KI-Agenten und Multi-Agenten-Systeme revolutionieren die Automatisierung der Arbeitswelt

Mit Agentic AI und Multi-Agenten-Systemen erlebt die Arbeitswelt eine neue Stufe bei der Automatisierung von Geschäftsprozessen. Kooperativ arbeitende KI-Agenten ermöglichen eine intelligente, dynamische, und selbststeuernde Automatisierung, die sich flexibel auf neue Zielvorgaben, veränderte Rahmenbedingungen und Umgebungen einstellen kann.
Von   Florian Lauck-Wunderlich   |  Head of AI and Advanced Analytics Consulting EMEA bei Pegasystems   |  Pegasystems
15. Juli 2025

KI-Agenten und Multi-Agenten-Systeme revolutionieren die Automatisierung der Arbeitswelt

 

Mit Agentic AI und Multi-Agenten-Systemen erlebt die Arbeitswelt eine neue Stufe bei der Automatisierung von Geschäftsprozessen. Kooperativ arbeitende KI-Agenten ermöglichen eine intelligente, dynamische, und selbststeuernde Automatisierung, die sich flexibel auf neue Zielvorgaben, veränderte Rahmenbedingungen und Umgebungen einstellen kann.

Agentic AI liefert einen neuen Ansatz zur Automatisierung von Geschäftsprozessen, bei dem spezialisierte, autonome KI-Agenten komplexe Aufgaben eigenständig bearbeiten und optimieren. Im Gegensatz zu klassischen regelbasierten Automatisierungslösungen sind sie in der Lage, dynamisch auf Veränderungen zu reagieren und flexibel zu arbeiten. Agentic AI kombiniert dafür verschiedenste KI-Technologien: Maschinelles Lernen (ML) liefert prädiktive Modelle für Entscheidungen, Reinforcement Learning (RL) verbessert die Agentenleistung iterativ nach dem Prinzip Trial-and-Error, während Knowledge Graphs und Symbolic AI strukturierte Wissensrepräsentationen und regelbasierte Entscheidungslogik bereitstellen. Generative Large Language Models (LLMs) ermöglichen zudem eine fortschrittliche Analyse und Generierung natürlicher Sprache. Durch das Zusammenspiel dieser Technologien lernen Agenten in Echtzeit und optimieren eigenständig komplexe Abläufe.

 

Multi-Agenten-System in Telekommunikationsunternehmen zur automatisierten Behebung von Störfällen. (Quelle: Pegasystems)

 

Die Evolution von Multi-Agenten-Systemen

Die jüngste Stufe von Agentic AI sind Multi-Agenten-Systeme (MAS). Dabei arbeiten mehrere auf bestimmte Tätigkeiten spezialisierte KI-Agenten zusammen, um gemeinsam komplexe Aufgaben automatisiert zu erledigen. Dafür zerlegt Agentic AI nach dem „Divide and Conquer“-Prinzip konkrete Aufgaben in kleine, überschaubare Teilaufgaben, die einfacher zu lösen sind. Die daraus entstehenden Teillösungen werden anschließend zusammengebracht, um die komplexe Gesamtaufgabe zu erledigen. Prozesse, bei denen bislang nur einzelne Schritte automatisierbar waren, lassen sich so durchgängig automatisieren. Da Multi-Agenten-Systeme im Gegensatz zu klassischen Automatisierungslösungen keine starren Abläufen folgen, sind sie in der Lage, auch in Prozessketten schnell und dynamisch auf Veränderungen zu reagieren. Da die Summe von Einzellösungen aber noch keine Prozesslösung ergibt, wird für die Koordinierung der einzelnen Aufgaben und Tätigkeiten in Multi-Agenten-Systemen ein zusätzlicher Orchestrierungsagent oder ein Orchestrierungs-Layer benötigt. Über diese übergeordnete Instanz werden die Aufgaben zugeordnet, gesteuert, Prioritäten gesetzt sowie die Reaktionen und der Umgang mit Ausnahmen verwaltet. Damit läutet Agentic AI eine neue Ära in der Automatisierung von Geschäftsprozessen ein.

 

Agentic AI in der Praxis

Wie Multi-Agenten-Systeme arbeiten, verdeutlicht ein Beispiel aus dem Backoffice einer Bank. Es zeigt, wie verschiedene Agenten zusammenwirken, um die Dokumentenverifikation effizient zu automatisieren – von der Erfassung über die Betrugserkennung bis hin zur Compliance-Prüfung. Durch die Aufteilung in kleinere Teilaufgaben können diese Prozesse schneller und präziser abgewickelt werden. Dabei übernimmt der Dokumentensammler-Agent die Aufgabe, Kundendokumente aus verschiedenen Quellen wie E-Mails, Portalen oder Scans zu erfassen und bereitzustellen. Der OCR- und Datenerfassungs-Agent konvertiert anschließend die gescannten Dokumente in reinen Text. Daraus extrahiert er dann relevante Informationen. Das können beispielsweise Namen, Kontonummern oder Datumsangaben sein. Im nächsten Prozessschritt erfolgt dann die Prüfung dieser Daten auf Validität und möglichen Betrugsverdacht. Dafür vergleicht der Betrugserkennungs-Agent die Dokumentendaten unter anderem mit internen und externen Datenbanken, um potenzielle Betrugsversuche zu erkennen. Ist auch diese Hürde erfolgreich genommen, überprüft der Compliance- und Validierungs-Agent, ob alle regulatorischen und betrieblichen Vorgaben eingehalten wurden. Dies ist wichtig, um sicherzustellen, dass die Entscheidungen von KI-Agenten transparent nachvollziehbar sind und keine diskriminierenden Entscheidungen getroffen wurden. Andernfalls laufen Unternehmen Gefahr, gegen geltendes Recht zu verstoßen. Deshalb gehört auch ein Bias-Agent in die Prozesskette, der diskriminierende Entscheidungen verhindet. Abschließend konsolidiert der Entscheidungs-Agent die Ergebnisse aller Agenten und entscheidet, ob das Abschlussdokument akzeptiert wird oder ob weitere Prüfungen erforderlich sind.

