Arbeitgebersiegel: Image zum Mitnehmen oder vertrauenswürdiges Qualitätsmerkmal?

Immer mehr Unternehmen hoffen, dass ein Arbeitgebersiegel ihnen im Wettstreit um die fähigsten Talente Vorteile einbringt. Das löste einen regelrechten Hype aus. Heute schmücken sich von Mittelständler bis Konzern Unternehmen jedweder Größe mit Titeln wie bester oder attraktivster Arbeitgeber. Der Markt für Qualitätssiegel ist nur noch schwer überschaubar – die Wertigkeit der einzelnen Gütesiegel kaum mehr greifbar. Doch wer glänzt wirklich mit herausragenden Arbeitgeberqualitäten? Und wie riechen Bewerbende die Lunte? Das verrät Silke Masurat, Geschäftsführerin und Gründerin des Zentrums für Arbeitgeberattraktivität.
Von   Silke Masurat   |  Gründerin und Geschäftsführerin   |  zeag GmbH
28. Dezember 2023

Es wächst ein Dschungel aus Zertifikaten und Rankings, der immer dichter zu werden scheint. Auch die Zahl der Anbieter:innen, die Arbeitgebervergleiche mit Gewinnerzielungsabsicht anpreisen, nimmt stetig zu. Sie vergeben Auszeichnungen in zahlreichen Kategorien, nach höchst unterschiedlichen Methoden und gegen mitunter saftige Teilnahmegebühren. Während einige Siegel primär dem Image zuträglich sind, markieren andere den Schlusspunkt in einem aufwendigen Prozess der strategischen Personalarbeit. Angesichts eines solchen Siegel-Kuddelmuddels verlieren Marketers und HR-Manager die Orientierung, Unternehmen ihre Glaubwürdigkeit und Bewerbende ihr Vertrauen. Firmen, die Arbeitgeberauszeichnungen ohne Differenzierung einholen, laufen Gefahr, Unsummen für einen Award aufzuwenden, dessen Wirkung im luftleeren Raum verpufft. Um eine Übersicht darüber zu bekommen, was wirklich hinter Auszeichnenden und Ausgezeichneten steckt, hilft es, die drei gängigsten Siegelarten voneinander unterscheiden zu können: 

  1. Imagesiegel

    Möchten Job-Anwärter:innen einigen Arbeitgebersiegeln Glauben schenken, erwarten sie vielerorts die allerbesten Topunternehmen. Dabei werden sie mehrheitlich von einer plumpen Marketingmasche geblendet. Prominente Namen auf dem Siegel strahlen beim ersten, flüchtigen Hinsehen zwar Authentizität aus, entlarven sich auf den zweiten Blick allerdings als Mogelpackung. Denn Firmen qualifizieren sich nicht durch eine vorangehende Unternehmensprüfung für das Imagesiegel, sondern lediglich durch ein dickes Firmenportemonnaie. Den vermeintlich guten Ruf lassen sich viele Siegelanbieter ordentlich was kosten. Damit legen sich Unternehmen gleich doppelt ein Ei: Werden Bewerbende der dünnen und unseriösen Bewertungsgrundlage gewahr, müssen Betriebe sogar negative Konsequenzen befürchten. 

  1. Themenspezifische Auszeichnungen 

Der Spagat zwischen wissenschaftlichem Anspruch und einer gesunden kommerziellen Basis ist in puncto Gütesiegel schwierig. Firmen, denen Arbeitgeberauszeichnungen keine umfangreichen Mitarbeitendenbefragungen und HR-Audits wert sind, können alternativ auf die Gruppe der themenspezifischen Qualitätssiegel setzen. Hier nehmen die Verantwortlichen ausschließlich spezielle Kriterien in Augenschein, etwa Familienfreundlichkeit oder Gendergerechtigkeit. Die Analyse stellt mit Hilfe einer meist stichprobenartigen Survey diese Parameter auf den Prüfstand. Zwar lassen solche Awards nicht auf eine ganzheitlich hohe Arbeitgeberqualität schließen. Dennoch bringen solche Siegel einige Rising Stars hervor und bieten Orientierung für Job-Anwärter:innen, die besonderen Wert auf bestimmte Unternehmensmerkmale legen.

  1. Glaubwürdige Qualitätssiegel 

Je fundierter das Prüfverfahren, desto höher die Glaubwürdigkeit des Siegels – so lautet die Faustregel. Solchen unternehmerisch wertvollen Auszeichnungen gehen ganzheitliche und versierte Analyseprozesse voraus. Forschung- oder Beratungsinstitute begleiten und begutachten Arbeitgeber über einen längeren Zeitraum hinweg und setzen in diesem Rahmen verschiedene Instrumente ein, von HR-Audit bis Mitarbeitendenbefragung. Im Fokus stehen dabei eine strategische Managementberatung und Stärkung des Betriebes von innen heraus. Neben einem hohen Kostenaufwand müssen Unternehmen sicherstellen, dass Human Resources den zusätzlichen Arbeitsaufwand tragen kann – binden solche langfristig angelegten Auswertungen schließlich in großem Stil Personalkapazität. 

