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Autopoiesis und die infosomatische Wende: Eine biosoziotechnologische Perspektive

In the upcoming era where biological, social, and technological domains interplay, we should reframe the concept of Autopoiesis - initially used for biological systems - to navigate our increasingly distracting, media-saturated environment. The utilization of AI to form self-regulating systems could trigger an "infosomatic turn," transforming technology into an autonomous agent. Nonetheless, ethical stewardship in AI use is critical to ensure human authenticity and value alignment as we steer towards this Autopoiesis-imbued future. This transition impacts our work methodologies, economic structures, and our human potentiality, aiming to shift from an attention-intensive, allopoietic economy to an autopoietic society. In this transformation, technology becomes an enabling infrastructure, rather than a constant source of distraction, potentially fostering a more resilient civilization.
Von   Leon TSVASMAN, Dr.phil/PhD   |  Hochschuldozent   |  Dr. Tsvasman Academic Consulting
16. August 2023

Die Selbstregulation in der Natur, beispielsweise in Bezug auf die Organfunktionen unseres Körpers, ist – systemisch interpretiert – das Ergebnis der Autopoiesis, einer evolutionären Feinabstimmung, die idealerweise ohne kontinuierliches bewusstes Eingreifen oder die Beanspruchung unserer Aufmerksamkeit abläuft. Informationen, die eine relevante Differenz anzeigen – beispielsweise Schmerz als Indikator für eine Fehlfunktion – tauchen in diesem System nur bei Störungen auf. Im Gegensatz dazu steht die Allopoiesis, die unser Umgang mit menschengemachten Technologien darstellt. Diese Technologien erfordern unsere konstante Aufmerksamkeit, da sie ohne ein Eigenleben funktionieren – sie können ihr Potential zur Selbstregulation nur durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz erreichen. Die ständige Anforderung unserer Aufmerksamkeit, die von Natur aus energieaufwendig ist, absorbiert unsere Ressourcen, die eigentlich für die körperliche Selbstregulation vorgesehen sind. Diese Dynamik verdeutlicht die Notwendigkeit einer balancierten Integration von Technologie in unseren Alltag und die Notwendigkeit, die damit verbundenen Auswirkungen auf unsere mentale und physische Gesundheit zu berücksichtigen.

In der aufstrebenden Ära, in der biologische, soziale und technologische Domänen verschmelzen, bedarf es einer erweiterten Perspektive von Autopoiesis. Ursprünglich auf biologische Systeme angewendet, kann dieses Konzept zur Bewältigung unserer immer mehr ablenkenden, medienübersättigten Umgebung dienen. Durch die Nutzung künstlicher Intelligenz (KI) zur Schaffung selbstregulierender Systeme könnte eine „infosomatische Wende“ eingeleitet werden, bei der die Technologie zu einem autonomen Akteur wird. Dies erfordert jedoch eine kontinuierliche Regulierung und Betreuung, unter Berücksichtigung ethischer Aspekte, um Authentizität und die Übereinstimmung mit menschlichen Werten zu gewährleisten, während wir uns in diese autopoietisch durchdrungene Zukunft bewegen.

Unsere gegenwärtige gesellschaftliche Wirklichkeit ist stark von Technologien geprägt, die tiefgreifende Auswirkungen auf unsere Aufmerksamkeit und damit auf unser geistiges und emotionales Wohlbefinden haben. In diesem Zusammenhang bestimmen zunehmend allopoietische Systeme – technologische Strukturen, die nicht eigenständig bestehen können – die Interaktion zwischen Mensch und Technologie. Diese Systeme benötigen unsere aktive, aufmerksame Teilnahme für ihre Instandhaltung, Erneuerung und Erweiterung. Dies umfasst ein breites Spektrum an Aktivitäten, von der alltäglichen Benutzung und Wartung technischer Geräte, über die organisatorischen Abläufe in Unternehmen und Institutionen, bis hin zu den umfassenden sozialen Dynamiken, die sich aus unserer immer stärkeren Vernetzung und Digitalisierung ergeben.

