Werden Softwareentwickler durch Low Code obsolet?

Von   Sarah Berger   |  CEO and Founder   |  Die Biberei
26. April 2021

Low Code Plattformen werden immer bekannter. Laut Gartner hat das Thema Low Code oder No Code Entwicklung großes Wachstumspotenzial. Es ermöglicht Nicht-Programmieren eigene Anwendungen zu entwickeln, beispielsweise Webapplikationen oder mobile Applikationen. Es hat das Potenzial die digitale Transformation stark zu beschleunigen. Gleichzeitig wirkt es dem Fachkräftemangel an IT-Spezialisten entgegen.
Das Versprechen von Low-Code Plattformen ist, dass Softwareapplikationen mit deutlicher weniger Aufwand und in kürzerer Zeit entwickelt werden können. Möglich ist dies, durch Standardkomponenten, welche dem Nutzer zur Verfügung gestellt werden. Es ist mithilfe eines Visual Editors möglich die einzelnen Komponenten (Buttons, Listen, etc.) zu nutzen. Die Applikation kann nach einem “Lego-Prinzip” entwickelt werden.

Das lässt natürlich die Frage zu, ob Softwareentwickler in Zukunft noch gebraucht werden? Welchen Einfluss hat der Low-Code Trend auf die aktuelle Arbeitsmarktlage für IT-Spezialisten?

Welche Vorteile bieten Low Code Plattformen für Unternehmen

Gerade die Corona-Krise hat gezeigt wie viel Nachholbedarf deutsche Unternehmen im Bereich der Digitalisierung haben. Gerade kleinere oder mittelständische Unternehmen haben sich bisher davor gescheut das Thema Digitalisierung richtig anzugehen. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn interne Prozesse ineffizient gestaltet sind, weil die richtige Software fehlt. Oftmals sind die Standardapplikationen am Markt jedoch nicht passend oder zu teuer. Die Alternative wäre mehr Individualsoftware zu entwickeln. Hier sind jedoch die Initialkosten häufig viel zu hoch. Also passiert allzu häufig gar nichts.

Low Code Plattformen können genau diese Lücke schließen. Je nach Anbieter sind die monatlichen Kosten unter 100 € pro Applikation. Die Entwicklungsaufwand ist je nach Applikationen zwischen 1 und 2 Wochen.

Auf einmal sieht die Bewertung ganz anders aus. Mit diesen geringen Kosten und vor allem der Möglichkeit, dass die Entwicklung mit bestehendem Personal erledigt werden kann, ist für viele Unternehmen ein Game Changer.

Applikationen können passgenau entwickelt werden. Die Entwicklung benötigt jedoch keine externe Kompetenz im Bereich Softwareentwicklung. Mit ein wenig Starthilfe sind Mitarbeiter im Fachbereich selbst in der Lage die Applikationen zu entwickeln und zu pflegen.

Der Nutzen liegt also klar auf der Hand. Neben den offensichtlichen Vorteilen wie Kosteneinsparung und Reduzierung der Entwicklungsgeschwindigkeit bringt es jedoch noch einen viel wichtigeren Vorteil. Die Reduzierung der Digitalisierungshürde. Bislang lag es nicht an den technischen Möglichkeiten, dass die Digitalisierung so schleppend voranging. Viel mehr lag es an der Akzeptanz dieser Lösungen und an der Angst vor der Komplexität. Durch diesen leichten und risikoarmen Einstieg in den Bereich Softwareentwicklung können Unternehmen weitere Schritte in Richtung Digitalisierung gehen. Es wird kein großes Budget benötigt, um neue Applikation intern oder extern auszuprobieren.

Unternehmen können sich dem Thema Digitalisierung und Softwareentwicklung mit geringem Risiko annähern.

Welche Applikationen können mit Low Code entwickelt werden?

Die größten Gegner oder Skeptiker von Low Code äußern das Argument, dass Low Code nur für einen kleinen Teil der Applikationen nutzbar ist. Zugegeben, wenn ich an einem Algorithmus für autonomes Fahren arbeite, werde ich sehr wahrscheinlich keine Low Code Plattform nutzen können. Aber, das sind auch die Ausnahmen. Die meisten Applikationen werden in komplett anderen Anwendungsfällen benötigt.

Es sind viel mehr Anwendungsfälle in denen Daten aufbereitet anderen Menschen zur Verfügung gestellt werden. Situationen, in denen Daten über richtige Eingabefelder eingetragen werden können und zentral verarbeitet werden können. Wir reden beispielsweise von Dashboards, welche Kennzahlen aus dem Shopfloor für alle bereitstellen.

