Industrial Internet of Things: Wie der Fertigungsablauf mittels Edge Computing intelligent gesteuert wird

Von   Uwe Weber   |  Managing Partner und Leiter   |  Detecon Digital Engineering Center
19. Februar 2018

Die digitale Simulation einer Produktionsstätte in Echtzeit bietet enorme Vorteile: Schon aus rein wirtschaftlicher Sicht bietet eine nahtlose Integration von Planung und Ausführungsdaten gute Aussichten auf schnellere Durchlaufzeiten, kürzere Maschinenanlaufzeiten und einen flexibleren Einsatz von Ressourcen und Fertigungsinseln.
Doch auch in puncto Planungs- und Produktqualität winken große Schübe. Nicht nur weil eine verbesserte Nachbearbeitung und weniger Verluste durch Fehler in der IT zu erwarten sind. Ein Datenaustausch zwischen realer und virtueller Fabrik führt im Idealfall dazu, dass sich beide Seiten synchronisieren und sogar gegenseitig kalibrieren.

Wie eine solche Fabrik und ein hierfür geeigneter Architekturansatz für Shopfloor und Edge Computing aussehen kann, haben wir mit der Detecon im vergangenen Jahr auf der Hannover-Messe mit einem IoT-Testcase aus Fischertechnik gezeigt. Als partnerschaftliches Projekt gemeinsam mit der Software AG entwickelt, haben die Berater hier einen dreistufigen IIoT-Architekturansatz realisiert, der damit genau der vom Industrial Internet Consortium vorgeschlagenen und beschriebenen Referenzarchitektur entspricht.

Informationsarchitektur ermöglicht Edge-Szenarien

Konkret bildet die zugrundeliegende Informationsarchitektur drei Ebenen ab:

  • Edge-Ebene, deren Edge Gateway samt Sensoren und Aktoren sich direkt am Produkt oder einer Fertigungsinsel befinden
  • Plattform-Ebene, die die Informations- und Ausführungssysteme (etwa für eine gesamte Fabrikanlage) umfasst
  • Unternehmensebene, die die Geschäftsapplikationen in der Cloud beinhalten.

Mit einem solchen Implementierungsbeispiel lassen sich Szenarien sowohl für die Fertigungssteuerung mit intelligenten Bauteilen als auch Predictive Maintenance darstellen.

Da der Edge Controller sich hier möglichst nah bei den jeweiligen Gerätesensoren befindet, kann er intelligent steuern, welche (in der Regel besonders latenzkritischen) Sensordaten direkt am Endgerät, also etwa einer einzelnen Fertigungsstation weiterverarbeitet werden müssen. Andere Daten wiederum schickt er aggregiert weiter in die Cloud für weniger zeitkritische Anwendungen. Wieder andere – eher unkritische Daten – werden überhaupt nicht ausgelesen, was damit auch insgesamt die Leitungskapazitäten schont.

Somit wird es möglich, bestimmte Ereignistypen in der Produktion je nach Kritikalität unterschiedlich schnell zu bearbeiten. Bevor ein Fräskopf gegen die Wand fährt, muss direkt an der Anlage direkt reagiert werden, während andere Informationen wiederum übergreifend der ganzen Fabrik mitzuteilen sind, weil sonst der Anlagentakt gefährdet wäre.

Netzarchitektur individuell am Use Case ausrichten

Die tatsächliche Ausgestaltung im realen Einsatz muss immer abhängig von den jeweilig gewünschten Use Cases variieren. Es ist immer eine Architekturentscheidung, ob die Latenz eher im Netzwerk, an einer Fertigungsstation oder in einem Fahrzeug verortet werden soll. Die Entscheidung orientiert sich zumeist an möglichst auszuschließenden Sicherheitsrisiken, aber auch an den Kosteneinsparungen eines effizienteren Datenaushalts, an gewünschten Analysemöglichkeiten für neue Geschäftsmodelle wie auch nicht zuletzt an den physikalischen Gegebenheiten.

Die Fischertechnik-Fabrik demonstriert all diese Zusammenhänge in realistischen Abläufen: Kleine Fahrzeuge steuern eine Anlagestation an, der Greifer meldet Vollzug, nachdem ein Gerät verschraubt und mit einem Tag versehen ist. Besonders wichtig: Die Rückmeldungsinformationen werden sofort verarbeitet, damit das Flurfahrzeug weiß, welche Station es ansteuern kann, wenn eine bestimmte Station gerade belegt ist. Ebenso melden Tags fortlaufend Informationen wie Energieverbrauch, Geschwindigkeit und Temperatur an die Steuerungsplanung zurück.

Informationsrückfluss steigert Planungsqualität

Besonders wertvoll ist, dass Daten in beide Richtungen und in Echtzeit zwischen Entwicklung, Planung und Produktion laufen. Gerade dies ermöglicht erst, dass Ablauf- oder Qualitätsänderungen berücksichtigt oder auch bewusst zu einem späteren Zeitpunkt noch mit vertretbarem Aufwand einzubringen sind. Diese mitunter riesigen Datenmengen und Informationen sind aber nicht alle gleichermaßen relevant für die Planung. Umgekehrt sind nicht alle Planungsdaten in der laufenden Produktion nötig. Die Herausforderung besteht darin, allen wirklich nutzergerechte Informationen am richtigen Ort und zur richtigen Zeit zur Verfügung zu stellen.

Hierfür sei neben der erforderlichen Business Intelligence vor allem auch ein möglichst semantisch einheitliches und übergreifendes Informationsmodell für den durchgängigen Datenfluss erforderlich. Hinzu kommt die technische Interoperabilität aller Komponenten der Plattform, wobei Modularisierung und Standardisierung eine wichtige Rolle spielen. Erfolgsentscheidend ist für alle Beteiligten zudem immer, sich vorher möglichst genau mit den fachlichen Zielen auseinanderzusetzen und die erforderlichen Tools nicht nur zum IoT-Selbstzweck einzusetzen.

Uwe Weber leitet das Detecon Digital Engineering Center für Industrial IoT und berät als Managing Partner unsere Kunden im Bereich Manufacturing, insbesondere in den Themen Smart Engineering und Produktion. Uwe studierte Wirtschaftsingenieurwesen an der Universität Karlsruhe, ist seit 2001 bei Detecon und war zuvor in verschiedenen Rollen bei internationalen IT-Herstellern und Beratungshäusern tätig.

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