Diese konstante Nachfrage nach unserer Aufmerksamkeit führt zu einer Art „Aufmerksamkeitsentzweiung“, einer Aufspaltung unserer Aufmerksamkeit zwischen unseren eigenen Zielen und Bedürfnissen und den Anforderungen der Technologien, die wir nutzen und pflegen. Dieser Zustand beeinflusst nicht nur unsere individuelle Interaktion mit Technologie, sondern formt auch unsere kollektiven gesellschaftlichen Strukturen und Praktiken. Er lenkt unsere Energie und Ressourcen in Richtungen, die von der notwendigen Pflege und Weiterentwicklung unserer technologischen Infrastrukturen bestimmt werden, und trägt so zur Gestaltung unserer gesellschaftlichen Wirklichkeit bei. Durch das Konzept der Autopoiesis und der infosomatischen Wende eröffnen sich jedoch Wege, um diesem Zustand zu begegnen und eine nachhaltigere und menschenzentrierte Interaktion mit Technologie zu ermöglichen.

Das Prinzip der Autopoiesis, das Selbstorganisation und Selbstregulation umfasst, bietet einen interessanten Ansatz zur Bewältigung dieser Herausforderung. Indem wir technologische Systeme so umgestalten, dass sie selbstorganisierend und selbstregulierend sind, könnten wir uns von der Notwendigkeit befreien, ihnen ständige Aufmerksamkeit zu widmen. Dies stellt einen wichtigen Schritt in Richtung einer „infosomatischen Wende“ dar – einem Übergang zu einer neuen Art und Weise, wie Technologie unsere Gesellschaft prägt.

Diese Wende ist jedoch nicht nur technologisch. Sie impliziert auch eine Veränderung unserer Arbeitsweisen, unserer wirtschaftlichen Strukturen und letztlich unserer menschlichen Potenzialität. Eine solche tiefgreifende Transformation würde eine Abkehr von einer aufmerksamkeitsintensiven, allopoietischen Wirtschaft hin zu einer autopoietischen Gesellschaft bedeuten. Technologie würde zu einer ermöglichenden Infrastruktur werden und nicht mehr zu einer konstanten Quelle von Ablenkung und Stress. Dieser Wandel könnte eine widerstandsfähigere Zivilisation schaffen, die menschliches Potenzial fördert, anstatt es zu behindern.

Die Lösung für diese Herausforderung liegt paradoxerweise in der Technologie selbst, insbesondere in ihrer Autopoiesis. Mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz können wir Technologien zustande bringen, die autonom funktionieren und unsere Aufmerksamkeit nicht ständig benötigen. Dieser „infosomatische Wandel“ erfordert jedoch sorgfältige ethische Überlegungen. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass KI unsere menschliche Einzigartigkeit und Authentizität respektiert und dass ihre Anwendung transparent und ethisch verantwortungsvoll erfolgt.

Wir stehen am Anfang einer aufregenden neuen Ära. Durch die Anwendung der Prinzipien der Autopoiesis auf unsere Gesellschaft und Technologie könnten wir eine selbstregulierende, nachhaltige Welt erschaffen, die im Einklang mit unserer menschlichen Potenzialität steht. Diese neue Weltordnung würde nicht nur unsere individuellen Fähigkeiten berücksichtigen, sondern auch ethische Werte und ökonomische Wertschöpfungsmodelle berücksichtigen, die zur Schaffung einer harmonischen und gerechten Gesellschaft beitragen. Doch obwohl die Herausforderungen groß sind, ist das Potenzial, das sich uns bietet, enorm. Diese Transformation hat gerade erst begonnen, und es liegt an uns, die Richtung zu bestimmen und die uns zur Verfügung stehenden Werkzeuge effektiv zu nutzen. Wir stehen vor der Aufgabe, eine neue gesellschaftliche Wirklichkeit zu gestalten, die den menschlichen Geist fördert, ethische Werte respektiert und gleichzeitig wirtschaftliche Nachhaltigkeit gewährleistet. Es ist eine Reise, deren Ausgang noch ungewiss ist, aber deren reale Potenzialität es wert ist, verfolgt zu werden.

Es folgt ist eine kurze Liste von einigen Schlüsselquellen, die sich mit den erwähnten Konzepten beschäftigen. Bitte beachten Sie jedoch, dass aufgrund der komplexen, interdisziplinären Natur dieser Themen viele andere Quellen zusätzlichen Kontext und Tiefe bieten können. Bitte beachten Sie, dass das Thema tiefgreifend interdisziplinär ist und diese Quellen lediglich einen Ausgangspunkt bieten. Eine eingehende Untersuchung dieser Konzepte kann die Auseinandersetzung mit einer breiteren Palette von Literatur erfordern, die aus Bereichen wie Biologie, Soziologie, Technologiestudien, Medienstudien und mehr stammt.