Planvoll vorgehen

Die Mehrzahl der am Markt existierenden Arbeitgebersiegel beeindrucken Job-Anwärter:innen nicht. Dieses Problem fußt erstes auf einer geringen Bekanntheit der kursierenden Arbeitgeber-Awards – zweites stehen Bewerbende solchen Siegelanbietern kritisch gegenüber, die mit Gewinnerzielungsabsicht Gütesiegel vergeben. Und ganz allgemein ist die Wahrnehmung von Arbeitgeberauszeichnungen etwas sehr Subjektives. Siegelsuchende sollten deshalb entsprechende Fragen in die Recherche aufnehmen, um seriöse von unseriösen und wirkungsvolle von wirkungslosen Prämierungen zu unterscheiden. 

  • Kompetenz des Anbieters 

Die Expertise und Reputation eines Siegelanbieters stehen im Vordergrund. Anhaltspunkte sollten das Themengebiet sein, aus dem der Anbieter stammt sowie die Erfahrung im auszeichnenden Bereich. Verantwortliche müssen auch die Bekanntheit der Auszeichnung innerhalb der relevanten Zielgruppe im Blick behalten. Liegt dem Anbieter wirklich die  Leistungssteigerung und Arbeitgeberstärkung am Herzen? Oder soll das Siegel ausschließlich den Umsatz des auszeichnenden Unternehmens steigern? 

  • Siegel-Renommee 

Schein oder Sein? Bevor die Entscheidung für oder gegen eine Arbeitgeberauszeichnung fällt, sollten Verantwortliche den angestrebten Award und dessen Kern auf Herz und Niere prüfen. Es ist wichtig zu wissen, wie die Öffentlichkeit das Siegel wahrnimmt und was Menschen damit assoziieren, um möglichen Fallstricken zu entgehen. Wofür steht das Siegel?

  • Verfahrensweise 

Auf welche Methodiken bauen die Ergebnisse der Analyse – auf welcher Basis also wird eine Empfehlung für den Arbeitgeber ausgesprochen? Wer dieser Frage nachgeht, entdeckt gigantische Unterschiede im Vorgehen der verschiedenen Anbieter. Intransparente Arbeitgeber-Rankings sind in diesem Umfeld eine Red Flag. Beinhaltet das Siegel-Paket eine Mitarbeiterbefragung oder einen HR-Audit, schließt das auf einen vertrauenswürdigen Partner. Beinhaltet die Analyse eine Mitarbeiterbefragung?

  • Auswertungsumfang

Der Umfang und die Tiefe einer Untersuchung ist ausschlaggebend für ihre Aussagekraft. Verfügt die Analyse über eine ganzheitliche Betrachtung?

  • Auswertungsinhalt 

Eine zielgerichtete Analyse stellt Kriterien in den Mittelpunkt, die für die Arbeitgeberattraktivität von großer Bedeutung sind. Wie wichtig sind die abgefragten Punkte für die Attraktivität des Arbeitgebers und dessen Entwicklung? Geht es dabei um die Unternehmenskultur oder nur um das Angebot?

  • Vergleichbarkeit 

Hochkarätige Auszeichnungen schöpfen ihren Wert aus der vergleichenden Situation. Die Ergebnisse bieten bestenfalls einen Mehrwert für das Unternehmen und heben seine Position im Wettbewerb hervor. Gleichzeitig gelingt es der ausgezeichneten Firma auf diesem Weg, das eigene Arbeitsumfeld besser einzuordnen, zu bewerten und gegebenenfalls anzupassen. Können Auftraggeber die Ergebnisse ihres Unternehmens mit denen anderer vergleichen?

  • Professionelle Analyse 

Die Erfahrung der Anbieter im Umgang mit Analysen und Auszeichnungen zeigt, ob sie wertvolle Erkenntnisse und konkrete Handlungsansätze liefern können. Wer wertet die gesammelten Daten und Antworten aus? Werden sie professionell interpretiert? Wie aussagekräftig, differenziert und hilfreich ist die Aufbereitung der Ergebnisse?

Ausblick 

Die Liste der verschiedenen Ranglisten und Gütesiegeln ist lang und die Unternehmen, die keinerlei Auszeichnungen schmücken, mittlerweile die Ausnahme, statt die Regel. Dennoch sollten Verantwortliche einen kühlen Kopf bewahren und nicht blindlings in den Siegel-Wettbewerb einsteigen, um High Potentials zu locken. Imagesiegel ködern zwar mit schnellem Recruiting-Erfolg. Doch auf Langstrecke setzt sich wissenschaftliche begleitete, strategische Personalarbeit durch. Deshalb sollte auch die Erhebungsmethodik eine zentrale Rolle bei der Auswahl des Arbeitgebersiegels spielen. Wer seine Arbeitnehmenden in Form einer repräsentativen Befragung einbindet, stärkt die Innenwirkung der Zertifizierung. Den größten Nutzen erzielen ausgezeichnete Unternehmen, wenn sie über das aktuelle Stadium hinaus denken und die Analyse nutzen, um ein noch besserer Arbeitgeber zu werden. Studien bestätigen hier die Umsatz- und Resilienzsteigerung durch optimierte Arbeitsbedingungen und glücklichere Mitarbeitende.

Silke Masurat ist Gründerin und Geschäftsführerin der zeag GmbH, dem Zentrum für Arbeitgeberattraktivität. Dort fördert sie im Rahmen des TOP JOB-Programms die Arbeitsplatzkultur und Nachhaltigkeit von Unternehmen inklusive regelmäßig erscheinender Studien zur deutschen Arbeitskultur.

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