KI: mehr Fokus auf die Produktion
Die Herausforderung beim erfolgreichen KI-Einsatz in der Produktion besteht letztlich darin, eine Brücke zwischen Informationstechnologie (IT) und Betriebstechnologie (Operational Technology, OT) zu schlagen. Dergestalt lassen sich Maschinen-, Sensor- und Steuerungsdaten intelligent mit den Daten von Unternehmens- und Produktionsplanungssystemen verknüpfen. Nur so kann KI voll wirken. Die möglichen Nutzenwerte sind um ein Vielfaches größer als etwa bei bisherigen Big-Data-Konzepten: nicht weniger als eine Demokratisierung von Daten für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über eine Interaktion mit OT-Daten in natürlicher Sprache.
Ein zentrales Problem in der industriellen Produktion ist jedoch nach wie vor eine relativ ausgeprägte Fragmentierung der Datenlandschaft. Unternehmen setzen eine Vielzahl an Systemen ein; ERP, SCM, MES, SCADA und zahlreiche weitere Steuerungssysteme. Häufig fehlt eine übergreifende Architektur, um diese Daten sinnvoll zusammenzuführen. Hierbei gibt es drei damit einhergehende Ebenen bei den grundlegenden technischen Herausforderungen:
Unstrukturierte Datenlandschaft: Sensoren, Maschinensteuerungen und Produktionsanlagen erzeugen riesige Datenmengen, die jedoch oft nicht integriert oder kontextualisiert sind.
Inkompatible Formate: Unterschiedliche Protokolle und Schnittstellen erschweren die Zusammenführung der Daten.
Mangelnde Echtzeitfähigkeit: Viele Analysen sind reaktiv statt proaktiv, da Daten oft nur manuell ausgewertet werden.
Technische Lösung: Eine standardisierte Datenbasis als Fundament für KI
Die effizienteste Herangehensweise für die Zusammenführung dieser Daten ist die Nutzung einer zentralen Cloud-Plattform, ob nun private, hybrid oder public. Sie bildet damit die Basis für eine Verbindung von Maschinen- und Unternehmensdaten. Und in ihr lassen sich nahtlos die erforderlichen Technologien einbringen, wie etwa Edge Computing für verteilte Standorte, um Sensordaten in Echtzeit auszuwerten – noch bevor sie an zentrale Plattformen weitergeleitet werden. Ein wichtiger Baustein hierfür ist das ISA-95-Datenmodell, ein Standard für die Integration von Unternehmens- und Kontrollsystemen in der Fertigung. Es hilft, Produktions- und Geschäftsdaten in einer standardisierten Struktur abzubilden, wodurch eine konsistente Datenverarbeitung über verschiedene Systeme hinweg ermöglicht wird.
Einmal etabliert, kann über eine solche Plattform die für den KI-Einsatz erforderliche semantische Datenmodellierung vorgenommen werden – denn Produktionsdaten müssen nicht nur gespeichert, sondern intelligent verknüpft werden. Als typische Elemente werden dabei in der Regel dienen: Wissensgraphen, welche die Beziehungen bzw. Zusammenhänge zwischen Maschinen, Prozessen und Produkten abbilden; Ontologien, die standardisierte Begriffe und Kategorien für Produktionsdaten definieren; digitale Zwillinge schließlich, die Produktionsabläufe oder Supply Chains in Echtzeit simulieren und analysieren. Mit diesen Instrumenten ist der „KI-Production-Stack“ komplett und bereit für die richtigen Ableitungen im Einsatz.
KI-gestützte Analytik und Entscheidungsfindung
KI in all ihren Formen – generativ, prädiktiv und präskriptiv – gewinnt demnach in der Fertigung zunehmend an Bedeutung und beschleunigt die Entwicklung zu autonomeren Abläufen mit weniger menschlichen Eingriffen. Sie wird in der Fertigung zur Verbesserung des Produktdesigns, zur Wissenserfassung und -unterstützung, zur Rationalisierung der Fehlerbehebung und der Berichterstellung sowie zur Optimierung der Produktionsprozesse und zur Verringerung des Risikos von Lieferketten eingesetzt. Das ermöglicht eine verbesserte vorausschauende Wartung und Instandhaltung vor Ort; das wiederum trägt dazu bei, Probleme bei der Qualitätskontrolle schneller zu erkennen und Mitarbeitern Echtzeit-Einblick in die entsprechenden Daten zu geben.
Der größte Mehrwert entsteht dabei durch einem Verbund spezialisierter KI-Agenten – in den Bereichen Forschung und Entwicklung, Beschaffung, Produktion, Logistik und Wartung vor Ort – und nicht durch ein einziges, einheitliches Tool. Diese Agenten, die Fachwissen über ein bestimmtes Unternehmen verfügen, können zunehmend abteilungsübergreifende Aktionen auslösen – von der Produktforschung über die Beschaffung und Produktion bis hin zum Vertrieb und Marketing. In Zukunft wird jeder Mitarbeiter Zugriff auf eine Art persönlicher KI-Assistent haben. Auf der Grundlage von Arbeitsinhalten wie E-Mails, Besprechungen und Dokumenten werden solche KI-Assistenten bald die neue zentrale Benutzeroberfläche für KI in verschiedenen Anwendungen darstellen.
Stichwort Qualitätskontrolle: Mit einer dergestalt etablierten strukturierten Datenbasis kann zudem eine „Digital Root Cause Analysis“ durchgeführt werden, um Fehlerquellen granular zu analysieren. Insbesondere die Rate-Loss-Analyse hilft dabei, Produktionsverluste gezielt zu minimieren, indem Daten aus Maschinen und Prozessen intelligent verknüpft werden. So lässt sie sich für zwei übergeordnete Kategorie-Zwecke in Unternehmen einsetzen: die Verbesserung bestehender und die Unterstützung neuer Geschäftsmodelle.