  1. Maturana, H., & Varela, F. (1980). Autopoiesis und Kognition: Die Verwirklichung des Lebendigen. Dordrecht: D. Reidel Publishing Company. [Dieses Buch hat das Konzept der Autopoiesis vorgestellt]
  2. Lanier, J. (2018). Zehn Gründe, warum du deine Social Media Accounts sofort löschen musst. New York: Henry Holt and Company. [Untersucht die Aufmerksamkeitsökonomie und ihre Konsequenzen]
  3. Russell, S. (2019). Human Compatible: Künstliche Intelligenz und das Problem der Kontrolle. New York: Viking. [Diskutiert die Zukunft der KI, einschließlich ethischer Überlegungen]
  4. Tsvasman, L. (2021). Infosomatische Wende: Impulse für intelligentes Zivilisationsdesign. Ergon Verlag (Nomos Gruppe), Baden-Baden. [Einführung des Konzepts der „infosomatischen Wende“]
  5. Tsvasman, L. & Schild, F. (2019). AI-Thinking: Dialog eines Vordenkers und eines Praktikers über die Bedeutung künstlicher Intelligenz. Ergon (Nomos Gruppe), Baden-Baden. [Diskutiert die medienphilosophischen, epistemologischen und ethischen Implikationen der KI-Nutzung]
  6. Tsvasman, L. (Ende 2023). The Age of Sapiocracy. On the Radical Ethics of data-driven Civilization. Ergon Verlag (Nomos Gruppe), Baden-Baden. [Erkundet das Konzept der „Sapiokratie“ und ethische Überlegungen in der datengetriebenen Zivilisation]
  7. Tsvasman, L. (Hrsg.) (2006). Das große Lexikon Medien und Kommunikation. Kompendium Interdisziplinärer Konzepte. Ergon Verlag, Würzburg. [Ein breiter Überblick über Konzepte in Medien und Kommunikation und verwandte Konzepte aus der systemisch fundierten Perspektive]
Dr. Leon Tsvasman, ein visionärer Medienphilosoph und interdisziplinärer Forscher, denkt stets voraus und verwebt kybernetische Prinzipien mit tiefgründigen humanistischen Werten. Seine akademische Laufbahn umfasst Studien in Medizin, Journalismus, Kommunikationswissenschaften, Politik, Linguistik und weiteren Disziplinen, gekrönt durch eine Promotion in Medienwissenschaften an der Universität Münster. Als Herausgeber lexikalischer Werke arbeitete er mit hochkarätigen Denkern wie Siegfried J. Schmidt, Klaus Merten und Ernst von Glasersfeld zusammen, wobei er im akademischen Diskurs durch seine konzeptionelle Stärke hohe Anerkennung erfuhr. Heute berät Dr. Tsvasman Startups und innovative Hochschulen in Kanada und den USA und lehrt an verschiedenen Universitäten weltweit, wobei er sich auf die Schnittstellen von KI, Ethik und digitaler Transformation spezialisiert. Bekannt als Vordenker in den Bereichen Kybernetik zweiter Ordnung, strategische Intelligenz und ethische Innovation, ist er für seine Fähigkeit geschätzt, komplexe Ideen in transformative Konzepte zu übersetzen. Seine Werke wie „Infosomatische Wende“, „The Age of Sapiocracy“ und „AI-Thinking“ illustrieren sein Bestreben, Bildung und Gesellschaft durch innovative, KI-unterstützte Ansätze zu revolutionieren. Tsvasman setzt sich für eine Bildung ein, die traditionelle Methoden überwindet und dabei systemisch-konstruktivistische Methodologien mit einem starken Fokus auf interdisziplinäre, transferierbare und interkulturelle Kompetenzen integriert. Er ist Schöpfer eines beeindruckenden Spektrums an Konzepten, die in seinem umfassenden Zivilisationsdesign wurzeln. Mit Themen wie „Sapiocratic Governance“ und „Infosomatic Turn“ auf der Schnittstelle zwischen Mensch und Technologie, prägt er den Diskurs über eine nachhaltige und ethisch fundierte Governance maßgeblich mit. Als Mentor und Innovator verkörpert er diese Prinzipien auch in seiner akademischen und beraterischen Tätigkeit.

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