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Wie Rechenzentren grüner werden können

Immer mehr Unternehmen wollen mit Green IT ihre Klimabilanz verbessern. Doch wie hängen Performance, Nachhaltigkeit und Energieeffizienz eigentlich genau zusammen? Neben dem Prinzip der Virtualisierung gibt es hilfreiche Tools, die das Power-Management im Datacenter effizienter gestalten und mit denen sich die Auslastung optimieren lässt. Darüber hinaus kann die IT auch jenseits des Energieverbrauchs im Rechenzentrum dazu beitragen, Unternehmensprozesse effizienter gestalten, und einen deutlichen Akzent bei der nachhaltigen digitale Transformation legen.
Von   Bjoern Brundert   |  Principal Technologist CEMEA   |  VMware
16. November 2023

Wie Rechenzentren grüner werden können

Die effiziente Nutzung intelligenter Software in Rechenzentren zur Reduzierung des Energieverbrauchs ist ein wichtiger Schritt, um die Umweltauswirkungen zu reduzieren und Betriebskosten zu senken

Rechenzentren gelten als einer der größten Emittenten von Treibhausgasen. Denn der Betrieb von Speicher-, Server- und Netzwerkkapazitäten benötigt immens viel Energie. Der internationale digitale Datenverkehr verursacht mehr Treibhausgase als der weltweite Flugverkehr. Um ihre eigene Ökobilanz so grün wie möglich zu gestalten, stellen viele Unternehmen und öffentliche Organisationen, Universitäten und Krankenhäuser ihren IT-Betrieb um. Zum einen in die Cloud, zum anderen werden bestehende Systeme so konsolidiert, dass sie physische Server oder ganze Rechenzentrumsstandorte reduzieren können. Und es gibt intelligente Software, die beim Energiesparen hilft.

Klare Effizienzstandards für Rechenzentren

Wäre das Internet ein Land, so hätte es den sechstgrößten jährlichen CO2-Ausstoß der Erde – und würde damit noch mehr emittieren als Deutschland (Quelle: Statista). Das liegt vor allem an der wachsenden Nachfrage nach digitalen Angeboten, einem verstärkten Streaming-Aufkommen und der zunehmenden Digitalisierung ehemals analoger Prozesse. In Deutschland wird die dafür benötigte Rechenleistung in über 50.000 Rechenzentren und kleineren IT-Installationen erzeugt.

Der Energiebedarf eines größeren Rechenzentrums entspricht durchaus dem einer kleinen bis mittelgroßen Stadt. Das kürzlich vom Deutschen Bundestag beschlossene Energieeffizienzgesetz legt nun erstmals klare Effizienzstandards für Rechenzentren fest. Es beinhaltet nicht nur Energieeffizienzziele, sondern definiert auch konkrete Maßnahmen, um diese zu erreichen – sowohl für die öffentliche Hand wie auch für Unternehmen. So müssen Betreiber großer Rechenzentren langfristig Strom aus erneuerbaren Energien nutzen und für Transparenz sorgen, indem sie Informationen zu ihrem Energieverbrauch in ein öffentliches Register eintragen.

Virtualisierung als Grundlage eines energieeffizienten IT-Betriebs

Auf Ökostrom umzusteigen oder das eigene Rechenzentrum mit Solarzellen bestücken zu lassen, ist mittlerweile ein Leichtes und in Deutschland quasi schon die Regel. Aber wie schaffen es Rechenzentrumsbetreiber, ihren Strombedarf auch zu reduzieren?

Eine Schlüsselkomponente ist die so genannte Virtualisierung. Dabei wird ein physischer Rechner mit einem so genannten Hypervisor bespielt. Auf diesem lassen sich nun viele virtuelle Einzelserver – in der Fachsprache „Virtuelle Maschinen“ (VMs) – betreiben. Das hat den großen Vorteil, dass sich die darunter liegende physische Maschine viel effizienter nutzen lässt. Mittels Virtualisierung ist der Server in der Lage die Ressourcenanfragen von mehreren Virtuellen Maschinen gleichzeitig zu bedienen und so die Gesamtauslastung des Systems massiv zu erhöhen. Je nach Leistung und Alter lassen sich auf einem physischen Server nun zehn oder auch 100 virtuelle Maschinen betreiben. Man muss kein IT-Experte sein, um sich vorstellen zu können, wie viel Hardware, Strom und Abwärme sich dadurch einsparen lassen.

