Die Verlagerung von klassischen Präsenzfortbildungen hin zu digitalen Trainingsmaßnahmen ist in vollem Gange, ebenso wie das in den Arbeitsablauf integrierte Lernen. Von vielen Unternehmen zunächst notgedrungen angestoßen, entpuppt sich dies als lohnenswert und nachhaltig – auch über die Krise hinaus.
Web-Konferenzen, virtuelle Team-Meetings und digitale Fortbildungen waren bis vor einigen Monaten in vielen Unternehmen noch Randerscheinungen. Selbst den größten Optimisten dürfte allerdings inzwischen bewusst sein, dass uns noch einige Monate bevorstehen, in denen es keine Großveranstaltungen und fast keinen Geschäftsreiseverkehr geben wird. Daher muss in puncto Fort- und Weiterbildungen umgedacht und von altbewährten Konzepten abgerückt werden. Und obgleich nach der Krise sicher eine Rückkehr in die uns bekannte Normalität möglich ist, werden digitale Fortbildungsmaßnahmen weiter an Relevanz gewinnen.
Die Vorteile des digitalen Lernens liegen auf der Hand: Kosten werden reduziert, da Reisen entfallen. Zudem können digitale Lerneinheiten maßgeschneidert auf den Wissenstand, den Zeitplan und den Arbeitsablauf eines Mitarbeiters genau dort ansetzen, wo sie gebraucht werden. Auch mittleren und kleinen Unternehmen, die bis vor kurzem Kosten und Aufwand für die Erarbeitung digitaler Maßnahmen gescheut und ausschließlich auf Präsenztrainings gesetzt haben, entdecken nun die digitale Qualifizierung für sich.
Statische E-Trainings als Pioniere digitaler Fortbildung
Um das enorme Entwicklung- und Zukunftspotenzial digitaler Trainings einordnen zu können, hilft ein kurzer Blick zurück. Vor rund 20 Jahren begann für viele Unternehmen der Einstieg in die digitale Aus- und Weiterbildung. Die aus heutiger Sicht langen und sperrigen E-Trainings dominierten den Markt und galten als das Non-Plus-Ultra moderner Qualifizierungsmaßnahmen. Dem Hype folgte dann einige Jahre später die Ernüchterung, da das angewandte Konzept nur bedingt erfolgreich war. Der Grund: Unternehmen holten ihre Mitarbeiter nicht mit ins Boot, weder emotional noch fachlich. Gleichzeitig wurden individuelle Trainingsbedürfnisse nicht – oder nur bedingt – bedient. Trotzdem eroberten E-Learnings sehr schnell den Weiterbildungsmarkt.
Lernen in Häppchen
Parallel zu neuen Technologien entstand vor einigen Jahren mit dem Micro-Learning ein vielversprechender Ansatz. Er ermöglicht es Mitarbeitern, die Fortbildungsinhalte in kleinen Einheiten über Smartphone oder PC vom Server abzurufen. In der Folge war eine ganze Branche damit beschäftigt, umfangreiche E-Trainings in kleinere, besser verdauliche Portionen zu zerkleinern. Aus dem einen Monolithen wurden viele kleine Micro-Learning-Elemente. Aber handelte es sich dabei um einen echten Fortschritt? Leider nein.
Nicht zwingend führt Micro-Learning auch zu besserer Qualifizierung. Denn nicht nur die gewählte Technik ist entscheidend für den Erfolg, sondern vielmehr der passgenaue Inhalt. Letztlich ist eine Maßnahme nur dann zielführend, wenn sie Mitarbeiter ihre Aufgaben auch tatsächlich schneller und besser lösen lässt. Auch die Anforderungen an die Inhalte verändern sich fortlaufend. Zählte in den ersten zwanzig Jahren des digitalen Lernens vor allem der quantitative Wissensoutput, gewinnt aktuell die qualitative Unterstützung von Arbeitsabläufen an Bedeutung.
Content Dumping vs. Performance Support
Die Qualifizierungsformate E-Training und Micro-Learning wurden und werden von Unternehmen nach wie vor teilweise vollkommen falsch eingesetzt. Fast schon reflexartig lassen Trainingsabteilungen E-Trainings produzieren, wenn neue Produkte oder Services auf den Markt kommen, neue Features einer Software gelaunched werden oder sich eine Marke neu positioniert. In dem Glauben, das richtige zu tun, wird Wissen, zum Beispiel in Form digitaler Einheiten „abgeladen“. Die Digitalisierung großer Bereiche unseres Arbeitslebens hat dieses „Content dumping“ nochmals beschleunigt, auch weil es so einfach ist. Content dumping, egal ob in kleinen Häppchen oder langen E-Trainings, geht aber am Bedarf der Mitarbeiter vorbei. Mussten Wissenslücken früher mühsam über interne Archive oder Nachschlagewerke geschlossen werden, sind heute die passenden Antworten meist nur ein paar Klicks entfernt. Unternehmen haben hier ein gigantisches Potenzial, ihren Mitarbeitern zu helfen. Sie müssen nicht mehr selbst alles wissen, sondern es genügt zu wissen, wo und wie sie Unterstützung finden.
Diese Entwicklung vom „Content dumping“ zum „Performance support“ können sich Unternehmen bei der Erstellung digitaler Trainings zunutze machen, indem sie gemäß einer Performance Support-Strategie Ressourcen anbieten. Dabei handelt es sich um schnell auffindbare, digitale Einheiten, die unmittelbar bei der Problemlösung helfen und Mitarbeiter bei ihren täglichen Aufgaben unterstützen.
