Wenn es um Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung von Unternehmen geht, zählt die Modebranche zu den am meisten hinterfragten und kritisierten Industrien weltweit. Oftmals bemühen sich Modemarken, ihren Ruf in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (Environmental, Social and Governance / ESG) durch Greenwashing zu verbessern – etwa mithilfe von evokativem Marketing, geschickter Etikettierung oder gar durch missbräuchlich eingesetzte Kennzahlen und übertriebene Nachhaltigkeitsverpflichtungen.
Allerdings rücken Nachhaltigkeit und Verantwortung von Organisationen weltweit immer mehr in den Fokus: Verbraucher werden zumehmend bewusster und auch auf legislativer Ebene horchen Regierungen rund um den Globus immer häufiger auf – und werden aktiv.
Doch wie gelingt es Modemarken, eine Nachhaltigkeitsgeschichte zu erzählen, die zumindest teilweise auf Fakten zu beruhen scheint? Die Antwort ist ganz einfach: schmutzige Daten.
Schmutzige Daten – ein gefährlicher Mode-Fauxpas
Schmutzige Daten sind unvollständige, ungenaue, falsche, inkonsistente und nicht überprüfte Daten. Oftmals setzen Unternehmen nicht absichtlich auf schmutzige Daten, um bewusst Greenwashing zu betreiben. Vielmehr entstehen diese oft als Ergebnis eines mangelhaften Datenmanagements, minderwertiger Daten und eines unzureichenden digitalen Reifegrads – dies wiederum führt zu einer fragmentierten, untransparenten Lieferkette.
Und das ist einer der Gründe, warum Greenwashing so gefährlich ist: Es geht auf Kosten von Governance und Verantwortlichkeit. Eine Untersuchung von Changing Markets aus dem Jahr 2021 ergab, dass 59 Prozent der Angaben europäischer und britischer Modeunternehmen unbegründet oder irreführend waren. Falsche Aussagen sind eine Form von Betrug und riskieren die Beziehungen zu Stakeholdern, Kunden und Investoren – und sie gefährden auch die Marke selbst.
Der Druck für eine sauberere ESG-Berichterstattung wächst
Um dem entgegenzuwirken, ergreifen Regierungen auf der ganzen Welt vermehrt zu drastischen Maßnahmen, um Organisationen zur Verantwortung zu ziehen – rechtliche Konsequenzen und globale Auswirkungen sind die Folge. Einige Beispiele sind:
- In den USA wurde im Jahr 2022 im Bundesstaat New York der Fashion Sustainability & Social Accountability Act eingeführt. Eine Verabschiedung des Gesetzes schreibt die Offenlegung der ökologischen und sozialen Sorgfaltspflicht vor.
- Einige Länder wie Deutschland, Frankreich, Norwegen, Australien und Großbritannien haben bereits eine Lieferkettensorgfaltspflicht eingeführt.
- Die sogenannte Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) soll bis 2025 in der EU umgesetzt werden.
Erst kürzlich, im November 2022, gab das EU-Parlament endgültig grünes Licht für die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die voraussichtlich 2024 in Kraft treten wird. Die CSRD spielt eine treuhänderische Rolle bei der Glaubwürdigkeit von ESG-Berichtsdaten und erfordert eine granulare Berichterstattung.
Wie Modemarken schmutzige Daten bereinigen können
Im Folgenden finden sich drei häufige Ursachen für unsaubere Daten sowie Empfehlungen, um diese Herausforderungen zu adressieren und die Glaubwürdigkeit der ESG-Berichterstattung zu gewährleisten:
Herausforderung: Daten im Überfluss
Durch ihre überragende Präsenz in den sozialen Medien und die Zusammenarbeit mit Millionen von Followern und Influencern generieren Modemarken riesige Mengen an historischen und aktuellen Daten. Ein Großteil dieser Daten stammt jedoch aus un- und halbstrukturierten Quellen – dies wiederum führt zu Glaubwürdigkeitsproblemen. Verfügen Unternehmen über zu viele Daten, entwickeln sie oftmals zahlreiche und widersprüchliche KPIs, die nur eine vage Messung ihrer ESG-Leistung ermöglichen.
