Datenmonetarisierung ist das Schlagwort der letzten Jahre. Da Unternehmen heute immer datengesteuerter werden, hat auch das Bestreben der Entscheider, diese neuen, reichhaltigen und tiefgreifenden Datensätze über den eigenen Geschäftsbetrieb oder die Produktoptimierung hinaus zu nutzen, den Bereich der Datenmonetarisierung beschleunigt und als relevanten Werttreiber etabliert.
Die Monetarisierung von Fahrzeugdaten wird im Allgemeinen durch zwei Hauptkategorien definiert: Direkte (Schaffung neuer Einnahmequellen durch Bereitstellung von Daten oder Erkenntnissen aus diesen Daten für Kunden oder Partner, oft als „extern“ bezeichnet) und indirekte (Optimierung der Business Performance mit Hilfe datengestützter Erkenntnisse oder verbesserter, durch relevante Daten angereicherter Services, allgemein als „intern“ bezeichnet).
Aufstieg und Fall des neuen Heilsbringers
Im Fall der Automobilhersteller hat sich dieses Feld jedoch anders entwickelt, als ursprünglich erhofft. Die Autobauer gehörten zu den Ersten, die sich um die Monetarisierung ihrer Fahrzeugdaten bemühten, sobald die ersten vernetzten Fahrzeuge auf die Straße kamen. Seitdem erfassen sie die immer umfangreicher werdenden Datensätze ihrer Fahrzeugflotten.
Der Ehrgeiz der OEMs (Original Equipment Manufacturer) war groß, die Datensätze nicht nur für die Sicherheitsüberwachung, Wartung der Fahrzeuge oder Produktentwicklung zu nutzen, sondern sie auch interessierten Außenstehenden zum Kauf anzubieten. Man ging sogar so weit, bestehende Datenmarktplätze anderer Branchen, beispielsweise für medizinische, industrielle oder finanzielle Daten, nachzuahmen oder Fahrzeugdaten direkt über Drittanbieter wie Otonomo und Wejo in diversen Revenue-Share-Modellen zu verkaufen.
Die Erwartungen der Autobranche waren hoch. Man versprach sich sprudelnde neue Einnahmequellen, doch dann schlug die Realität zu. Die Renditen, und oft auch die Nachfrage Dritter, entsprachen bei weitem nicht den Erwartungen, da diverse Verbraucher und Regionen zwar anfänglich Interesse zeigten, ihre Bemühungen um die Nutzung dieser Daten aber im Laufe der Zeit im Sande verliefen (begrenzte technische Möglichkeiten und Ressourcen, begrenzter Bedarf an Echtzeitdaten, begrenzte Wirkung usw.) und das Modell nicht annähernd die erhofften zusätzlichen Einnahmen brachte. Damit schwand der anfängliche Optimismus der Autobauer.
Eine neue Hoffnung
Nach den enttäuschenden Erfahrungen überdenken viele OEMs nun ihre Strategien der externen Datenmonetarisierung. Einige Hersteller gehen sogar so weit, den Datenaustausch mit anderen Parteien ganz einzustellen. Sie wollen vielmehr den Wert der Daten selbst erschließen. Dafür richten sie den Fokus nach innen, um das Potenzial der vernetzten Fahrzeugdaten für eigene neue Geschäftsmodelle, beispielsweise nutzungsabhängige Versicherungen, oder individuelle digitale Services, innerhalb wie außerhalb der Fahrzeuge, voll auszuschöpfen.
Um sich in Zukunft zu differenzieren, müssen OEMs ohnehin ihr traditionelles Geschäftsmodell überwinden und zu holistischen Anbietern von Mobilitäts- und digitalen Diensten avancieren. Ein umfassender Transformationsansatz ist dafür unabdingbar, denn sie werden sich noch viel stärker als heute auf Daten und Software konzentrieren müssen, mit all ihren agilen Prozessen, neu erforderlichen Fähigkeiten und den notwendigen Prozessen, um die Qualität zu gewährleisten, Governance zu implementieren und die Demokratisierung von Daten und Analysen im gesamten Unternehmen zu ermöglichen.