Virtualisierung bildet das Grundgerüst für das Prinzip des Cloud Computing. Die Server-Virtualisierung nahm vor über zwei Jahrzehnten ihren Anfang. Das Prinzip hat sich über die Jahre weiterentwickelt und auf alle Bereiche im Rechenzentrum erweitert: Mittlerweile lassen sich auch Storage (also Speicher) und Netzwerkkomponenten (Firewalls, Router, Switche, etc.) abstrahieren. Und durch diese Fortschritte findet Virtualisierung sogar Verwendung außerhalb von großen Rechenzentren – sei es in Fabriken, Krankenhäusern oder auch anderer kritischer Infrastruktur. Indem man jeweils die zugrunde liegende Hardware von den darauf laufenden Betriebssystemen und Anwendungen entkoppelt, macht sich die IT hardwareunabhängig. In solchen Fällen ist von einem Software-definierten Ansatz die Rede, der neue Möglichkeiten für einen smarten, energieeffizienten IT-Betrieb schafft.

Orange France: Statt 17 alten Rechenzentren drei moderne

Ein Beispiel, das den Einsatz solcher Möglichkeiten zwecks höherer Energieeffizienz anschaulich verdeutlicht, ist der Telekommunikationsanbieter Orange. Das französische, aber weltweit operierende Unternehmen, hat seine Rechenzentren schon vor einiger Zeit als Schlüsselkomponente zur Erreichung seiner Nachhaltigkeitsziele identifiziert. Vor diesem Hintergrund entschied es sich, 17 ältere, energieineffiziente Einrichtungen zu schließen und stattdessen in drei hochmoderne Rechenzentren zu investieren.

Um dies umzusetzen, richtete Orange France eine private Cloud mit einer software-definierten Cloud Foundation ein, die sowohl alte als auch neue Instanzen umfasste. Dies ermöglichte die Migration von Anwendungen und Daten in die neuen Einrichtungen. Die Effizienz der privaten Cloud hat den Bedarf an Servern um das Zehnfache reduziert, was zu erheblichen Energieeinsparungen führte. Die durchschnittliche Arbeitslast in der Private Cloud verbraucht deutlich weniger Energie als in der virtualisierten Legacy-Infrastruktur. Dies wurde auch durch den Einsatz eines Tools zum proaktiven IT-Betriebsmanagement unterstützt, das es ermöglicht, bestehende Ressourcen zu identifizieren, die aufgrund von Inaktivität umgewidmet oder gelöscht werden können. Orange France schätzt, dass dies zu etwa 1.800 zurückgewonnenen VMs pro Jahr führte.

Dank ihres umweltbewussten Konzepts können die neuen Rechenzentren außerdem zehn Monate im Jahr ohne Klimaanlage betrieben werden, was ihren Energiebedarf im Vergleich zu den alten Einrichtungen um bis zu 30 Prozent reduziert. Mit einer Power Usage Effectiveness (PUE), die Orange auf 1,3 schätzt, gehören die Rechenzentren zu den effizientesten in Frankreich und gelten als strategische Assets für die Gruppe.

Ausgleich der Kapazitäten

Über die geschilderten Maßnahmen hinaus haben Unternehmen die Möglichkeit, mit Funktionen zur Energieverwaltung die Auslastung ihrer physischen Server durch den Betrieb der darauf arbeitenden VMs zu überwachen und optimieren.

So lässt sich das beispielsweise das Workload-Management verbessern, indem die Hypervisor-Hosts in sogenannte Ressourcencluster gruppiert werden. Dabei werden die Rechenkapazitäten einer Gruppe von Servern zu logischen Ressourcenpools gebündelt und permanent deren Auslastung überwacht. Bei unausgewogener Ressourcenverteilung greift ein Algorithmus ein, der die Virtuellen Maschinen zur Laufzeit auf weniger ausgelastete Server verschiebt. Dieser Algorithmus wird Distributed Ressource Scheduler genannt und erlaubt IT-Administratoren auch, Geschäftsprioritäten und Wichtigkeit von Systemen festzulegen, die dann durch den Cluster erfüllt werden.

Die Software orientiert sich zusätzlich dynamisch an den aktuellen Geschäftsanforderungen und der Priorität relevanter Geschäftsziele und scannt den Ressourcenbedarf auf Cluster-Ebene. Wenn in Zeiten geringerer Nachfrage, zum Beispiel nachts, der Bedarf sinkt, kann die Software Arbeitslasten auf weniger physische Server konsolidieren. Auf diese Weise wird die Hardware-Auslastung entsprechend des tatsächlich benötigten Ressourcenbedarfs energiesparend angepasst und es können physikalische Server heruntergefahren werden.