Beispiele für die Optimierung dessen, was bereits vorhanden ist, können sein:
LLM-gestützte Ursachenanalyse samt Prompt-Strategien zur präzisen Modellierung der Beziehungen zwischen Maschinenzuständen, Fehlerquellen und Produktionsleistung – für gezielte Optimierungsmaßnahmen.
Neuronale Netze zur Ermöglichung leistungsfähigerer visueller Qualitätskontrollen, die u. a. durch zusätzliche Sensordaten Abweichungen automatisiert schneller und präziser als bei klassischen Verfahren identifizieren – zur Behebung von Abweichungen noch während des Produktionsprozesses.
Large Language Models (LLMs) zur Analyse von Betriebsberichten, die zudem dedizierte kontextbezogene Handlungsempfehlungen bereitstellen.
KI kann auch die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle vorantreiben. Traditionell kaufen Produktionsunternehmen Maschinen und Anlagen als einmalige Investition. Mit KI-gestützter Datenerfassung und Predictive Analytics können Maschinenhersteller jedoch ein leistungsabhängiges Abrechnungsmodell einführen. Damit ließe sich das Geschäftsmodell vom Produktverkauf zum Service-Geschäft transformieren, das statt volatiler Verkäufe zuverlässige Service-Einnahmen generiert.
Dabei würden KI-gestützte Sensoren in den Maschinen kontinuierlich Nutzung, Verschleiß und Leistung überwachen. Statt die Maschine zu verkaufen, bietet der Hersteller sie als Service an und rechnet nach Betriebsstunden, Produktionsmenge oder Maschinenauslastung ab. Predictive Maintenance würde dabei ungeplante Ausfälle minimieren, für die Einhaltung von Service Level Agreements (SLAs). Datenanalysen schließlich könnten dazu beitragen, die Maschinenleistung kontinuierlich zu verbessern – der Hersteller könnte Optimierungen vornehmen, ohne dass der Kunde eingreifen muss.
Use Cases: Wie KI den Shop-Floor transformiert
Die Integration einer einheitlichen Datenbasis ermöglicht – ergänzend zu den bereits oben genannten – zahlreiche weitere konkrete Anwendungsfälle für KI in der Produktion. Einige Beispiele:
Dynamische Produktionsplanung: Echtzeitdaten aus der Fertigung werden genutzt, um Produktionskapazitäten optimal anzupassen und Engpässe zu vermeiden.
Digitale Ursachenanalyse: Produktionsverluste werden durch datengetriebene Analysen identifiziert und gezielt behoben.
Intelligente Assistenzsysteme: KI-gestützte Dashboards und Chatbots helfen Produktionsmitarbeitern, komplexe Zusammenhänge schneller zu verstehen und bessere Entscheidungen zu treffen.
Die Roadmap zur KI-gestützten Produktion
Vorweg: Die Einführung von KI ist nicht nur eine technologische, sondern auch eine kulturelle Veränderung. Mitarbeiterschulungen, Change-Management und ein schrittweiser Übergang sind entscheidend für den Erfolg. Das vorausgeschickt, erfordert die Implementierung von KI in der Fertigung über die bis hierhin skizzierte Darstellung eine schrittweise Vorgehensweise:
1. Aufbau einer Dateninfrastruktur: Den Beginn macht die Definition einer standardisierten Datenarchitektur. Dabei sollte ein Mapping der Daten bestehender Systeme (ERP, MES, SCADA) vorgenommen werden, so dass diese in eine zentrale Plattform überführt werden können.
2. Auswahl geeigneter KI-Anwendungen: Nicht jede Fertigung benötigt dieselben KI-Modelle. Unternehmen sollten gezielt die Anwendungsfälle identifizieren, die den größten Mehrwert bieten – sei es in der Qualitätssicherung, der Wartung oder der Prozessoptimierung. Es muss nicht alles auf einmal implementiert werden – stattdessen muss der sofortige konkrete Mehrwert erkennbar sein. Dank Plattform ist der Funktions-, Integrations- und Wertaufwuchs über die Zeit möglich.
3. Pilotprojekte und Skalierung: In einem ersten Schritt werden nun die identifizierten KI-Modelle in Pilotprojekten getestet und optimiert. Anschließend erfolgt eine unternehmensweite Skalierung, um die Effizienzgewinne zu maximieren.
4. Kontinuierliche Optimierung: KI ist kein statisches System – die Modelle müssen kontinuierlich mit neuen Daten trainiert und an veränderte Produktionsbedingungen angepasst werden. Dies erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen IT, OT und Fachabteilungen.
5. Integration in den Produktionsalltag: KI-gestützte Systeme ermöglichen es, Maschinenzustände, Ursachenanalysen und Optimierungspotenziale durch einfache Sprachbefehle abzurufen. Dadurch wird der Zugang zu relevanten Informationen für Fachkräfte im Shop Floor erleichtert und Entscheidungsprozesse beschleunigt.
Fazit
IT und OT müssen für erfolgreiche KI-Nutzung in der Fertigung zusammenrücken. Die intelligente Nutzung von Produktionsdaten durch KI bietet erhebliche Vorteile für Effizienz, Qualität und Nachhaltigkeit in der Fertigung. Der Schlüssel zum Erfolg liegt in der strukturierten Vernetzung von IT und OT. Unternehmen, die eine standardisierte Datenbasis etablieren, profitieren langfristig von fundierteren und schnelleren KI-gestützten Entscheidungen sowie einer höheren Automatisierung. Die Einführung von KI in der Produktion ist somit weit mehr als technologische Neuerung – sie ist ein strategischer Schritt in Richtung einer intelligenten, resilienten und zukunftsfähigen Fertigung.
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