch immer viele Unternehmen. Die Erfassung von Kundendaten sowie das Einholen und die Dokumentation von Einverständniserklärungen sorgen ebenso für zusätzlichen Verwaltungsaufwand wie das Management der Daten, die bei einer Löschanforderung schnell und umfassend aufgefunden und nachweisbar vernichtet werden müssen.

Vor allem aber lässt der Verordnungstext viele Fragen offen, wie eine rechtskonforme Umsetzung auszusehen hat. Bis zu ersten letztinstanzlichen Urteilen wird daher eine gewisse Rechtsunsicherheit zum Umgang mit Kundendaten gehören, die sich durch ein professionelles Kunden-Management zwar minimieren, aber nicht völlig eliminieren lässt. Unternehmen sollten daher die aktuelle Rechtsprechung im Auge behalten, vor allem aber auch die Prozesse zur rechtskonformen Datenerhebung und -verarbeitung noch einmal auf den Prüfstand stellen. Viele Lösungen wurden im Angesicht der DSGVO-Deadline mit der heißen Nadel gestrickt und nicht sauber implementiert. Eine Überprüfung, Optimierung und Automatisierung kann nicht nur Zeit und Kosten sparen, sondern auch zu mehr Rechtssicherheit beitragen.

Fazit

Während in den vergangenen Jahren die Weiterentwicklung von Tools und Technologien im Mittelpunkt stand, wird zukünftig vermehrt die Integration von Kanälen, Daten und Prozessen eine entscheidende Rolle für den Erfolg des Customer Relationship Managements spielen. Marketing-Automation, KI oder Chatbots können vor allem dann ihre Stärke ausspielen, wenn alle Abteilungen nahtlos zusammenarbeiten und Prozesse durchgängig betrachtet werden können. Das stellt neue Anforderungen an Marketing und Vertrieb, die zunehmend verschmelzen, aber auch an die Rechtsabteilung. Rechtliche Vorgaben wie die DSGVO erfordern einen sensiblen, transparenten und durchgängig dokumentierten Umgang mit personenbezogenen Daten – auch das muss im Jahr 2019 Teil einer CRM-Strategie sein.

Steffen Bolenius ist Bereichsleiter Insurance Business Consulting bei msg.

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