Empfehlung: Data Governance
Datenverwaltung gewährleistet, dass Daten im richtigen Format vorliegen und deren Qualität gesichert ist. Firmen müssen darüber hinaus Datenqualitätsstandards für alle Anbieter in der Lieferkette festlegen.
Herausforderung: Große, unübersichtliche und fragmentierte Lieferketten
Die Lieferketten der Modeindustrie sind sehr kleinteilig: Es gibt zahlreiche Berührungspunkte aus mehreren Beschaffungsmaterialien und -orten, verschiedenen Fertigungsstufen und einer breiten Palette von Produkten, für deren Herstellung gleich mehrere Lieferanten und Unterlieferanten auf der ganzen Welt erforderlich sind.
Diese Fragmentierung führt zu Silos und einer fehlenden gemeinsamen Datensprache innerhalb der Lieferkette. Verschiedene Organisationen wenden unterschiedliche Datenerfassungsprozesse und Maßeinheiten an, was zweifellos die Glaubwürdigkeit der Daten beeinträchtigt.
Empfehlung: Standardisierung der Daten
Anbieter und Lieferanten verwenden unterschiedliche Formate, Qualitätsstufen und Werte für das Verständnis von Daten – dies führt zu unterschiedlichen Interpretationen und irreführenden KPIs. Der Prozess der Datenstandardisierung eignet sich am besten zur Beseitigung solcher Risiken. Es handelt sich dabei um einen entscheidenden Prozess bei der Datenbereinigung, der inkonsistente Datenformate in ein allgemein akzeptables Format umwandelt.
Herausforderung: Outsourcing
Die meisten Modemarken besitzen keine eigenen Produktionslinien; stattdessen wird jedes Kleidungsstück oder Zubehör – wie Knöpfe, Gläser, Träger usw. – an externe Lieferanten in der ganzen Welt ausgelagert. Häufig erfolgt die Auswahl dieser Lieferanten über Einkaufsvermittler, die das Geschäft im Namen des Unternehmens abschließen. Viele Firmen haben also gar keinen Einblick in ihre Lieferketten – was wiederum dazu führt, dass es keine echten Daten gibt, sondern nur Annahmen und grobe Schätzungen.
Empfehlung: Automatisierte Datenerfassung
Datenautomatisierung ist für Unternehmen mit exponentiellem Datenwachstum von entscheidender Bedeutung. Der Prozess umfasst drei Hauptschritte: Daten aus Tabellenkalkulationen extrahieren, die Daten umwandeln, um Kompatibilität zu gewährleisten, und sie in ein zentrales Repository laden. Eine automatisierte Datenerfassung verringert den Arbeitsaufwand erheblich und verbessert gleichzeitig die Datenqualität.
Datenqualität – der erste Schritt zum Markenvertrauen.
Schmutzige Daten sind das „Waschmittel“ beim Greenwashing. Glaubwürdige und qualitativ hochwertige Daten schützen nicht nur die Stakeholder einer Marke, sondern auch die Organisation selbst. Sie helfen dabei, Nachfragen genauer zu adressieren sowie Ressourcen besser zu verwalten – damit verbessern Firmen automatisch ihren ökologischen Fußabdruck.
Doch eine bessere Datenqualität allein ist kein Allheilmittel. Unternehmen müssen kontinuierlich daran arbeiten, ihre Lieferkette zu überwachen und eine transparente Unternehmenskultur aufzubauen. Die regelmäßige Einbindung der Stakeholder innerhalb und außerhalb des Unternehmens ist ebenfalls von entscheidender Bedeutung – denn nur so können sich alle Parteien sicher sein, dass die Werte, Richtlinien und Nachhaltigkeitsstrategien der Organisation respektiert und umgesetzt werden.
In Anbetracht der zunehmenden Anforderungen und gesetzlichen Maßnahmen müssen Organisationen solide Berichterstattungssysteme einführen, die eine kontinuierliche Kontrolle, Überwachung und Erfassung von Daten aus unterschiedlichen Quellen ermöglichen. Auf diese Weise können sie die Glaubwürdigkeit der Daten optimieren, ihre Nachhaltigkeitsverpflichtungen erfüllen und ihre Marke – auch künftig – schützen.
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