Die dynamische Lastverteilung geht sogar noch einen Schritt weiter und bedient sich eines Tricks, den Fluggesellschaften gerne verwenden: die so genannte Überbuchung. Im Gegensatz zu diesem bei Vielfliegern unbeliebten Verfahren hat eine Überbuchung von Servern keine negativen Konsequenzen. Denn tatsächlich benötigen nie alle Virtuellen Maschinen, die auf einem physischen Server laufen, zeitgleich all dessen Ressourcen. Sollten doch einmal mehrere VMs viel Kapazität auf einmal beanspruchen, erkennt der DRS-Cluster dies und verschiebt die VMs in Echtzeit auf andere Server mit mehr Kapazität.

Vorausschauende Planung erleichtert das Energiesparen

Die proaktive und energieeffiziente Verwaltung des IT-Betriebs ist von großer Bedeutung. Es gibt auch Möglichkeiten zur Verwaltung von IT-Betrieben in Cloud-Umgebungen, die die Leistungsüberwachung und die Kapazitätsplanung miteinander verknüpfen. Beispielsweise verwendet ein bekanntes französisches Telekommunikationsunternehmen solche Tools, die weiteren Unternehmen einen umfassenden Einblick in die Verteilung der Arbeitslast auf Hosts, Cluster und Datenspeicher sowie in die Kapazitäten in den eingebundenen Rechenzentren bieten.

Neben der Sofortreaktion auf Ressourcenengpässe bieten einige dieser Tools auch die Möglichkeit, mittel- und langfristige Trends zu erkennen und Planungsszenarien für das Wachstum aufzuzeigen. Auf Grundlage historischer Daten wird mittels KI berechnet, wann eine Erweiterung eines Clusters erforderlich ist oder welche Ressourcen wie CPU, Arbeitsspeicher und Storage knapp werden könnten.

Zusätzlich liefern diese Lösungen relevante Informationen zum Energieverbrauch und den CO2-Emissionen verschiedener Netzwerkkomponenten, einschließlich konkreter virtueller Maschinen (VMs). Diese Kennzahlen werden in Berichten oder Dashboards dargestellt, um einen Überblick über die relevanten Metriken und deren Entwicklung im Laufe der Zeit zu geben.

Den Energieverbrauch im Blick behalten

Ein weiteres Instrument, das Unternehmen zur Bewertung ihrer Nachhaltigkeitsbemühungen nutzen können, ist die Berechnung von Kennzahlen, die auf Grundlage verschiedener Faktoren ermittelt werden, wie etwa die Effizienz der Arbeitslast, die Nutzung physischer Ressourcen, der Grad der Virtualisierung, die Energiequelle und die Hardwareeffizienz. Um entsprechende Kennzahlen zu ermitteln, geben Unternehmen zunächst den Prozentsatz der virtualisierten Teile ihrer Computing-Dienste, Netzwerkressourcen, Speichertechnologien und Desktop-Infrastruktur an. Anschließend wird nach den verwendeten Energiequellen gefragt. Schließlich müssen sie das durchschnittliche Alter der von ihnen genutzten Hardware in Jahren angeben, wobei die Hardware in Server, Speicher, Netzwerken und Desktops unterteilt ist. In allen drei Schritten gilt: Je größer der Einfluss einer bestimmten Komponente auf die CO2-Emissionen eines Rechenzentrums ist, desto stärker wird sie bei der Berechnung des Umwelt-Scores berücksichtigt.

Grün glänzen

Die Umsetzung von ESG-Maßnahmen (Environment, Social, Governance) ist gerade bei international agierenden Unternehmen fester Bestandteil der Unternehmenskultur. Die IT der Unternehmen trägt hier gerade im ökologischen Bereich eine große Verantwortung, der sie aber durchaus gewachsen ist. Die Kombination der oben genannten Maßnahmen kann dazu beitragen, den Energieverbrauch in einem Rechenzentrum erheblich zu reduzieren und die Energieeffizienz zu steigern.

Björn Brundert arbeitet seit über 13 Jahren für VMware. In seiner Rolle als Principal Technologist im Office of the CTO, Global Field, bei VMware bringt er die regionale VMware-Strategie für Zentraleuropa voran. Als Principal Technologist ist er Teil des CEMEA-Führungsteams und hostet seit 2021 den deutschsprachigen VMware-Podcast. Vor seiner Zeit bei VMware sammelte er u.a. Erfahrungen bei Lufthansa Systems und T-Systems Canada.

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