Geschäftsmodell gesucht: Warum KI ein Monetarisierungsproblem hat

Künstliche Intelligenz (KI) verändert die Softwarebranche grundlegend. Softwareanbieter und IoT-Hersteller stehen dabei vor einer doppelten Herausforderung: Sie müssen KI nicht nur in Produkte integrieren, sondern sie auch richtig monetarisieren. Bestehende Geschäftsmodelle greifen hier zu kurz. Der Artikel zeigt, wie sich die Kostenspirale rund um KI entwickelt, und welche Strategien Unternehmen hinsichtlich ihrer KI-Produkte nutzen können, um im hart umkämpften und hoch dynamischen KI-Wettbewerb erfolgreich zu sein.
Von   Nicole Segerer   |  SVP und General Manager   |  Revenera
25. Juni 2025

Geschäftsmodell gesucht: Das Kostenproblem von KI

 

 

Seit OpenAI 2022 mit ChatGPT der breiten Masse den Zugang zu KI eröffnet hat, investieren die großen Tech-Konzerne in immer schnellerem Tempo. Die Ausgaben erreichen jedes Jahr neue Rekorde. Laut Prognosen wollen die großen Tech-Konzerne in diesem Jahr rund 300 Milliarden US-Dollar in KI stecken – ein Plus von etwa 23 % gegenüber dem Vorjahr. Getrieben wird dieser Investitionsschub unter anderem durch die nächste Innovationswelle der KI-Agenten. Damit sind autonome Programme, die Aufgaben eigenständig planen, ausführen und dazulernen.

 

In der KI-Kostenspirale

Die schöne neue KI-Welt hat allerdings ihren Preis. Die Trainingskosten für die Large Language Modelle (LLMs) sind hoch und bewegen sich im dreistelligen Millionenbereich. Neue und in der Entwicklung deutlich günstigere Open Source-Modell aus China sorgten Anfang 2025 zwar für Aufsehen, wecken aber auch Zweifel hinsichtlich Sicherheit und Transparenz. Die meisten Unternehmen bauen deshalb kein eigenes KI-Modell. Stattdessen setzen sie auf bestehende LLMs, ergänzen diese um domänenspezifische Daten (Finetuning) und integrieren sie in spezifische Anwendungen. Kostenfrei ist die Nutzung der Dritt-Anbieter KIs natürlich nicht.

Zudem erfordert die Ausführung von verwalteten KI-Diensten enorme Rechenressourcen, was die Cloudkosten ankurbelt und Preise weiter steigen lässt. Ein gelegentlich genutzter Chatbot ist dabei weniger kostenintensiv als eine individuelle KI-Implementierung inklusive Deep Learning-Modell und Echtzeit-Inferenz. Hinzu kommen Kosten für den wachsende Bedarf an Speicherplatz und Datenverarbeitung, um den nicht nachlassenden Datenhunger der KI stillen zu können.

Damit treibt KI die Kostenspirale sowohl für Anbieter als auch Anwender ungebremst in die Höhe. Schlimmer noch: Die möglichen Preis- und Kostenszenarien lassen sich im Vorfeld kaum klar abzustecken und verhindern Planungssicherheit.

 

KI-Markt sucht Kosten-Nutzen-Verhältnis

Für Softwareanbieter und IoT-Hersteller ist die Suche nach dem passenden Preis- und Monetarisierungsmodell kein neues Terrain. Neuausgerollte Produkte, Funktionen und Updates müssen beim Kunden auf Akzeptanz treffen und ihren Mehrwert unter Beweis stellen. Andernfalls droht der Anbieterwechsel, der auf Grund von Softwareabonnements und nutzungsbasierten Modellen heute häufig schneller vollzogen ist als zu Zeiten klassischer On-Premises-Software.

Laut Monetization Monitor 2025 Outlook glaubt nur rund ein Drittel (36 %) der Softwareanbieter an ihre eigene Preisstrategie. Im KI-Bereich ist die Unsicherheit noch größer. Es fehlen Erfahrungswerte, um ein stimmiges Preis-Leistungs-Verhältnis zu definieren. Der Nutzen von KI ist zwar für die Mehrheit unbestritten, im konkreten Fall lässt er sich aber nur schwer messen und beziffern. Die Einführung von neuen KI-Produkten verläuft daher eher nach einem Trail-and-Error-Verfahren, ehe sie wirtschaftlich greifen.

Auch die Großen der Branche ringen noch mit der richtigen Kalkulation. OpenAI etwa räumte ein, dass die Pro-Version von ChatGPT deutlich stärker genutzt werde als erwartet. Der monatliche Abo-Preis würde die Kosten für die dafür nötige Rechenpower trotz der Hunderten von Millionen von Nutzern nicht decken. Neue Impulse könnten kostengünstige Open-Source-Modelle bringen. Bislang wurde der Markt von den großen Playern dominiert, die dank ihrer Stellung hohe Premium-Preise verlangen konnten. Doch der Eintritt günstiger Wettbewerber könnte langfristig zu einer Kommodifizierung von KI-Lösungen führen.

 

KI ist nicht gleich KI

Um im KI-Zeitalter wettbewerbsfähig zu bleiben, brauchen Softwareanbieter eine belastbare Monetarisierungsstrategie. Sinkende Margen, hoher Innovationsdruck und ein wachsender Kostensockel machen kurzfristige Improvisation riskant. Doch eine Standardlösung gibt es nicht – das passende Geschäftsmodell hängt stark vom Produkttyp, Kundennutzen und technischer Architektur ab.

