Warum die Inklusion im IT-Sektor alle Unternehmen betrifft

Vielfalt beschreibt ein breites Spektrum von Menschen mit unterschiedlichen demografischen Merkmalen. Exemplarisch eine Mischung aus verschiedenen Geschlechtern, Nationalitäten, Religionen und weiteren. Bei der Integration geht es darum, all diesen Menschen ein Gefühl der Sicherheit zu vermitteln und ihnen die Möglichkeit zu geben, sie selbst zu sein und in einer bestimmten Organisation erfolgreich zu sein. Vielfalt bedeutet, dass man zur Party eingeladen wird, während Inklusion bedeutet, dass man zum Tanzen aufgefordert wird.
Von   Meri Williams   |  Chief Technology Officer   |  Pleo
28. Februar 2023

Heutzutage sprechen wir auch von Gleichberechtigung: Menschen werden fair behandelt, auch wenn das manchmal paradoxerweise bedeutet, dass unterschiedliche Ausgangspositionen berücksichtigt werden müssen. Zugehörigkeit bedeutet, dass sich ein breites Spektrum von Menschen in einer Organisation zu Hause fühlt.

Der IT- und Technologiesektor ist ein gutes Beispiel für bestehendes Verbesserungspotential auf diesem Feld. Der Sektor ist in der Regel gut darin, viele verschiedene Nationalitäten einzubeziehen – aber weniger gut darin, Frauen, nicht-binäre Menschen, farbige Menschen und ältere Altersgruppen zu vertreten. Auf der anderen Seite besteht die Möglichkeit, dass Neurodiversität im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung überrepräsentiert ist.

Die Unausgewogenheit der Stellenbesetzungen im IT-Sektor bringt weitreichende negative Effekte mit sich, die sich auf verschiedenen Ebenen manifestieren. Ein bekanntes Beispiel sind KI und Human Bias. Die Leistung der Computersysteme zeigt eine algorithmische Voreingenommenheit auf, welche in KI-Systemen verschiedene Formen annimmt, wie z.B. geschlechtsspezifische und rassistische Vorurteile, oder auch Altersdiskriminierung – eine fatale Situation, vor allem da das Thema KI mehr und mehr in den Vordergrund tritt. Doch wie können wir gegen dieses Problem vorgehen? Zunächst gilt es, die Technologiebranche vielfältiger zu gestalten.

Vielfalt und Integration am Arbeitsplatz – warum jede:r davon profitiert

Divers besetzte Teams – in Bezug auf Geschlecht, Hautfarbe, Herkunft und sexuelle Orientierung – fördern die Kreativität, Innovation und Effizienz in der Branche (McKinsey). Je vielfältiger Teams aufgestellt sind, desto unterschiedlicher sind die Hintergründe, Erfahrungen und Denkweisen der Mitglieder – und desto breiter ist die Palette von Lösungen, die sie entwickeln. Vielfältige Teams sind zudem oft zufriedener und motivierter. Kein Wunder, schließlich haben die Mitglieder das Gefühl, dass ihre Ideen und Perspektiven geschätzt werden und sie sich in einem integrativen Umfeld befinden.

Das spiegelt sich auch in Befragungen wider: Exemplarisch sprachen sich in einer Studie aus der Cybersecurity-Branche 47 Prozent der Befragten für mehr Neurodiversität in den nächsten fünf Jahren aus. Genauso vielversprechend gestaltet sich die Entwicklung von Vielfalt und Inklusion: 69 Prozent der mehr als 300 befragten Unternehmen beschäftigten sich in den letzten Jahren mit der Frage, wie sie ihre Belegschaft diversifizieren können.

Aber was ist ein „integrativer Arbeitsplatz” überhaupt?

2023 muss ein großer Fokus auf der integrativen Gestaltung von Arbeitsplätzen liegen, um sicherzustellen, dass das eigene Unternehmen für eine divers aufgestellte Belegschaft attraktiv ist.