Neue Geschäftspotenziale
Daten aus vernetzten Fahrzeugen eröffnen auch neue Geschäftsfelder für Automobilhersteller. Viele OEMs erwägen seit langem, Kfz-Versicherungen anzubieten und ein Ökosystem für Kunden aus einer Hand zu schaffen, das Kauf, Finanzierung und Versicherung umfasst und den gesamten Lebenszyklus des Fahrzeugs abdeckt. Dank dieses neuen Datenschatzes sind sie nun in der Lage, ein nahtloses Kundenerlebnis in Bezug auf bestimmte Aspekte der Kfz-Versicherung zu schaffen. So können sie beispielsweise „Pay as you drive“-Versicherungsmodelle anbieten, die das spezifische Fahrverhalten zur Risikobewertung heranziehen und die Unfallerkennung und das Unfallmanagement optimieren, indem sie ihren Zugang zu Echtzeitwarnungen nutzen. Je nach kommerzieller Strategie des OEMs kann dies in einem direkten Datenmonetarisierungsmodell (Zusammenarbeit mit Versicherungsunternehmen als Backend-Anbieter, die sich Kosten und Einnahmen teilen) oder in einem indirekten Modell (durch Bereitstellung als datengestützter Dienst) als neue Einnahmequelle erfolgen. Kommerzielle Untersuchungen zeigen, dass nutzungsbasierte Versicherungen am vielversprechendsten sind, da sie bis 2030 weltweit von 31 Mrd. USD auf 175 Mrd. USD anwachsen sollen (21 % CAGR=jährliche Wachstumsrate).
Ein weiterer wertvoller Bereich ist das Flottenmanagement: ein oft komplexer, arbeitsintensiver Prozess, der die Bereitstellung zweckentsprechender Fahrzeuge, kontinuierliche Betriebszeit, Wartung, Serviceoptimierung und Kundenmanagement umfasst. Wenn Fahrzeuge automatisch Standorte angeben, den eigenen Servicebedarf vorhersagen und durch Konnektivität und Personalisierung ein rundum besseres Fahrerlebnis bieten können, lassen sich die ursprünglichen Ambitionen der OEMs in Bezug auf Kosteneinsparungen und neue Einnahmequellen endlich verwirklichen. Diese digitalen Services können dann vollständig von B2B-Kunden lizenziert werden, die diese Funktionen nicht selbst einrichten und betreiben müssen. Mit einem erwarteten Wachstum von 18 Mrd. US-Dollar im Jahr 2021 auf 80 Mrd. US-Dollar im Jahr 2030, was einer jährlichen Wachstumsrate von 18 % entspricht, ist diese Kategorie definitiv verlockend.
Weitere interessante Wachstumskategorien für Umsätze durch Connected-Car-Services sind Infotainment, Mobility-as-a-Service und In-Car-Payment. Da die Kosten für die Datenerfassung, -umwandlung und -nutzung im Laufe der Zeit sinken werden, gibt es viel Potenzial, um über die gesamte Lebensdauer jedes einzelnen Kunden und jedes einzelnen Fahrzeugs hinweg zusätzlichen Wert daraus zu schöpfen. Der Fokus auf den Customer Lifetime Value ist der Schlüssel zum Erfolg.
Tracking des Datenwertes
Wie lassen sich also der Wert und die erwartete Investitionsrendite mit einzelnen Data Assets verknüpfen? Ein erster Schritt ist eine klare Geschäftsstrategie in Bezug auf digitale Services nach Schlüsselkategorien (siehe oben) und Schlüsselregionen (aufgrund verschiedener Marktprioritäten, Präferenzen, Vorschriften, Abdeckung usw.).
