Image provided by the author

Von der industriellen zur digitalen Revolution

Warum das Thema digitale Ethik für jeden verständlich gemacht werden muss:
Von   Edgar Ehlers   |  Interim CDO, Inhaber und Geschäftsführer | ee factor agile consulting GmbH   |  ee factor agile consulting GmbH
12. Januar 2024

Was bedeuten Digitalisierung und KI aktuell für unsere Gesellschaft? Während sich neuste Entwicklungen in verschiedenen Branchen und Subkulturen etablieren und sogar immer weiter ausbauen, bleibt dem Großteil der Gesellschaft der Zugang oder zumindest ein grundlegendes Verständnis von künstlicher Intelligenz verwehrt. Denn was genau sich hinter KI verbirgt und dass mit Fortschritt auch Verantwortung kommt, wissen noch immer die wenigsten. Zwischen Vorurteilen und begründeten Bedenken rückt das Thema digitale Ethik also immer weiter in den Vordergrund.

Die Wissenslücken hinsichtlich ethischer oder moralischer Gesichtspunkte entwickeln sich langfristig zu einem großen Problem. KI wird in Zukunft angeben, wie wir arbeiten, soziale Kontakte pflegen oder unseren Alltag verbringen – umso wichtiger, die breite Masse für das Thema zu sensibilisieren und verständlich zu machen, wie der Change Mensch und Arbeitswelt betrifft.

Die digitale Transformation

Cyberkriminalität, Diskriminierung, Datenschutz sowie -gewinnung: Die Zeit, zu der über digitale Ethik gesprochen werden sollte, ist schon längst gekommen. Deutschland verschlief bereits die Digitalisierung – der gleiche Fehler darf sich beim Thema KI nicht wiederholen. Denn neben Veränderungen im wirtschaftlichen Sektor hinsichtlich Entstehung neuer Arbeitsplätze sowie dem Abbau anderer greift die Transformation auch immer mehr in den Alltag aller über.

Die moderne Welt steht vor der nächsten industriellen Revolution. Während Führungsebenen vermehrt KI in ihre Unternehmenskultur integrieren, um Arbeitsabläufe zu optimieren, bleiben Mitarbeitende häufig auf der Strecke: Arbeitsplätze ändern sich oder fallen ganz weg. Erstmalig stehen nun künstliche Intelligenzen für jeden und jede zur Verfügung und somit eröffnete sich die digitale Welt auch für die breite Gesellschaft. Ob ChatGPT, Bild-, Video- oder Stimmenbearbeitungs-Softwares: Insbesondere die jungen Generationen lernen schon früh, was es braucht, um KI zu benutzen. Die Gefahr, andere Gesellschaftsteile nicht mitzunehmen, weil der Change gefürchtet wird, wächst.

Moralische Standards eines Computers

Ein Grundverständnis von künstlicher Intelligenz wird in Zukunft Mensch-Maschine-Kollaboration nachhaltig beeinflussen. Daher sollten auch ethische Überlegungen von Anfang an in den Entwicklungsprozess einfließen. Ob die Erstellung von Kunst, Programmierung von Robotern oder die Art und Weise, wie wir kommunizieren: KI integriert sich schneller in unseren Alltag, als manch einer wahrhaben möchte. Was viele dabei schnell vergessen, ist, dass die Maschinen mit reichlich Informationen und Daten versorgt werden müssen.

Allein dieser Schritt bringt in vielen Fällen schon das erste moralische Dilemma mit sich. Wie lernen intelligente Systeme und wie ethisch korrekt kann Datenbeschaffung sowie deren Einspeisung sein? Erst ChatGPT zeigte, dass hinter der Maschine tatsächlich erst mal Menschen stehen. Menschen, die sich unsägliche Inhalte anschauen und in das System einspeisen müssen, um die KI auf unsere moralischen Werte zu trainieren. Für „richtige“ oder „falsche“ Moralvorstellungen existiert allerdings keine Norm, sondern eher ein intrinsischer Kompass. Menschen mit misslicher Motivation, aber dem nötigen Know-how, können also im schlimmsten Fall eine künstliche Intelligenz nach ihren Standards trainieren, um sie dann für dubiose Zwecke einzusetzen.

Auch „gut“ trainierte KI wies schon Züge von Rassismus oder Sexismus auf. Wie ethisch korrekt kann also schon die Geburt solcher Techniken sein? Das sind Fragen, mit denen sich früher oder später jeder auseinandergesetzt haben sollte. Gemeinsame Standards, Leitlinien und Kooperationen sind notwendig, um sicherzustellen, dass die digitale Entwicklung im besten Interesse aller erfolgt.

Die Wirtschaftlichkeit von KI

Die Vorteile und Innovationskraft, die KI für Wirtschaft und Industrie bereithält, dürfen aber auch im ethischen Diskurs nicht zu kurz kommen. Aufstrebende Technologien ermöglichen nicht nur eine Automatisierung und Effizienzsteigerung, sondern auch Grundlagen für neue Geschäftsmodelle und Dienstleistungen – diese nehmen Menschen immer mehr Aufgaben ab und entlasten sie somit auf körperlicher oder geistiger Ebene. Im Bereich von Software und Computerlösungen entwickeln sich dadurch ganze Geschäftszweige neu.

Künstliche Intelligenz besitzt das Potenzial, die Wirtschaftslandschaft auf fortschrittliche Weise zu prägen. Kontinuierliche Anpassung sowie die Fähigkeit der datengesteuerten Entscheidungsfindung versprechen neben Innovation auch die Steigerung von Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit. Auf der anderen Seite steht verantwortungsbewusster Umgang: Damit KI zu Wohlstand und Fortschritt führt, müssen Gesellschaft, Regierung und Unternehmen zusammenarbeiten, ohne negative ethische oder soziale Konsequenzen zu übersehen.

