Das Internet wird unsichtbar

Von   Florian Hermsdorf   |  Head of Innovation Management   |  Otto Group
20. Februar 2018

E-Commerce in der IoT-Welt

Die Wahrnehmung des Internets und die Art damit zu interagieren, wird sich in der Welt des Internet of Things (IoT) maßgeblich verändern. Seit dem Start der ersten Internetdienste wurde dessen Nutzung mit Computern und Monitoren assoziiert. Der erste große Wandel erfolgte durch den hinlänglich bekannten Durchbruch der Smartphones, allen voran des iPhones im Jahr 2007. Dadurch wurde das Internet zum Alltagsbegleiter in der Hosentasche und gewann insbesondere an Mobilität, war aber gleichzeitig noch hochgradig auf die Nutzung durch einen Screen ausgerichtet.

Aktuell erleben wir nun den dritten großen Entwicklungsschritt in der Onlinewelt: Das Internet weitet sich auf Gegenstände aus, die keinen Bildschirm mehr besitzen und auf den ersten Blick teilweise auch gar nicht den Anschein erwecken, überhaupt „online“ zu sein oder gar eine elektrische Komponente zu enthalten.

Wie schon bei vielen Technologien zuvor zu beobachten, ist auch diese Entwicklung im industriellen Umfeld bereits länger sichtbar – und zwar insbesondere in Form von Sensorik, die dazu genutzt wird, fortlaufend Daten zu erfassen, um Prozesse zu überwachen und zu steuern.

Neu ist die rasant zunehmende Durchdringung von mit dem Internet verbundenen Alltagsgegenständen bei Endkunden in deren eigenen vier Wänden. Neben den gewohnten digitalen Geräten, wie dem Laptop, dem Smartphone oder dem Fernseher findet sich Internet-Konnektivität inzwischen bereits im Babyphone, der Waschmaschine oder der Zahnbürste. Daran wird langsam deutlich, wie unsichtbar und allgegenwärtig das Internet für alle werden wird.

So verwundert es auch kaum, dass aktuelle Erhebungen, unter anderem von Gartner, zeigen, dass es weltweit bereits über acht Milliarden vernetzte Geräte gibt und die Anzahl bis 2020 auf über zwanzig Milliarden steigen soll. Dies bedeutet, dass wir aktuell nur auf den Anfang einer fundamentalen Veränderung unserer Onlinenutzung blicken, bisher lediglich die sprichwörtliche Spitze des Eisbergs sehen können. Das Internet wird zunehmend unsichtbar und gleichzeitig allgegenwärtig, wie elektrischer Strom.

IoT als Grundlage für antizipative und automatisierte Handlungen

Die bisherige Onlinenutzung, wie zum Beispiel eine Websuche, Musikstreaming oder ein Onlinekauf, sind jeweils geprägt von einem starken Nutzer-Engagement. Das bedeutet, dass der Nutzer zum einen überhaupt aktiv werden muss und zum anderen seinen Wunsch möglichst konkret durch Nutzung zum Beispiel einer Sucheingabe ausformuliert. Entsprechend können diese Aktivitäten gerade in Situationen frustrierend werden, in denen der Bedarf sehr offensichtlich ist (Der Kühlschrank ist leer) oder der Wunsch nur ungenau geäußert werden kann („Entspannte Musik abspielen“).

Wenn nun mittels „Internet of Things“ zahlreiche neue Sensoren im Alltag des Nutzers dazukommen und diese laufend das Umfeld und die aktuelle Situation analysieren, können auch Nutzerbedürfnisse weitaus vorausschauender abgeleitet und darauf basierend sogar proaktiv erfüllt werden. So müssen Nutzer offensichtliche Wünsche nicht mehr benennen und können darauf vertrauen, dass ihr IoT-befähigtes, smartes Zuhause viele Dinge selbständig erledigt – wie zum Beispiel das Licht automatisch mit der passenden Helligkeit einzuschalten, sobald man die Wohnung betritt, oder die passende Musikauswahl über einen Smart-Speaker zu spielen.

E-Commerce in der IoT-Welt

Es ist auch davon auszugehen, dass diese IoT-geprägte Welt einen wesentlichen Einfluss auf das bisherige Onlineverhalten haben wird. Der Onlinezugang über Geräte mit Displays wird nicht wegfallen, allerdings in der Relevanz der gesamten Internet-Nutzungszeit geringer werden. Nutzer werden sich voraussichtlich zunehmend daran gewöhnen, dass ihre Bedürfnisse frühzeitig antizipiert und bestimmte Dinge im Hintergrund unkompliziert direkt für sie erledigt werden, ohne dass es noch einer weiteren Handlung ihrer selbst bedarf.

Die Omnipräsenz des Internets in Alltagsgegenständen wird schlussendlich auch zu einer Veränderung des Kaufverhaltens führen. So ist denkbar, dass der Vorratsschrank ohne manuelles Zutun immer ausreichend gefüllt ist, weil der Bestand der Lebensmittel fortlaufend überwacht und notwendige Nachbestellungen automatisch angestoßen werden.

Für E-Commerce Unternehmen stellt sich daher die Herausforderung auch auf den neuen Touchpoints kundenrelevant vertreten zu sein. Hierzu wird es nicht mehr ausreichen, einen performanten und nutzerfreundlichen Webshop zu haben, da Onlinenutzer sich nicht mehr nur in der ehemaligen Webwelt aufhalten werden. Die Services und Angebote müssen entsprechend IoT-fähig werden, um auch in einer „No-Screen“-Welt genutzt werden.

Bei der Otto Group wissen wir sehr genau um diese Herausforderungen und haben deshalb schon vor längerer Zeit ein Team zusammengestellt, das sich ganz konkret mit diesen Themen beschäftigt und Lösungsansätze erarbeitet. Ein zwingend notwendiger Schritt für Handelsunternehmen, die auch in Zukunft – anders als das Internet – sichtbar bleiben wollen.

Florian Hermsdorf leitet das konzernweite Innovation Management der Otto Group, welches neue Technologien identifiziert, testet und in die weitere Umsetzung bringt. Er beschäftigt sich seit mehr als zehn Jahren mit innovativen E-Commerce Technologien und neuen digitalen Geschäftsmodellen. In diesem Zusammenhang war er unter anderem an der Gründung mehrerer Startups der Otto Group beteiligt und hat die „Mobile First“-Strategie entwickelt. Zuvor baute er die M-Commerce Aktivitäten von otto.de auf und hat mehrere Jahre im Bereich Corporate Development strategische Projekte geleitet sowie neue Online Geschäftsmodelle entwickelt und umgesetzt. Darüber hinaus hält er Fachvorträge im E- und M-Commerce Umfeld und als Gastdozent Vorlesungen.

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