Intelligente und empathische KI im Service – gelingt das?

Der Kundenservice der Zukunft verlangt mehr als Effizienz – er erfordert empathische KI. Nur wenn KI-Systeme nicht nur schnell, sondern auch einfühlsam reagieren, entsteht echter Mehrwert für Kunden und Unternehmen. Der Einsatz moderner Technologien wie LLMs, Sentimentanalyse und RAG ermöglicht empathische Dialoge, erkennt Emotionen und unterstützt menschliche Agenten gezielt. Voraussetzung sind kontextfähige Plattformen, Datenqualität und ein kultureller Wandel im Serviceverständnis – hin zu Vertrauen, Beziehungspflege und echter Kundenzentrierung.
Von   Michael Wallner   |  (Gen)AI & Agentic AI GTM Leader | EMEA Central   |  ServiceNow
10. Juni 2025

Intelligente und empathische KI im Service – gelingt das?

 

 

Effizienz und Reaktionsgeschwindigkeit zählen seit jeher zu den zentralen Anforderungen im Kundenservice. Mit dem Einzug von Chatbots und anderen automatisierten Lösungen ins Kundenmanagement entsteht in dieser Hinsicht zweifellos ein Mehrwert. Doch dieser zeigt sich nur dann vollumfänglich für Unternehmen und Kunden, wenn die eingesetzten KI-Systeme nicht nur schnell, sondern auch empathisch auf individuelle Anliegen reagieren. Dabei geht es um Tonlage, Timing und Fingerspitzengefühl, denn der digitale Dialog soll nicht kalt, er soll zugewandt sein. Ausgerechnet Künstliche Intelligenz (KI) – lange Zeit Sinnbild technischer Distanz – rückt ins Zentrum eines neuen und empathiebasierten Serviceverständnisses.

Richtig eingesetzt kann sie weit mehr als bloß Fragen zu beantworten oder Prozesse zu automatisieren. Sie wird zum fleißigen Helfer im Hintergrund und zum aktiven Gesprächspartner im direkten Kontakt. Eine aktuelle Studie eines KI-Plattform-Anbieters – der jährlich erscheinende sogenannte Consumer Voice Report – untersucht die Erwartungen von Verbrauchern an den Kundenservice der Zukunft. Im Mittelpunkt steht dabei die veränderte Rolle von KI im Umgang mit Kunden und die Frage, wie Technologie eingesetzt werden muss, um effizient deren Erwartungen zu erfüllen.

 

Neue Realität im Kundenservice

In der Vergangenheit war Kundenservice vor allem eines: reaktiv. Antworten kamen spät, mehrere Rückfragen waren notwendig und Medienbrüche waren die Regel, nicht die Ausnahme. Mit der fortschreitenden Digitalisierung schien die Lösung nah: Unternehmen setzten zunehmend auf Chatbots, Self-Service-Portale und automatisierte Rückmeldungen. Doch die dadurch entstandene anfängliche Euphorie auf Kundenseite wich schnell einer gewissen Ernüchterung. Denn was fehlte, war das Gefühl, wirklich verstanden zu werden.

Heute genügt es nicht mehr, nur funktional zu reagieren. 56 Prozent der 2.000 Befragten des ServiceNow Consumer Voice Report in Deutschland sagen, dass ihnen Freundlichkeit und Empathie im Kundenkontakt besonders wichtig sind. Fast die Hälfte erwartet heute bereits, dass KI auf Emotionen reagiert – derzeit erleben das allerdings nur 25 Prozent. Der technologische Fortschritt muss also nachziehen. Doch wie gelingt es, dass KI menschliche Kommunikation nachvollziehen sowie emotionale Signale erkennen kann und im richtigen Moment an menschliche Agenten übergibt?

 

Mehr als nur ein Chatbot

KI-Anwendungen im Servicebereich funktionierten in den letzten Jahren vor allem regelbasiert. Sie arbeiteten mit Entscheidungsbäumen, festen Antwortstrukturen und begrenzten Datenzugriffen. Wer mit seiner Anfrage aus dem vorgegebenen Schema fiel, blieb unverstanden, und landete womöglich wieder in der Warteschleife. Mit der Verfügbarkeit von generativen Sprachmodellen (Large Language Models, LLMs) und multimodalen KI-Systemen hat sich das Fundament grundlegend verändert. KI kann heute weit über die bloße Beantwortung von Fragen hinausgehen.

Durch Natural Language Understanding (NLU) und Sentimentanalyse kann sie nicht nur erfassen, was gesagt wird, sondern auch, wie es gemeint ist. Sie erkennt Frustration, Zögern oder Dringlichkeit in Sprache, Chat und Verhalten und kann schneller und klüger reagieren – indem sie den Dialog entschleunigt, die Wortwahl anpasst oder an einen Menschen übergibt, bevor die Stimmung kippt. So wird Künstliche Intelligenz vom reinen Antwortgeber zum Gesprächspartner – aufmerksam und lernfähig. Für die Kundenseite heißt das: weniger Wiederholungen und mehr Empathie. In einer Welt, in der sich Produkte und Preise oft gleichen, wird das zur entscheidenden Währung für Vertrauen.

 

Intelligente Architektur

In modernen Servicearchitekturen ist Empathie kein Zufallsprodukt, sie ist das Ergebnis technischer Exzellenz. Damit eine KI einfühlsam reagieren kann, braucht sie vor allem eines: Kontext. Das heißt: Sie braucht Zugriff auf aktuelle, einheitliche und qualitativ hochwertige Kundendaten. CRM-Systeme, Support-Historien, Interaktionsverlauf und Produktspezifika müssen in Echtzeit analysiert und miteinander verknüpft werden.

