In einem früheren Beitrag in diesem Blog wurde die Frage gestellt, ob deutsche Unternehmen bereit für das Internet of Things sind. Dass das Internet der Dinge an Bedeutung gewinnt, im privaten wie im industriellen Umfeld, bleibt unbestritten. Man kann quasi dabei zuschauen, wie sämtliche Lebensbereiche von IoT-Geräten und -Lösungen durchzogen werden.
Wer seine Wohnung mit heute noch ausschließlich mit einem metallenen Schlüssel aufsperrt, dem seien die Worte des Zukunftsautors William Gibson ans Herz gelegt: „The future is already here — it’s just not very evenly distributed.“, die Zukunft ist schon da, nur eben nicht überall gleichmäßig verteilt. Eine Vielzahl neuer Gebäude wird beim Bau mit elektronischen Zugangskontrollen ausgestattet, die per Fingerabdruck oder Handy-App Einlass gewähren. Einige davon sind per WLAN mit entsprechenden Gegenstellen im Inneren des Hauses verbunden.
Die vergangenen Jahre haben, gerade was IoT im Consumer-Bereich angeht, gezeigt, dass viele Anbieter noch nicht verstanden haben, was IoT mit sich bringen muss, und was für das Industrial Internet of Things unerlässlich ist.
1. After-market-support
Sobald es um vernetzte Geräte mit eingebetteter Software geht, beschränkt sich der Lebenszyklus eines Produktes nicht länger auf das Verkaufen und die Versorgung mit anfassbaren Ersatzteilen. Die Software-Stacks von IoT-Produkten sind kompliziert genug, so dass es keine Frage ist, ob Sicherheitslücken gefunden werden, sondern lediglich wann. Das leicht angreifbare Sexspielzeug bringt einen noch zum Schmunzeln, aber für ähnlich unsichere Systeme in einem Fertigungsumfeld oder in einer kritischen Infrastruktur hätten die Betreiber sicher weniger Humor übrig.
2. Klare, verläßliche Produktlebenszyklen und Kommunikation
Als Besitzer eines Smartphones kennt man die leidige Frage: „Bekomme ich noch Updates? Bis wann?“ Tatsächlich findet man nur einen einzigen Hersteller in den Weiten des Internets, der am Tag der Vorstellung eines neuen Smartphone-Modells auf der zugehörigen Website den Software-Update-Lebenszyklus veröffentlicht. Im consumer-IoT ist es leider immer noch völlig normal, dass der Käufer dem Prinzip Hoffnung ausgeliefert ist. Für Industriebetriebe, wo die Investition in die kommenden vernetzten Geräte einen spürbaren Anteil an den Geschäftsfinanzen darstellt, ist das inakzeptabel und ein Grund, zu dem Hersteller zu wechseln, der es besser macht.
3. Geplante Obsoleszenz
Obwohl sich die größten Smartphone-Hersteller gerade Sammelklagen wegen geplanter Obsoleszenz einfangen, ist wohl kaum davon auszugehen, dass das nächste iPhone oder das nächste Galaxy S als Flop enden wird. Solange die Geräte Schmuckstücke sind, die zur Mode des jeweiligen Jahres gehören, bestrafen Endkunden die Hersteller nicht für Versäumnisse. Im industriellen Umfeld, dass weniger emotional und mehr ökonomischen Faktoren dominiert ist, sollten Hersteller die Finger von fragwürdigen Obsoleszenzpraktiken lassen. Ansonsten werden die Kunden durchaus kreativ, wie im Falle von John Deere. Um die kostspieligen Maschinen des Landmaschinenherstellers länger als vom Hersteller erwünscht reparierbar zu halten, arbeiten dann die Farmer schon mal mit der Hacker-Gemeinde zusammen und sorgen dafür, dass der Traktor nicht ersetzt werden muss, sondern von einer örtlichen Werkstatt repariert werden kann.
Das alles wird im Industrial IoT noch wichtiger, denn da liegen die Dinge noch komplexer als bei Endkundenprodukten. Während sich für den Endkunden beispielsweise ein Kühlschrank als ein einzelnes „Thing“ darstellt, handelt es sich aus Herstellersicht schon um ein verteiltes System von mehreren gegebenenfalls vernetzten Teilen, wie Kompressor, Temperatursensoren, Luftfeuchtesensoren, bis hin zu Kameras, die den Inhalt des Kühlschranks nachverfolgen und den Besitzer via App erinnern, dass es langsam an der Zeit ist, einzukaufen. Umso komplexer sind dann Produktionsmaschinen und Anlagen, die aus einer Vielzahl von Modulen und Aggregaten bestehen – oft von unterschiedlichsten Herstellern. Eine umfassende Standardisierung ist deshalb unverzichtbar, und zwar auf allen Ebenen der IIoT-Architektur.
Sobald es an Themen wie Produktionsprozesse geht und Menschen im System mitspielen, kommen zusätzliche Herausforderungen wie Echtzeitfähigkeit und funktionale Sicherheit dazu, was im consumer-IoT großflächig ausgeklammert ist. Das wiederum bedeutet empfindliche Einschränkungen für die Software-Architektur solcher Systeme. Ein Modell „Wir laden mal alle Daten in die Cloud und schauen dann.“ funktioniert dann nämlich nicht mehr: die benötigten Antwortzeiten können nicht immer eingehalten werden, und das System ist vor allem nicht garantiert ausfallsicher. Folglich sind die Infrastrukturen, die wir aufbauen müssen, komplexer als die im Endkundenumfeld. Oder es braucht intelligente Lösungen, um die Daten möglichst nah an den Feldgeräten zu verdichten und zu verarbeiten.
Auch bei der Cybersecurity müssen im industriellen Umfeld andere Maßstäbe angelegt werden, die sich eher an den Maßnahmen für kritische Infrastrukturen orientieren müssen als an vielen Consumer-Geräten. Hacker-Angriffe, die das heimische WLAN oder die privaten IoT-Geräte lahmlegen oder kapern, können in der Industrie für immensen wirtschaftlichen Schaden sorgen. Siemens hat deshalb mit renommierten Partnern eine Charter of Trust ins Leben gerufen, die einen neuen Rahmen für Cybersecurity in der Industrie absteckt.
Die Neuerungen und Verbesserungen, die das Industrial Internet of Things verspricht, wie effizientere, kostengünstigere, individualisierte Produktion, bessere Mensch-Maschine-Kollaboration, Optimierung von Wartungsaufwänden, sind alle erreichbar – und sie bieten die Basis dafür, die Industrie mit digitalen Technologien deutlich voranzubringen. Aber nur, wenn die Anbieter ihre Hausaufgaben machen.
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