Eine zentrale Frage lautet: In welcher Form gelangt die KI zum Kunden? Wird sie als neues Feature in bestehende Produkte integriert (Enrichment-Modell), was Preisanpassungen im Gesamtsystem erfordert? Oder handelt es sich um ein optionales Add-on, das separat buchbar ist? Denkbar ist auch ein vollständig neues KI-Produkt mit eigener Preislogik. Als Faustregel gilt: Wenn die KI-Funktionalität unabhängig vom Kernprodukt einen klaren Mehrwert bietet, sollte sie eine eigenständige Leistung darstellen. Preisgestaltung und Paketlogik sollten dabei stets den tatsächlichen Nutzen widerspiegeln.

Ein oft unterschätzter Aspekt ist die Software-Supply-Chain. Viele Anbieter nutzen Drittanbieterkomponenten – etwa für Analytics, Reporting oder Suchfunktionen – und vertreiben ihre Lösung unter eigener Marke (White Labeling). Kommen in diesen Modulen künftig KI-Funktionen zum Einsatz, steigen auch die Einkaufskosten. Diese müssen in der Gesamtstrategie berücksichtigt werden, sonst drohen Margenverluste.

 

Neue Geschäftsmodelle

Wie abgerechnet wird, ist oft entscheidender als der konkrete Preis. Das gilt besonders bei der Monetarisierung von KI. Geschäftsmodelle auf Basis von Named-User-Lizenzen bieten zwar planbare Umsätze. Daran geknüpfte Abonnements gehen jedoch oft an den Bedürfnissen von Anwendern vorbei. Gerade bei schwankender Nutzung sorgt eine hohe Monats- oder Jahresrechnung schnell für Frust beim Kunden, insbesondere wenn bei der täglichen Arbeit kein kontinuierlicher Mehrwert wahrgenommen wird.

Hinzu kommt: Unternehmen neigen dazu, den Nutzerkreis künstlich zu begrenzen, um Kosten zu sparen. Im experimentierfreudigen KI-Umfeld tragen solche Einschränkungen jedoch wenig zu Innovationen bei. Eine weitere Herausforderung: Wenn neue KI-Funktionen menschliche Arbeit ersetzen, sinkt über kurz oder lang auch die Zahl der nötigen Nutzer-Lizenzen.

Alternative Geschäftsmodelle zur Monetarisierung von generativer KI gewinnen daher zunehmend an Bedeutung.

 

  • Nutzungsbasierte Modelle
    Die nutzungsbasierte Monetarisierung bietet weniger Planungssicherheit, spiegelt dafür aber den tatsächlichen Kundenwert besser wider. Zudem passen diese Modelle zur Kostenstruktur generativer KI und eröffnen Nutzern mehr Flexibilität. Es gibt viele Varianten: von vollständig flexiblen Pay-as-you-go-Modellen bis hin zu nutzungsbasierten Abonnements mit höherer Umsatzvorhersehbarkeit. Infrastruktur-Anbieter setzen häufig auf kostenorientierte Modelle, bei denen etwa Rechenzeit oder Speicherplatz abgerechnet werden.

 

  • Ergebnisorientierte Modelle
    Diese Art der Monetarisierung kann als Weiterentwicklung nutzungsbasierter Ansätze gelten, da sie direkt auf den geschäftlichen Nutzen abzielt. Abgerechnet wird nicht allein der Zugang oder die Nutzung einer Anwendung, sondern das damit erzielte Ergebnis. Im KI-gestützten Kundenservice könnte das z. B. die automatische Schließung eines Support-Tickets sein. Voraussetzung sind klar definierte KPIs, messbare Erfolge und eine enge Zusammenarbeit mit dem Kunden. Die Preise pro Ergebnis liegen meist deutlich höher, um die Profitabilität auf Anbieterseite sicherzustellen.

 

  • Hybride Monetarisierung
    Da Cloud- und KI-Infrastrukturen auf variablen Kostenmodellen basieren, setzen viele Anbieter inzwischen auf hybride Ansätze. Besonders verbreitet ist die Kombination aus Abonnement und nutzungsbasierten Komponenten. Das Abo deckt die Grundnutzung ab. Zusätzliche Anforderungen werden über Prepaid-Credits abgerechnet, etwa für Lastspitzen, Premiumfunktionen oder den flexiblen Zugriff auf weitere Anwendungen. Dieses sogenannte Elastic Access-Modell bietet beiden Seiten Vorteile: Anbieter sichern sich wiederkehrende Umsätze, Kunden erhalten maximale Flexibilität.

 

Fazit

KI bleibt in vielen Bereichen ein Experiment. Die Nutzung neuer Funktionen oder Produkte variiert, besonders in der Einführungsphase. Wer als Anbieter neue Geschäftsmodelle etablieren will, muss bereit sein, datenbasiert zu arbeiten. Nur wer Schwankungen analysiert, Nutzungsmuster erkennt und echte Mehrwerte messbar macht, kann Angebot und Preisstrategie zielgerichtet weiterentwickeln. Die Erfassung von Nutzungsdaten ist zentral. Entsprechende Plattformen erlauben einen tiefen Einblick in das Produkt und ermöglichen gleichzeitig die zentrale Steuerung von Zugriffsrechten. Zudem schützen sie vor Übernutzung und Lizenzverstößen, ein Thema, das auch im KI-Kontext nicht unterschätzt werden darf. Denn langfristig entscheidet nicht nur, was eine KI kann, sondern auch, wie klug sie monetarisiert wird.

Nicole Segerer blickt auf über 15 Jahre Erfahrung in der Softwareproduktstrategie und im Marketing zurück. Als SVP und General Manager von Revenera unterstützt sie Softwareanbieter und IoT-Hersteller bei der Umstellung auf digitale Geschäftsmodelle und der Optimierung der Softwaremonetarisierung.

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