Damit Qualifizierungsmaßnahmen tatsächlich die Leistung der Mitarbeiter verbessern, müssen sich die Maßnahmen an den Fragen orientieren, die sie sich bei ihrer täglichen Arbeit stellen und dazu passende Antworten geben. Google und YouTube machen es uns vor: How-to-Videos, Erfahrungsberichte und Schritt-für-Schritt-Anleitungen werden millionenfach angefragt. Mit dieser Art der spezifischen und zum passenden Zeitpunkt abrufbaren Informationsvermittlung erwerben Nutzer neue Fähigkeiten und bilden sich dabei kontinuierlich und ‚in the flow of work‘ weiter.
Mitarbeiter motivieren – vom Wissen profitieren
Sind Mitarbeiter motiviert sich fortzubilden, profitiert auch das Unternehmen davon. Und so ist es Aufgabe der Unternehmenslenker, die richtigen Voraussetzungen für erfolgreiche Weiterbildung zu schaffen. Es gilt, qualifizierte Ziele du definieren und eine nutzerfreundliche und individuell maßgeschneiderte Technik zu etablieren. Dabei darf nicht vergessen werden, Mitarbeiter von Anfang an in den Prozess einzubinden und deren Bedürfnisse und Zielsetzungen in den Mittelpunkt zu stellen. Digitale Schnellschüsse, die am Bedarf der Mitarbeiter vorbeigehen, sind nicht das Gebot der Stunde. Vielfach erprobte und erfolgreiche methodische Ansätze, etwa Design Thinking, sind hingegen ideal, um die Zielgruppen besser zu verstehen und die digitalen Qualifizierungsmaßnahmen auf dieser Basis anzupassen.
Gleichzeitig darf die steigende Verlagerung von Weiterbildung ins Digitale die Mitarbeiter nicht mit Inhalten überfrachten. Selbstverständlich ist auch das Bedürfnis nach persönlichen Kontakten und menschlichen Feedbacks nicht zu unterschätzen und sollte – sofern machbar und sinnvoll – mit digitalen Maßnahmen kombiniert werden. Präsenztrainings müssen nicht per se ausgeschlossen, sondern können sinnvoll mit digitalen Tools verknüpft werden.
Grundvoraussetzungen für die Konzeption und Gestaltung effizienter Qualifizierungsmaßnahmen sind demnach die folgenden:
Bevor Unternehmen konkrete Weiterbildungen planen, muss die Ausgangslage klar umrissen und die Business-Ziele sollten definiert sein. Erst daraus ergibt sich der grundsätzliche Bedarf einer Qualifizierungsmaßnahme. Nicht das Vorhandensein eines neuen Produktes, etwa eines neuen Auto-Modells, darf der alleinige Anlass für eine Maßnahme sein, sondern zum Beispiel die belegbare Erkenntnis, dass Mitarbeiter ihre Beratungsqualität verbessern müssen. Anhand vorliegender Daten und in Zusammenarbeit mit den entsprechenden Fachabteilungen werden ‚Performance gaps‘ eruiert, Kommunikationsschwachstellen aufgedeckt und am Ende das Ziel einer Qualifizierungsmaßnahme festgelegt. Beziehen Unternehmen ihre Mitarbeiter in den Entwicklungsprozess konsequent ein, indem sie beispielsweise fragen, was ihnen in ihrem Arbeitsleben helfen würde, steht einer erfolgreichen, Performance steigernden Maßnahme sowie zufriedeneren Mitarbeitern und Kunden nichts mehr im Wege.
Neben den Inhalten einer Qualifizierungsmaßnahme ist auch entscheidend, dass technisch alles klappt. Denn scheitert der Mitarbeiter beim Bedienen einer Software, ist alle Mühe vergebens. Zum heutigen Standard gehört beispielsweise, dass alle digitalen Medien im responsiven Design erstellt und auf allen Endgeräten verfügbar sind. Es ist ratsam, IT-Abteilungen frühzeitig zu involvieren, um etwa die IT-Sicherheit bei Benutzung von Dienst-Smartphones oder BYOD (Bring your own device) abzuklären, sicheres Hosting von geheimen Daten zu gewährleisten und die DSGVO zu beachten.
Um den Erfolg skalieren zu können, sollten Unternehmen den Erfolg ihrer Maßnahmen regelmäßig überprüfen. Das ist umso einfacher, je klarer die Ziele der Maßnahme definiert wurden. Feedbacks aus der Zielgruppe helfen zudem, zukünftige Projekte noch besser zu machen. Damit sind jedoch nicht die so genannten „Happy Sheets“ gemeint, die ein Feedback nach einer Bildungseinheit einholen sollen, jedoch selten Rückschlüsse auf einen Erfolg geben und eher Stimmungen widerspiegeln. Im besten Fall sucht das Unternehmen genau wie zu Beginn einer Maßnahme den Kontakt zu den Mitarbeitern und bezieht diese aktiv in Verbesserungsprozesse ein.
Digital Lernen – ein Mitarbeiterleben lang
Für Unternehmen bietet der krisenbedingte Umschwung hin zum Digitalen die große Chance, betriebliche Qualifizierung generell neu zu denken und Mitarbeiter so zu motivieren und zu qualifizieren, dass sie eigenverantwortlich das nächste Level erreichen. Dabei überfrachten moderne, digitale Trainingsstrategien Mitarbeiter nicht mit Inhalten. Stattdessen befähigen sie sie, Aufgaben schnell zu lösen, sich stetig zu verbessern und gewinnbringend an den Unternehmenszielen mitzuwirken. Trainingsabteilungen werden vom reinen Wissens-Provider zum Enabler und damit zum unabdingbaren Baustein einer erfolgreichen Unternehmensstrategie.
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