Doch was ist das eigentlich, ein integrativer Arbeitsplatz? Darunter versteht sich ein Ort, an dem alle Menschen fair und respektvoll behandelt werden und über gleiche Aufstiegschancen verfügen – unabhängig von ihrem Hintergrund, ihrer Hautfarbe, ihrem Geschlecht, Alter und weiteren Faktoren.

Die Herausforderung besteht nun darin, mehr Arbeitsplätze in der Tech-Branche in solche Orte zu verwandeln. Manche würden glauben, dass die Programmiersprache die Menschen vereint und dieses Vorhaben somit erleichtert. In Wirklichkeit ist dem jedoch nicht so, die Tech-Branche steht vor denselben gesellschaftlichen Herausforderungen wie alle anderen auch. So ernüchternd es auch klingen mag, der größte Anreiz zu mehr Integration ergibt sich aktuell vor allem aus dem anhaltenden Fachkräftemangel. Qualifiziertes Fachpersonal ist weiterhin rar, jemanden auszuschließen kommt einem Eigentor nahe.

Checkliste für Unternehmen: so lässt sich für mehr Inklusion sorgen

Um einen Rahmen für mehr Vielfalt, Eingliederung und Gleichberechtigung zu schaffen, müssen Entscheider:innen in der Unternehmensstrategie integrierte Ziele festlegen. Dabei stellen folgende Punkte wichtige Meilensteine dar:

  1. Kommunikationsrichtlinien einführen: Die Verwendung einer integrativen Sprache zieht alle Mitarbeitende mit ein und verhindert das Gefühl, sich (aktiv oder passiv) ausgeschlossen zu fühlen.
  2. Vielfalt bei Partnerschaften: Unternehmen, die sich bemühen, mit einer diversen Gruppe von Partner:innen zusammenzuarbeiten, fördern bereits innerhalb ihrer Lieferkette Vielfalt.
  3. Unterstützung von vielfältigen Communities und ehrenamtlichen Gruppen: Aktives Engagement in ehrenamtlichen Organisationen oder Stiftungen, die Vielfalt und Integration fördern, wie der Deutschlandstiftung Integration, unterstützt nicht nur die Sache an sich, sondern trägt die Message, dass das Unternehmen diese Werte unterstützt, auch nach außen.
  4. Unterstützende Strukturen für Mitarbeitende aus unterrepräsentierten Gruppen schaffen: Employee Resource Groups (ERGs) sind von und für Mitarbeiter:innen auf freiwilliger Basis organisierte Gruppen, die eine integrative Arbeitsatmosphäre fördern, die im Einklang mit den Werten des Unternehmens steht. Auch Diversity & Inclusion Officers unterstützen bei der Etablierung von mehr Inklusion.
  5. Schulungen zum Thema Vielfalt und Integration: Weil Mitarbeitende die Menschen in ihrer Umgebung auch unwissentlich schädigen können, unterstützen Schulungen dabei, die Unterschiede zwischen ihren Kolleg:innen zu verstehen und schätzen zu lernen sowie ein integratives Umfeld zu schaffen.
  6. Aktive Zusammenarbeit mit externen Äquivalenten von ERGs fördern: Insbesondere bei der Anwerbung und Einstellung von Mitarbeitenden haben sich diese Gruppen in der Vergangenheit bewährt und externe Expertise in den Prozess gebracht. Ein Beispiel aus Großbritannien für solche externen Gruppen sind die Code First Girls.