Durch die Abstimmung dieser Geschäftsstrategie mit einer Datenstrategie – die Identifizierung der erforderlichen Daten (und anderer Ressourcen, z.B. Data Scientists), die für die Bereitstellung der priorisierten Services benötigt werden – ist es möglich, die Einnahmen bestimmten Datenbeständen zuzuordnen. Es ist wichtig, Investitionen in die Infrastruktur, die Datenerfassung, -speicherung und -verarbeitung, die Mitarbeiter für den Aufbau und die Verwaltung der entsprechenden Systeme, die Bereitstellung von Funktionen für die Datenverwaltung und -analyse sowie die Vermarktung und Werbung für Dienstleistungen zu berücksichtigen. Dies ist vergleichbar mit der Verknüpfung von Einnahmen und Gewinnspannen mit einzelnen Verbrauchern durch die Produkte und Dienstleistungen, die sie kaufen.
Die Entwicklung einer solchen Datenstrategie ermöglicht und informiert somit kritische Geschäftsentscheidungen: die Identifizierung der Daten, die den größten Wert unterstützen, sowie die Information über weitere Investitionen in Daten – Anreicherung, verbesserter Zugang, Gewinnung von Erkenntnissen und Erwerb neuer Daten.
Leitlinien für den Erfolg der Datenmonetarisierung
Unabhängig vom Anwendungsfall der Datenmonetarisierung ist es jedoch von entscheidender Bedeutung, mit Feingefühl vorzugehen und nicht dem „aufdringlichen“ Datensammelverhalten der Big Tech-Konzerne zu folgen. Diese sehen sich nicht ohne Grund mit regulatorischen Gegenmaßnahmen konfrontiert, nachdem sie jahrelang weitgehend unreguliert Nutzerdaten gesammelt und verwertet haben. Jede Strategie zur Datenmonetarisierung muss den Mehrwert für die Kunden klar in den Mittelpunkt stellen und Vertrauen schaffen. Dafür sind folgende drei Grundpfeiler unabdingbar:
- Transparenz: Automobilhersteller müssen sich gegenüber ihren Kunden zu vollständiger Transparenz darüber verpflichten, welche Daten sie sammeln, wie diese verwendet werden und an wen sie weitergegeben werden. Für den Aufbau von Vertrauen ist entscheidend, diese Transparenz proaktiv herzustellen und offen zu kommunizieren, auch wenn Datenschutzgesetze sie implizieren.
- Wert: Automobilhersteller müssen ihren Kunden einen echten Mehrwert bieten, sei es durch ein besseres Kundenerlebnis, mehr Sicherheit, Komfort oder Kostenersparnis. Um die Akzeptanz von kostenpflichtigen vernetzten Fahrzeugdiensten oder anderen Services zur Monetarisierung von Daten voranzutreiben, muss sich der Kunde ausdrücklich des Wertes bewusst sein, der ihm geboten wird. Dieser Wert muss die Kosten und Risiken der Datenweitergabe nicht nur aufwiegen, sondern übertreffen.
- Kontrolle: Automobilhersteller müssen den Kunden die Kontrolle darüber geben, welche Daten gesammelt, wann sie gesammelt und mit wem sie geteilt werden, und zwar in einem nahtlosen Kundenerlebnis. Dies beugt dem Gefühl von Datenmissbrauch vor und schafft Vertrauen. Toyota hat beispielsweise kürzlich seine Mobile App um das „Data Privacy Portal“ erweitert. Kunden haben damit immer im Blick, welche Daten verwendet werden, welche Drittunternehmen sie nutzen, wie sie verwendet werden, welchen Mehrwert sie bieten und wie sich die Datenverarbeitung ein- und ausschalten lässt.
Für Automobilhersteller muss es oberste Priorität sein, nachhaltiges Kundenvertrauen aufzubauen und glaubwürdig zu demonstrieren, dass sie ethisch und positiv mit den Daten ihrer Kunden umgehen. Nur so können sie ihren Erfolg langfristig sichern und das volle Potenzial der Datenmonetarisierung ausschöpfen.
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