Dafür ist eine ganzheitliche Plattformstruktur erforderlich, inklusive Daten-Harmonisierung und einem starken Backend, das Transaktionen und Beziehungen gleichermaßen abbildet. Moderne KI nutzt darüber hinaus Techniken wie Retrieval-Augmented Generation (RAG): Das System greift dynamisch auf interne und externe Wissensquellen zu, um Antworten einerseits aus Erfahrung, andererseits aus aktuellem Wissen heraus zu formulieren.

Zusätzlich braucht es Mechanismen zur Intentionserkennung und dynamischen Eskalation. Wenn ein Anliegen eskaliert, muss das System in der Lage sein, diesen Kontext zu erkennen und in Echtzeit an einen menschlichen Agenten zu übergeben. Diese Übergabe-Prozesse müssen nahtlos funktionieren, damit der Kunde nicht erneut von vorn beginnen muss.

 

Die Vertrauensfrage

Ein vollautomatisierter Kundenservice ist weder realistisch noch wünschenswert und das aus gutem Grund. Denn gerade in Momenten, die Menschen emotional herausfordern oder ein hohes Maß an Vertrauen verlangen, bleibt der persönliche Kontakt unersetzlich. So würden aktuell gerade einmal 8 Prozent der Deutschen KI-Chatbots vertrauen, wenn es darum geht medizinische Befunde zu übermitteln.

Dieses Spannungsfeld ist in der Praxis auch als „AI Trust Gap“ bekannt, welchem man nur mit klaren ethischen Leitlinien und lückenloser Qualitätssicherung begegnen kann. Nur wenn Verbraucher nachvollziehen können, wie eine KI zu ihrer Empfehlung gelangt – sei es durch anschauliche Darstellungen, transparente Entscheidungspfade oder feste Eskalationsmechanismen – werden sie die Technologie auch nutzen.

 

KI als strategischer Vorteil

Für Unternehmen ergibt sich ein klarer Handlungsbedarf. Wer KI im Kundenservice nicht nur als Automatisierungsinstrument, sondern als strategisches Element in der Kundenbeziehung begreift, muss drei Kompetenzen zugleich aufbauen – technologische Exzellenz, organisatorische Integration und kulturelle Empathie. Das beginnt bei der Architektur: Eine einheitliche Unternehmensplattform ist die Voraussetzung dafür, dass KI-Systeme sinnvoll arbeiten können. Darauf aufbauend muss die KI kontinuierlich trainiert, mit Feedback angereichert und in die gesamte Service-Logik integriert werden.

Doch Technik allein genügt nicht. Der kulturelle Wandel ist ebenso entscheidend. Service-Teams müssen lernen, mit KI nicht zu konkurrieren, sondern im Tandem zu arbeiten. Weiterbildungsangebote und innovative Lernpfade innerhalb von Unternehmen können praxisnah vermitteln, wie Künstliche Intelligenz funktioniert, verantwortungsvoll eingesetzt wird und den Arbeitsalltag effizient unterstützt. Besonders sinnvoll sind diese Schulungsangebote, wenn sie von dem jeweiligen Technologieanbieter selbst durchgeführt werden, dessen Lösungen im Unternehmen zum Einsatz kommen. Zudem sind auch neue Rollenbilder – etwa der KI-orientierte Customer Experience Manager – und ein begleitendes Change-Management gefragt. Führungskräfte wiederum benötigen eine klare Vision, wie Technologie, Marke und Kundenbeziehung künftig zusammenspielen.

Unternehmen, die diese Schritte strategisch angehen, positionieren sich jenseits von Kostenoptimierung. Sie bieten einerseits ihren Kunden schnelle und stimmige Lösungen. Andererseits stellen sie ihren Mitarbeitenden einen Copiloten an die Seite, der bei der Bearbeitung einfacher Anfragen, der Strukturierung von Informationen oder der Unterstützung bei Entscheidungsprozessen zum Einsatz kommt. So entsteht eine sinnvolle Arbeitsteilung bei der Routineprozesse automatisiert laufen, während sich Mitarbeitende wichtigeren Anliegen widmen können.

 

Vom Kostenfaktor zum Beziehungskapital

Empathie, Kontextbewusstsein und Dialogfähigkeit: All das ist keine Zukunftsmusik, es kann bereits heute technologische Realität werden – sofern Unternehmen bereit sind, in Systeme, Datenqualität und Kulturwandel zu investieren. Der Weg dorthin ist komplex, aber möglich. Er verlangt Struktur, Governance und die Bereitschaft, Kundenservice als Schlüssel zu loyaleren Kunden zu begreifen, nicht mehr nur als zusätzliche Kostenstelle.

Unternehmen, die ihren Kundenservice zukunftssicher gestalten wollen, brauchen integrierte Plattformen, die Konversationen intelligent steuern, Kontext erkennen und Menschen gezielt einbinden – genau dort, wo es darauf ankommt. Wer in solche Systeme investiert, baut einen effizienten Kundenservice auf und sichert sich gleichzeitig langfristig das Vertrauen und die Treue seiner Kunden in einem zunehmend digitalen Umfeld.

 

Michael Wallner ist ein erfahrener Experte mit umfassender Expertise in innovativen Technolo-gien. Seine Leidenschaft für Innovation und GenAI prägt seine Rolle als Head of AI GTM EMEA Central bei ServiceNow. Er vereint technisches Wissen mit strategischem Denken, um Kunden optimal zu beraten.

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