Employee Enablement – vor dem Hintergrund der Inklusion wächst die Bedeutung abermals

Der Fokus auf die Befähigung von Mitarbeitenden hat Hochkonjunktur, dabei ist er in vielen Wirtschaftszweigen noch relativ neu. In einem so schnelllebigen und höchst kompetitiven Umfeld wie der IT-Branche ist die Zufriedenheit der Mitarbeitenden von zentraler Bedeutung. Selbst in dem kritischen Wirtschaftsklima, mit dem wir seit letztem Jahr konfrontiert sind, verfügten die meisten Entwickler:innen über zahlreiche Jobangebote. Ein positives, befähigendes Arbeitsumfeld ist demnach umso entscheidender, um die Aufmerksamkeit von Talenten mit diversen Hintergründen auf das Unternehmen zu lenken, sie einzustellen und vor allem auch dauerhaft zu halten. Dabei kommt es jedoch auf ein paar wichtige Punkte an:

  1. Ziel der Mitarbeitendenförderung ist eine engagierte und motivierte Belegschaft. Nur dann treiben sie das Wachstum und den Erfolg des Unternehmens voran.
  2. Gleiche Chancen für alle: Das Unternehmen muss gewährleisten, dass alle Mitarbeitenden die gleichen Entwicklungs- und Aufstiegschancen haben.
  3. Feedback at its finest: Mitarbeitende benötigen regelmäßiges und kontinuierliches Feedback. Auch benötigen sie selbst eine Möglichkeit, ihre Gedanken und Bedenken in Bezug auf Vielfalt und Integration mitzuteilen. Nur dann können Führungskräfte die aktuelle Stimmung ermitteln und feststellen, welche Aspekte optimiert werden müssen.
  4. Mentoring- und Patenschaftsprogramme: Diese Programme bringen Mitarbeitende mit Mentor:innen und Sponsor:innen zusammen, die sie in ihrer beruflichen Entwicklung unterstützen.
  5. Und last but not least: Führungspositionen gezielt divers besetzen. Unternehmen fördern die Vielfalt in Führungspositionen, indem sie aktiv in Angehörige unterrepräsentierter Gruppen investieren, die häufig nicht die gleichen Chancen erhalten wie die Mehrheit, weil sich ihr Potenzial auf unterschiedliche Weise zeigt.

Flexibilität am Arbeitsplatz auch in 2023 eine Priorität – unterschiedliche Menschen haben verschiedene Bedürfnisse

Flexibilität am Arbeitsplatz ist ein zentrales Instrument, um Personen mit unterschiedlichen Hintergründen zu akquirieren. So erleichtern Unternehmen mit der Einführung von flexiblen Arbeitszeitmodellen und der Option für Remote Work die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Für Arbeitnehmende steht das hoch im Kurs – nicht zuletzt aufgrund von zusätzlich zu leistender Care-Arbeit. Naheliegende Beispiele sind die Bereitstellung alternativer Möglichkeiten für Arbeitnehmende mit einer Behinderung oder eine problemlose Ermöglichung von Elternzeit und Pflegeurlaub.

Vorne anfangen: Den Recruitingprozess überdenken 

Damit Inklusion im Unternehmen wirklich gelebt wird, sind jedoch mehr als flexible Arbeitszeiten nötig, Entscheider:innen müssen sich ein flexibles Denken angewöhnen. Sie benötigen eine generelle Offenheit gegenüber Bewerber:innen mit nicht-traditionellen Karrierewegen und die Bereitschaft, Bewerber:innen in Betracht zu ziehen, die eventuell nicht alle geforderten Qualifikationen mitbringen. Sehr viel wichtiger ist, dass sie bereit sind, sich diese anzueignen.

Deshalb empfiehlt es sich, auch Leute ohne Informatik-Abschluss oder jene, die andere Fächer studiert haben, Autodidakten sind oder gar nicht an der Universität waren, in den Auswahlprozess zu involvieren. Zunehmend verbreitet sich auch das Modell, sogenannte Bootcamp-Studenten zu beschäftigen. Sie lernen in kürzester Zeit (in der Regel in drei bis sechs Monaten) programmieren und wechseln daraufhin in den technischen Bereich.