Um die Wirtschaftlichkeit von KI zu gewährleisten, erfordert der Umgang mehr Verantwortung und ethische Entscheidungskompetenz als etwa die Digitalisierung, die den Weg in Richtung  KI-basierten Arbeitens ebnete.

Die nächste Industrialisierung

Das 18. und 19. Jahrhundert veränderten die Art und Weise des Arbeitens nachhaltig – und heute stehen die Industriestaaten vor der nächsten richtungsweisenden Modifizierung. Am Beispiel der Produktionslogistik lässt sich klar erkennen, in welchen entscheidenden Punkten automatisierte Prozesse sowie der Einsatz von KI das Arbeitswesen langfristig beeinflussen.

Um Waren rechtzeitig sowie in den richtigen Mengen an Kunden zu liefern, gilt es einen reibungslosen Produktionsprozess zu gewährleisten. Sie benötigen eine hohe Kommunikationsintensität und unterlaufen einer störungsanfälligen Supply Chain. Wer hier nicht den effizientesten Weg wählt, riskiert auf lange Sicht, von Mitbewerbern überrollt und verdrängt zu werden. KI-basierte Systeme helfen bei der Umsetzung der immer komplexer werdenden Anforderungen – der Fokus auf diese Entwicklungen darf aber nicht zum Leidtragen von Arbeitnehmern geschehen. Hier gilt es schon gestern statt heute neue Berufszweige zu schaffen und Betroffenen mithilfe von Umschulungen ihre Arbeitsplätze zu sichern.

Zukunft der Arbeit

Zwar moduliert der Einsatz von innovativen Technologien Arbeitsplätze, aber baut diese längst nicht ab. Künstliche Intelligenz schafft in der Wirtschaft voraussichtlich mehr Arbeitsplätze, als dass sie welche schwinden lässt – die Beschaffenheit wird sich allerdings weitreichend ändern. Die Neugestaltung der Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine rückt zunehmend ins Zentrum der Aufmerksamkeit.

Die an vielen Stellen verpasste Digitalisierung hemmt den Wandel hin zur technischen Transformation allerdings immens und sorgt in vielen Teilen der Bevölkerung noch immer für Bedenken hinsichtlich ihrer beruflichen Zukunft. Arbeitnehmende müssen sich bereit erklären, Veränderungen offen zu begegnen, während Arbeitgeber aus dem ethischen Blickwinkel heraus mehr denn je in der Pflicht stehen, ihren Mitarbeitenden im Zuge der technischen Transformation alternative Perspektiven aufzuzeigen.

Es reicht längst nicht mehr, dass nur Management-Ebenen und IT-Profis verstehen, was sich hinter Digitalisierungsprozessen und künstlicher Intelligenz verbirgt – der Big Change muss weitflächig von der Bevölkerung verstanden werden.

Der verlängerte Arm von Gen Z und Alpha

Insbesondere die Generationen Z und Alpha zeigen, wie leicht KI und digitale Transformation mit dem Alltag verschmelzen. Kinder lernen heute schon in jungen Jahren durch Smartphone und Internet, wie sie AIs bedienen, während Eltern durch den drohenden Kontrollverlust Verbote aussprechen. Jung und Alt gleichermaßen über Risiken und Chancen aufzuklären, entwickelt sich zu einer der größten Herausforderungen. Denn wie sollen junge Menschen verstehen, wie die Technik dahinter funktioniert, wenn es ihnen niemand erklärt?

Die digitale Welt ist dynamisch und wandelt sich ständig – so müssen sich Systeme aller Art revolutionieren, um Gesellschaft und Markt auf die Zukunft vorzubereiten. Die Verantwortung besteht darin, sich kontinuierlich anzupassen und Regulierungen, Standards und ethische Grundsätze weiterzuentwickeln, um den Anforderungen einer sich verändernden digitalen Landschaft zu begegnen.

Edgar Ehlers ist Gründer der strategischen Unternehmensberatung ee factor agile consulting GmbH. Der Agilist unterstützt Unternehmen bei der Umsetzung von agilen sowie schlanken Arbeitsweisen und legt besonderen Wert darauf, dass Transformation auf allen Ebenen stattfindet. Kooperative Zusammenarbeit, die von Klarheit und Respekt geprägt ist – so lautet seine Maxime. Einen weiteren Schwerpunkt von Edgar bildet die Sanierung von agilen Konzernen. In dieser Funktion unterstützt er hauptsächlich namhafte Firmen in der Automobil- und Telekommunikationsbranche und bekleidet dort wichtige Positionen – zuletzt als Vizepräsident des Agile Chapters bei einem führenden Telekommunikationsunternehmen in Deutschland. Edgar hat seine Expertise durch rund 200 Aus- und Weiterbildungen in der systemischen Beratung, New Work, agiler Kompetenz, Strategie, Finanzen und KI-Management erlangt. In seiner Beratung setzt der Interims-CDO auf eine selbst entwickelte 4-Phasen-Methode. Neben Transparenz, Messbarkeit und Urteilsvermögen sind ihm die Ermächtigung der Mitarbeitenden und die Skalierbarkeit der Lösungsansätze wichtige Anliegen.

Um einen Kommentar zu hinterlassen müssen sie Autor sein, oder mit Ihrem LinkedIn Account eingeloggt sein.

45753

share

Artikel teilen

Top Artikel

Ähnliche Artikel