Telekommunikationsunternehmen können agentische KI unter anderem im Kundenservice einsetzen. Sobald ein Kunde eine Störung des Internetanschlusses meldet, analysiert ein Agent automatisch die Router-Daten und prüft die Leitung auf Netzausfälle. Sofern keine umgehende automatische Lösung möglich ist, wird die Anfrage an einen Mitarbeiter im Kundensupport weitergeleitet, der von einem Empfehlungs-Agenten unterstützt wird und passende Antworten, Systembefehle und Informationen vorschlägt. Im Backend arbeiten weitere Agenten zusammen und liefern Daten an die mittlere Eskalationsebene sowie direkt an den Analyse- und Optimierungs-Agent. Er analysiert alle Entscheidungen und empfiehlt langfristige Änderungen im System. Die aggregierten Informationen werden dann automatisiert an einen Entwickler weitergegeben.

Solche Beispiele verdeutlichen die Einsatztiefe von Multi-Agenten-Systemen, die komplexe Prozesse bis in die letzten Winkel in ihrer Aufgabenfülle hin zu den kleinsten und differenziertesten Spezialaufgaben übernehmen können – und sich dabei selbst koordinieren und steuern. Aber auch ihre Einsatzbreite ist potenziell unendlich. Agentic AI bietet vielseitige Einsatzmöglichkeiten in unterschiedlichen Branchen wie Gesundheitswesen, Logistik oder Recht, um dort Arbeitsabläufe intelligenter und effizienter zu gestalten. Im Gesundheitswesen sind es vor allem Prozesse wie die Prüfung der Patientenakten, die Schadensregulierung und die Betrugserkennung, die als Aufgaben für Agentic AI prädestiniert sind. In der Logistik kann sie unter anderem Prozesse wie die Optimierung der Auftragsabwicklung, die Lagerverwaltung und die vorausschauende Wartung (Predictive Maintenance) übernehmen. Und im Kundensupport gehören intelligente Ticket-Triage, automatisierte Anfragenbearbeitung und Echtzeit-Kundeninteraktionen zu den Einsatzgebieten.

 

Recht, Compliance und der Mensch in der Schleife

Abgesehen von diesen branchenspezifischen Segmenten sind Multi-Agenten-Systeme auch ein wichtiges Effizienz- und Automatisierungswerkzeug für Unternehmen und Behörden aller Couleur innerhalb des Themenkomplexes Recht und Compliance. Sie können die automatisierte Prüfung von Verträgen und die Bewertung von Risiken übernehmen sowie die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften prüfen. Blindes Vertrauen in die zweifellos überwältigenden Einsatzmöglichkeiten von Multi-Agenten-Systemen wäre allerdings fehl am Platz. Gerade durch die enormen Fähigkeiten ist es wichtig, sie durch menschliche Kontrollinstanzen zu ergänzen, um Fehlentscheidungen und -entwicklungen frühzeit zu erkennen und zu verhindern. In die Prozesskette von Multi-Agenten-Systemen gehört daher auch der „Human in the Loop“, um den KI-Einsatz sicher, transparent, nachvollziehbar, erklärbar und auditierbar zu machen. Bei kritischen Entscheidungen benötigt agentische KI ein menschliches Kontrollorgan direkt im Prozess. Es sorgt dafür, dass Entscheidungen mit hohem Fehlerpotenzial oder großer Tragweite nicht autonom von Agenten getroffen, sondern einer abschließenden Risikoprüfung unterzogen werden.

Mit ihren potenziell unendlichen Möglichkeiten sind Agentic AI und Multi-Agenten-Systeme zweifellos die Zukunft der intelligenten Automatisierung. Sie revolutionieren die Art und Weise, wie Unternehmen komplexe Aufgaben bewältigen. Daher werden sie zukünftig eine noch viel stärkere Rolle dabei spielen, in den Unternehmen vieler Branchen die Automatisierung zu optimieren, manuelle Arbeit zu reduzieren und intelligente Entscheidungsfindung zu fördern.

Florian Lauck-Wunderlich ist seit über 18 Jahren in Implementierung und Betrieb von Software und Services an der Schnittstelle zwischen Business und IT tätig. Er arbeitete in verschiedenen Positionen in den Bereichen Produktmanagement, Softwareentwicklung und Geschäftsprozessoptimierung für große Unternehmen in unterschiedlichen Branchen. Bei Pegasystems leitet er u.a. Projekte im Bereich Prozessautomatisierung und KI. Sein besonderes Interesse gilt der Architektur von Mensch-Maschinen-Kollaboration.

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