Tatsächliches Engagement für Vielfalt und Inklusion beginnt bereits bei der Rekrutierung und Einstellung. Deshalb stehen Unternehmen in der Verantwortung, Personalverantwortliche und Personalvermittler:innen frühzeitig in integrativen Praktiken zu schulen. Sie müssen gerechte Einstellungsverfahren einführen, die das Potenzial für Voreingenommenheit so weit wie möglich minimieren. Eine Möglichkeit, um während der ersten Einstellungsrunde Vorurteile zu vermeiden, sind anonyme Bewerbungen – also Bewerbungen ohne Angabe von Name, Geburtsdatum, Familienstand, Geschlecht, Herkunft und anderen personenbezogenen Daten. Dadurch gestaltet sich der erste Eindruck von Personaler:innen komplett unabhängig von äußeren, geschlechterspezifischen oder herkunftsbedingten Merkmalen der Bewerber:innen. Eine Alternative besteht darin, die Prüfer:innen von Bewerbungen in Bezug auf unbewusste Voreingenommenheit zu schulen, damit sie diese bei der Prüfung von Bewerbungen bewusst bekämpfen.

Wie jedoch machen Unternehmen diverse Bewerber:innen auf sich aufmerksam? Hier empfiehlt es sich, mit Organisationen zusammenzuarbeiten, die sich um unterrepräsentierte Bevölkerungsgruppen kümmern, wie z.B. der Deutschlandstiftung Integration, um einen größeren Pool an Bewerber:innen zu erreichen.

Kein reines HR-Topic: Engagement für Inklusion zieht sich durch das gesamte Unternehmen

Nochmals zusammengefasst: Unternehmen profitieren von einer engagierten und vielfältigen Belegschaft. Neben verbesserter Kreativität und Innovation bis hin zu einer gesteigerten Effizienz trägt diese maßgeblich dazu bei, eine engagierte Kultur für alle Mitarbeiter:innen zu schaffen. Denn wenn Mitarbeitende am Arbeitsplatz geschätzt, respektiert und einbezogen werden, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich engagieren und mit ihrer Arbeit zufrieden sind.

Die strategische Entwicklung einer vielfältigen und integrativen Unternehmenskultur und die Kommunikation der integrativen Botschaft ist die Basis, um überhaupt das gesetzte Ziel zu erreichen.

Zudem hilft eine regelmäßige Überprüfung der Diversitätsstatistiken der eigenen  Belegschaft, um sicherzustellen, dass sich das Unternehmen auf dem richtigen Weg befindet, um die gesetzten Ziele zu erreichen. Denn: Wenn es dem Unternehmen mit der Förderung von Vielfalt, Gleichberechtigung, Integration und Zugehörigkeit ernst ist, sollte es überprüfen, wie repräsentativ es tatsächlich ist. Als ein Sektor, der sich rühmt, für alle da zu sein, müssen IT-Unternehmen im Jahr 2023 sicherstellen, dass jede:r vertreten ist und dass allen das Gefühl gegeben wird, dazuzugehören und zu ihren eigenen Bedingungen erfolgreich sein können.

Meri Williams ist Chief Technology Officer bei dem internationalen Fintech-Unicorn Pleo, einem cloudbasierten Finanzmanagementsystem, das intelligente Unternehmenskarten an Mitarbeiter ausgibt, um Ausgaben zu automatisieren, Rechnungen zu bezahlen und Echtzeiteinblicke in die End-to-End-Ausgaben von Unternehmen zu ermöglichen. Meris Aufgabe ist die Leitung des Technologie-Teams, das die Bereiche Technik, IT, Sicherheit, Daten und Analytik umfasst, mit besonderem Schwerpunkt auf der technischen Innovation innerhalb des Pleo-Produkts. Meri kann über eine breite Palette von Themen sprechen. Zu ihren Fachgebieten gehören die Rolle der Technologie bei der Veränderung der aktuellen Geschäftslandschaft, KI und wie sie Innovationen vorantreibt.

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