Die Beispiele sind unendlich. Selbst, wenn die bereitgestellten Funktionen nicht ausreichen, gibt es je nach Plattform die Möglichkeit selbst entwickelte Funktionen zu implementieren. Damit ist auch die Angst, dass ich irgendwann an meine Grenzen stoße unbegründet. Es muss jedoch darauf geachtet werden die richtige Plattform zu wählen.

Die Plattform sollte sich mit externen Systemen integrieren lassen und es auch zu lassen eigenen Softwarecode hinzuzufügen.

Werden dadurch weniger Softwareentwickler benötigt?

Objektiv betrachtet kommt bei diesen ganzen Vorteilen natürlich die Frage auf, ob in Zukunft weniger Softwareentwickler benötigt werden. Schließlich können mit Low Code zukünftig auch Nicht-Entwickler eigene Applikationen entwickeln.

Ich sehe diese Angst völlig unbegründet. Low Code Plattformen sind für viele Anwendungsfälle die ideale Wahl, allerdings nicht für alle. Es wird immer Situationen geben, in denen komplexe Algorithmen oder Softwareentwicklungen benötigt sind. Gerade das Thema Schnittstellen zwischen unterschiedlichen Systemen wird dadurch noch wichtiger. Genau dort werden erfahrene Softwareentwickler benötigt. Auch die Entwicklung von Low Code Plattformen erfolgt von Softwareentwicklern. Je höher der Bedarf an solchen Plattformen ist, desto mehr Softwareentwickler werden benötigt.

Was wir in Zukunft allerdings weniger benötigen, sind Softwareentwickler für simple und monotone Aufgaben. Allerdings ist das kein Nachteil. Softwareentwickler können sich auf das Fokussieren, was wirklich einen Mehrwert stiftet und auch der Natur der Entwicklung entspricht. Das Lösen von komplexen Problemen. Es geht viel mehr darum die wirklich schwierigen technischen Fragen zu beantworten und sich nicht mit simplen Aufgaben zu beschäftigen.

Die Vorteile von Low Code für Softwareentwickler

Low Code kann Softwareentwickler bei ihrer täglichen Arbeit sehr unterstützen. Es hilft nicht nur die simplen und monotonen Aufgaben zu reduzieren. Viel mehr hilft es ist die Kundenanforderungen zu spezifizieren, bevor es in die eigentliche Entwicklung geht.

Es wird viel Zeit und Geld verschwendet Software zu entwickeln, welche nicht den Kundenanforderungen entspricht. Das hat vielerlei Gründe. Beispielsweise, dass Kundenanforderungen gerade in der agilen Produktentwicklung sich häufig ändern. Das ist nichts Negatives, sondern gehört zur Entwicklung.

Des Weiteren ist es häufig ein Problem, dass zwischen dem Kundenteam und dem Entwicklungsteam keine einheitliche Sprache herrscht. Anforderungen werden falsch verstanden und missinterpretiert.

Eine Lösung des Problems ist es, unsichere Kundenanforderungen mithilfe von wenig Aufwand validieren zu lassen. Low Code ist eine Möglichkeit mit wenig Programmieraufwand Applikationen zu entwickeln, um zunächst die Hypothesen zu validieren. Anschließend kann mit einer viel größeren Sicherheit Software entwickelt werden. Das bedeutet jedoch nicht, dass Low-Code nur für MVPs gedacht ist. Die meisten Plattformen erlauben es komplett skalierfähige Systeme zu entwickeln.

Ein anderer Vorteil ist, dass der Product Owner beziehungsweise das Produktteam die Lösung zunächst selbst entwickeln und gestalten kann. Es müssen nicht mehr alle Anforderungen mit Worten oder Zeichnungen beschrieben werden. Das Produkt kann zunächst mit echten Daten und mit wirklichen Funktionen gestaltet werden. Das hilft vor allem dem Produktteam sich nochmal wirklich zu überlegen wie die Lösung aussehen soll und was es alles können muss.

Der Softwareentwickler hat damit die Chance viel genauer die Funktionen zu hinterfragen und den Leistungsumfang zu verstehen. Die Chancen, dass aneinander vorbeigeredet wird ist deutlich geringer.

 

beschäftigt sich seit mehreren Jahren mit der Entwicklung von digitalen Produkten und Services. Sie ist die Gründerin und Geschäftsführerin der Biberei. Der Purpose Ihres Unternehmens ist es Unternehmen und Gründer*innen mehr Mut für Digital zu machen.

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