Eine Revolution in der Kreditvergabe: Die Distributed-Ledger-Technologie im Einsatz

Von   Robin Crewe   |  Chief Technology Officer   |  Finastra
19. März 2018

Die Blockchain-Technologie ist in aller Munde, wird dabei aber noch häufig als die nächste Bedrohung für die Finanzwirtschaft gesehen. Tatsächlich liegt in der Distributed-Ledger-Technologie (DLT), die der Blockchain zugrunde liegt, aber auch ein enormes Potenzial für Banken und Kreditinstitute. Denn überall dort, wo Standardprozesse noch manuell erledigt werden und Informationen ungleichmäßig verteilt sind, kann die DLT Prozesse verbessern und Kosten senken. Ein neues Pilotprojekt für das Konsortialkreditgeschäft zeigt, wie Finanzinstitute dieses Potenzial heben können. Sieben führende Banken haben sich an diesem Projekt beteiligt, darunter die BNP Paribas, BNY Mellon, HSBC, ING und State Street Bank.

Innovative Technologie als Basis

Grundlage des Pilotprojekts für das Konsortialkreditgeschäft ist eine Open-Source-Plattform, die auf der Distributed-Ledger-Technologie basiert. Sie ist eine spezielle Form der Datenverarbeitung und
-speicherung und verwaltet ein verteiltes Kontenbuch. Die Mitarbeiter der teilnehmenden Banken sitzen hierbei an verschiedenen Rechnern und Standorten aber sind über ein Netzwerk verbunden. Jeder Teilnehmer verfügt über eine identische Kopie der verteilten Datenbank und kann neue Einträge anlegen oder einsehen. Ein Aktualisierungsmechanismus synchronisiert alle Kopien der Datenbank vollkommen automatisch.

Paradebeispiel: Das Konsortialkreditgeschäft

Für das Konsortialkreditgeschäft kommt diese Art der Kreditvergabe über eine DLT-Plattform einem Quantensprung gleich. Traditionell sind Konsortialkredite, auch syndizierte Kredite genannt, sehr aufwendig in der Verwaltung. Denn dafür bilden mindestens zwei, häufig jedoch hunderte von Banken, ein Konsortium und gewähren einem Kreditnehmer ein gemeinsames Darlehen. Finanzinstitute nutzen diese Form der Geschäftsabwicklung, wenn der Kreditbetrag für eine einzelne Bank zu hoch wäre. Die federführende Bank – der Konsortialführer – übernimmt dabei die administrativen Aufgaben für das Konsortium. Das heißt, er managt die gemeinsame Geldvergabe und gibt jedem Beteiligten individuell Auskünfte. Aufgrund der zahlreichen Parteien muss der Konsortialführer viel Zeit für diese verwaltenden Aufgaben und die Kommunikation mit dem Konsortium aufwenden. Telefonate und E-Mails zwischen den einzelnen Beteiligten sind dabei immernoch an der Tagesordnung. Die punktuelle Interaktion ist nicht nur schwer nachvollziehbar, sondern auch äußerst zeitraubend und ineffizient. Die Kreditgeber können nur auf Nachfrage Informationen zu Darlehen einholen und haben dadurch keine Echtzeit-Einblicke in laufende Kreditvergaben. Sofortige Risikoanpassungen sind so kaum möglich.

Ein internationales Konsortium macht es vor

Die neue Lösung Fusion LenderComm des Finanzsoftwareherstellers Finastra, die auf der DLT aufbaut, verbindet Konsortialführer und Kreditgeber hingegen direkt miteinander und schafft einen Online-Marktplatz für das Konsortialkreditgeschäft. Kreditverträge, Rückstellungen, Bilanzpositionen und detaillierte Transaktionsdaten können in Echtzeit eingesehen und administriert werden. Die Daten werden automatisiert aus der Kreditserviceplattform der federführenden Bank in die Plattform Fusion LenderComm gespeist. So reduzieren sich Kosten und Aufwand, wodurch zugleich die Rendite steigt. Die kreditgebenden Banken wiederum können im Self-Service einfach ihre laufenden Kredite selbst einsehen und verwalten, ohne länger auf die Auskünfte des Konsortialführers angewiesen zu sein. Das erlaubt es ihnen, ihre Kreditportfolios eigenständig aufgrund der Datenbasis anzupassen. An dem Pilotprojekt beteiligen sich bereits sieben führende Banken, indem sie Daten zwischen den Konsortialführern und den Kreditgebern direkt austauschen, unter ihnen BNP Paribas, BNY Mellon, HSBC, ING und State Street. Schon in der Pilotphase werden damit rund zehn Prozent des gesamten Konsortialkreditmarkts über die neue Lösung abgewickelt. In der ersten Hälfte des Jahres soll die Plattform für alle Banken im Konsortialkreditgeschäft verfügbar sein. Perspektivisch soll die Plattform die gesamte Wertschöpfungskette umfassen und zu einem Online-Marktplatz für den schnellen Handel und die Abwicklung von Krediten werden.

Informationen werden in der Plattform Corda von R3, auf der Basis der Distributed-Ledger-Technologie, zusammengeführt und sind über Fusion LenderComm für die Mitwirkenden abrufbar.
Abbildung 1: Fusion LenderComm von Finastra ist ein Online-Marktplatz für das Konsortialkreditgeschäft. Die Vermittlerbanken verwalten Kredite über ihre jeweiligen Kreditservice-Plattformen wie beispielsweise FusionBanking Loan IQ von Finastra. Diese Informationen werden in der Plattform Corda von R3, auf der Basis der Distributed-Ledger-Technologie, zusammengeführt und sind über Fusion LenderComm für die Mitwirkenden abrufbar. Die Kreditgeber können dadurch eigenständig und in Echtzeit, Informationen zu ihren Krediten einsehen sowie ihr Kreditportfolio verwalten.

Die Distributed-Ledger- beziehungsweise Blockchain-Technologie ist also nicht per se eine Bedrohung für Banken, sondern birgt in der Tat jede Menge Chancen, die Effizienz zu steigern, Kosten zu senken und die Rendite zu erhöhen. Vor dem Hintergrund der sich ankündigenden Zinswende werden gerade Kreditvergaben wieder deutlich lukrativer für Banken. Deswegen ist es wichtig, schlanke und profitable Prozesse sowie eine innovative Technologie zu etablieren. Die DLT ist der Schlüssel für eine moderne IT-Infrastruktur und eine effiziente Abwicklung. Vor allem mit Schnelligkeit und Datensicherheit kann eine Lösung auf der Basis der Distributed-Ledger- und Blockchain-Technologie punkten. Sie ermöglicht die Echtzeit-Verarbeitung und macht Datenmanipulationen unmöglich. So ist die Finanzwirtschaft für die Zukunft gewappnet.

Als Chief Technology Officer (CTO), Lending and Transaction Banking, verantwortet Robin Crewe alle Produkte und Lösungen in den Sparten Kreditvergabe und Transaction Banking von Finastra, ehemals Misys. Robin Crewe begann seine Karriere in Consulting für Financial Services bei Arthur Andersen, heute Accenture, machte dann Station bei zwei Investmenbanken, zuerst bei der Swiss Bank gefolgt von Dresdner Kleinwort Benson. Danach gründete er die Firma Propero, die sich auf Desktop-Virtualisierungssoftware spezialisierte und in 2007 von VMWare übernommen wurde.

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